StBG § 261 Abs. 2 Nr. 1
1. § 261 Abs. 2 Nr. 1 des Strafgesetzbuchs ist mit dem Grundgesetz vereinbar, soweit Strafverteidiger nur dann mit Strafe bedroht werden, wenn sie im Zeitpunkt der Annahme ihres Honorars sichere Kenntnis von dessen Herkunft hatten.
2. Strafverfolgungsbehörden und Gerichte sind bei der Anwendung des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB verpflichtet, auf die besondere Stellung des Strafverteidigers schon ab dem Ermittlungsverfahren angemessen Rücksicht zu nehmen.
BVerfG, Urt. vom 30.03.2004 – 2 BvR 1520/01 und 2 BvR 1521/01
Der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts hat (...) den Straftatbestand des § 261 Abs. 2 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) verfassungskonform einschränkend ausgelegt. Danach erfasst die Vorschrift die Annahme eines Honorars oder Honorarvorschusses durch einen Strafvertei-diger nur dann, wenn er im Zeitpunkt der Annahme sichere Kenntnis von der Herkunft des Geldes aus einer Katalogtat hat. (...)
In den Gründen der Entscheidung heißt es:
Die nur teilweise zulässigen Vb bleiben im Ergebnis ohne Erfolg. Zwar hat der BGH die Tragweite der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit der Strafverteidiger, die bei weiter Auslegung des Straftatbestands des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB auf die Honorarannahme durch Strafverteidiger berührt sein kann, nicht hinreichend bedacht. Darauf beruht die Ver-werfung der Revision im Ergebnis jedoch nicht, weil das Landgericht der Ausstrahlungswir-kung des Grundrechts der Berufsausübungsfreiheit angemessen Rechnung getragen hat. Die Verurteilung der Bf durch das Landgericht wegen wissentlich begangener Geldwäsche ist deshalb im Ergebnis von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.
Es begegnet keinen grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Bedenken, § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB dahin auszulegen, dass die Annahme eines Honorars oder eines Honorarvorschusses durch einen Strafverteidiger strafbare Geldwäsche sein kann, wenn das Honorar aus Mitteln bezahlt wird, die aus einer der in § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB aufgeführten Vortaten stammen. Die uneingeschränkte Anwendung der Strafvorschrift auf den Strafverteidiger wie auf jeden anderen Normadressaten kann allerdings zu einem unverhältnismäßigen Eingriff in das Grundrecht des Strafverteidigers auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG) führen.
(...)
Der Schutz des Art. 12 Abs. 1 GG umfasst auch die Strafverteidigung, die zu den wesentli-chen Berufsaufgaben eines Rechtsanwalts zählt. Die Institution der Strafverteidigung ist au-ßerdem durch das Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes gefordert. (...) Das Risiko, sich durch die Entgegennahme eines Honorars oder Honorarvorschusses im Rahmen eines Wahl-mandats wegen Geldwäsche strafbar zu machen, kann wegen der Handlungsbedingungen des strafrechtlichen Mandatsverhältnisses und der Weite des subjektiven Tatbestands das Recht des Strafverteidigers gefährden, seine berufliche Leistung in angemessenem Umfang wirt-schaftlich zu verwerten. Die Wirkungen der Strafdrohung können außerdem geeignet sein, das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Strafverteidiger und Mandant, das eine unverzichtbare Grundlage für eine effektive Verteidigung ist, zu stören und Kollisionen zu erzeugen, die den Strafverteidiger daran hindern können, die Interessen seines Mandanten wirksam zu vertreten. Wird die Bestimmung des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB uneingeschränkt auf den Strafverteidiger wie auf die Angehörigen anderer Berufsgruppen angewendet, so ist fraglich, ob ein Mandant noch auf die Verschwiegenheit seines Verteidigers zählen kann. Im Interesse des Selbstschutzes wird der Mandant von einer offenen und freien Kommunikation mit seinem Verteidiger absehen. Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsmaßnahmen gegen den Strafverteidiger wie etwa eine Kanzleidurchsuchung und Beschlagnahme der Handakten kön-nen das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant noch tiefergreifend stören.
Die Gefahr möglicher eigener Strafbarkeit kann für den Verteidiger zu einem Interessenkon-flikt führen, der ihn daran hindern kann, die ihm von Verfassungs wegen anvertraute Aufgabe der Interessenwahrnehmung für den Beschuldigten zu erfüllen. Muss er bei einem Wahlman-dat mit eigener Strafverfolgung wegen Geldwäsche rechnen, wird er neben den Interessen des Mandanten zum Schutz vor eigener Strafverfolgung auch seine eigenen Belange berücksichti-gen müssen. Effektive Strafverteidigung ist unter diesen Bedingungen nicht mehr gewährleis-tet.
Vom Strafverteidiger kann nicht uneingeschränkt erwartet werden, dass er dieser durch den Strafgesetzgeber geschaffenen Gefahrenlage mit der Niederlegung des Wahlmandats und der Pflichtverteidigerbeiordnung begegnet. Pflichtverteidigung ist ein Sonderopfer des Strafver-teidigers im öffentlichen Interesse. Die Niederlegung des Mandats und die Bestellung des gewählten Verteidigers zum Pflichtverteidiger gleichen den Verlust der Berufsausübungsfrei-heit nicht aus, sondern verdeutlichen ihn.
Bei weiter Auslegung des Straftatbestandes des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB wäre der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Strafverteidigers unverhältnismäßig.
Der Gesetzgeber verfolgt mit der Einführung und Erweiterung des Straftatbestands der Geld-wäsche unter anderem das Ziel, die organisierte Kriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen. (...)
Die Strafandrohung des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB dient mit dieser Zielsetzung wichtigen Ge-meinwohlbelangen und ist zur Erreichung des ihr gesetzten Zwecks im Grundsatz geeignet und erforderlich. Für den Adressatenkreis der Strafverteidiger würde die uneingeschränkte Anwendung dieser Strafbestimmung jedoch gegen das Übermaßverbot verstoßen. (...)
Das Prinzip der Verhältnismäßigkeit fordert jedoch keine völlige Freistellung des Strafverteidigers von der Strafdrohung des § 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Weder das Grundrecht der Be-rufsausübungsfreiheit noch die Garantie der freien Wahl eines Strafverteidigers in einem fai-ren Strafverfahren rechtfertigen die Freistellung eines Strafverteidigers vom Verbot der Geldwäsche, wenn dieser sich bemakeltes Geld bewusst verschafft und damit seine privile-gierte Verteidigerstellung zur Geldwäsche missbraucht.
§ 261 Abs. 2 Nr. 1 StGB kann verfassungskonform einengend ausgelegt werden. Die Annah-me eines Honorars oder Honorarvorschusses durch einen Strafverteidiger ist nur dann mit Strafe bedroht, wenn der Strafverteidiger im Zeitpunkt der Annahme sicher weiß, dass das Geld aus einer Katalogtat stammt. Zu Nachforschungen über die legalen oder illegalen Ein-nahmequellen des Mandanten ist der Strafverteidiger nicht verpflichtet. Darauf, ob das Wis-sen des Strafverteidigers auf einem Geständnis seines Mandanten oder auf anderen Quellen beruht, kommt es nicht an.
Damit steht zugleich fest, dass § 261 Abs. 5 StGB, der in subjektiver Hinsicht Leichtfertigkeit genügen lässt, auf die Honorarannahme durch Strafverteidiger keine Anwendung finden kann.
Den verbleibenden Gefahren für die Berufsausübungsfreiheit des Strafverteidigers und das Institut der Wahlverteidigung können und müssen die mit der Umsetzung der materiellen Norm betrauten Staatsanwaltschaften und Gerichte Rechnung tragen. Sie sind verpflichtet, auf die besondere Stellung des Strafverteidigers angemessen Rücksicht zu nehmen. So setzt der Anfangsverdacht der Geldwäsche durch einen Strafverteidiger auf Tatsachen beruhende, greifbare Anhaltspunkte für die Annahme voraus, dass der Strafverteidiger zum Zeitpunkt der Honorarannahme bösgläubig war. Darauf können etwa die außergewöhnliche Höhe des Hono-rars oder die Art und Weise der Erfüllung der Honorarforderung hinweisen. Auch die Fachge-richte müssen der besonderen Rolle der Strafverteidiger bei der ihnen anvertrauten Aufgabe der Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung angemessen Rechnung tragen.
(Auszug aus der Pressemitteilung des Bundesverfassungsgericht Nr. 36/2004 vom 30.03.2004; die Entscheidung ist im Volltext im Internet unter www.bverfg.de./entscheidungen abrufbar.)