Der Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode ist nach dem positiven Ausgang des Mitgliedervotums der SPD am 30.4.2025 reif zur Unterzeichnung durch die künftigen Regierungsparteien. Damit steht der Bildung der neuen Regierung nichts mehr im Weg.
Der Vertrag beinhaltet zahlreiche die Anwaltschaft und die Rechtspolitik betreffende Themen. Positiv zu bewerten ist aus Sicht der BRAK insbesondere ein deutliches Bekenntnis zur Selbstverwaltung der Freien Berufe und der berufsständischen Versorgungswerke. Am Fremdbesitzverbot für Apotheken soll festgehalten werden. Vor diesem Hintergrund steht zu hoffen, dass die neue Koalition auch das Fremdbesitzverbot der Anwaltschaft unangetastet lässt. Der Pakt für den Rechtsstaat und Verfahrensrechte (u.a. Modernisierung der Zivilprozessordnung) sollen reformiert werden. Im Bereich der Digitalisierung von Verwaltung und Justiz beabsichtigt der Bund, eine zentralere Rolle einzunehmen. Aus Sicht der BRAK ist das zu begrüßen; es entspricht ihren Forderungen nach Vereinheitlichung der Standards im Rahmen der elektronischen Kommunikation und der Vermeidung von Medienbrüchen.
Im Koalitionsvertrag nicht erwähnt werden wichtige Themen wie die Reform der Juristenausbildung, die Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung, Meldepflichten für innerstaatliche Steuergestaltungen und die Einrichtung einer Insolvenzverwalterkammer. Die BRAK wird sich insofern auch weiterhin engagieren.
Im Detail formuliert der Koalitionsvertrag zum Bereich Verfahrensrecht das Ziel, die Verfahrensordnungen in das digitale Zeitalter zu übersetzen, damit Verfahrensplattformen an die Stelle klassischer Akten treten und digitale Beweismittel aufnehmen können. Verfahrensdauern sollen erheblich verkürzt werden, indem u.a. der Zugang zu einer weiteren Tatsacheninstanz begrenzt werden soll. Zudem soll der rechtliche Rahmen für richterliche Verfahrensstrukturierung und für Strukturvorgaben an den Parteivortrag geschaffen werden. Zur Modernisierung der Zivilprozessordnung will die Regierung die Impulse der Reformkommission „Zivilprozess der Zukunft“ aufgreifen und weitere Maßnahmen zur Bewältigung zivilrechtlicher Massenverfahren ergreifen. Sie will zudem eine Kommission aus Wissenschaft und Praxis unter Beteiligung der Länder einsetzen, um eine grundlegende Überarbeitung der Strafprozessordnung vorzubereiten, die aus ihrer Sicht für eine effektivere Strafverfolgung unumgänglich ist.
Die Digitalisierung der Justiz will die neue Regierung konsequent fortführen und dafür sorgen, dass Medienbrüche in Verfahren der Vergangenheit angehören. Hierzu gehören u.a. gemeinsam mit den Ländern festzulegende Standards für die elektronische Übermittlung von Behördenakten an Gerichte und Staatsanwaltschaften. Außerdem sollen eine Bundesjustizcloud sowie ein Justizportal mit Kommunikationsplattform, Vollstreckungsregister und weiteren Bürgerservices (u.a. digitale Rechtsantragsstelle, Zugang zum digitalen Rechtsverkehr für Bürgerinnen und Bürger und kleine Unternehmen) eingeführt und die Nutzung von künstlicher Intelligenz in der Justiz ermöglicht werden.
Die Gestaltungsmöglichkeiten der Länder sollen durch Öffnungs- und Experimentierklauseln gestärkt werden.
Den Zugang zum Recht will die Koalition erleichtern und die Justiz in der Fläche stärken. Hierzu sollen die Zuständigkeitsstreitwerte der Amtsgerichte erhöht werden. Ebenfalls erhöht werden sollen die Rechtsmittelstreitwerte. Außerdem soll ein Online-Verfahren in der Zivilgerichtsbarkeit eingeführt werden.
Für die Anwaltschaft von Bedeutung ist auch die Absicht der Regierung, Geldwäsche und Finanzkriminalität effektiv zu bekämpfen. Dazu sollen u.a. die Kompetenzen des Bundes gebündelt werden. Mit Blick auf die anstehende FATF-Prüfung sollen der Austausch und die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern im Bereich der Geldwäsche sowie mit nationalen und internationalen Organisationen, der EU und der europäischen Aufsichtsbehörde AMLA verbessert und Lücken im Transparenzregister geschlossen werden. Ferner sollen geldwäscherechtlich Verpflichtete sich nicht an Geschäften über 10.000 Euro beteiligen dürfen, wenn wirtschaftlich Berechtigte nicht ermittelbar sind; es soll ein effektives Vermögensermittlungsverfahren geschaffen und die bestehenden Instrumente zur Vermögenseinziehung ausgebaut werden.
Zudem sollen die Befugnisse der Sicherheitsbehörden ausgebaut werden. Der Koalitionsvertrag sieht hierzu die Einführung einer dreimonatigen Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern sowie die Quellen-Telekommunikationsüberwachung ohne Zugriff auf retrograd gespeicherte Daten durch die Bundespolizei zur Bekämpfung schwerer Straftaten vor. Ferner sollen die Sicherheitsbehörden in bestimmten Fällen die automatisierte Datenrecherche und -analyse sowie den nachträglichen biometrischen Abgleich mit öffentlich zugänglichen Internetdaten, auch mittels Künstlicher Intelligenz, durchführen können. Zudem soll der Einsatz von automatisierten Kennzeichenlesesystemen im Aufzeichnungsmodus ermöglicht werden.
Weitere wichtige Regelungen enthält der Koalitionsvertrag u.a. in den Bereichen Datenschutz, europäische und internationale Zusammenarbeit, Umsetzung der KI-Verordnung sowie Abbau von Formerfordernissen sowie im Straf- und Strafprozessrecht und im Familienrecht, wo bereits in der vergangenen Legislaturperiode umfangreiche Reformen angedacht wurden.
Weiterführende Links:
Koalitionsvertrag für die 21. Legislaturperiode
Kernforderungen der BRAK für die 21. Legislaturperiode