UWG § 13 Abs. 2 Nr. 2 ;GG Art. 12 Abs. 1

Klagebefugnis öffentlich-rechtlicher Kammern gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a. F.

BVerfG, Beschluss vom 26.10.2004 - 1 BvR 981/00 1. Zu den verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Klagebefugnis von Steuerberaterkammern nach § 13 Abs. 2 UWG wegen einer Verletzung von Berufspflichten, die zugleich wettbewerbswidrig ist.
2. Zum Werberecht freiberuflich Tätiger.

BVerfG, B. v. 26.10.2004 – 1 BvR 981/00

Auszug aus der Pressemitteilung des BVerfG Nr. 100/2004 vom 16. November 2004: (Die Entscheidung ist im Volltext im Internet unter www.bverfg.de/entscheidungen abrufbar)

Die Beschwerdeführerin, eine Steuerberatungsgesellschaft, ließ auf einem Straßenbahnwagen über dessen Länge neben ihrem Firmenlogo und ihrer Adresse die Aufschrift anbringen „Ihr Partner in Sachen Steuer- und Wirtschaftsberatung“ und „Ihr Dienstleistungszentrum im Herzen von …“. Die zuständige Steuerberaterkammer hatte mit ihrer zivilgerichtlichen Unterlas-sungsklage nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), das damals noch in der Fassung des Gesetzes von 1998 galt und inzwischen durch das Gesetz von 2004 abgelöst worden ist, vor dem OLG Erfolg. Mit ihrer Vb rügt die Bf eine Verletzung von Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG.

In den Gründen der Entscheidung heißt es im Wesentlichen:
1. Die berufliche Außendarstellung eines freiberuflich Tätigen einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme seiner Dienste fällt in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, der die freie Berufsausübung schützt. Bei der Auslegung berufsbeschränkender Normen hat der Richter neben der Bedeutung des Grundrechts auf Berufsausübungsfreiheit den Vorrang des parlamentarischen Gesetzgebers zu beachten. Es ist primär Sache des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche öffentlichen Aufgaben er auf eine Körperschaft des öffentlichen Rechts überträgt. Erweitern Gerichte Eingriffsmöglichkeiten, haben sie sich im Rahmen der Festlegungen zu halten, für die der parlamentarische Gesetzgeber die Verantwortung übernommen hat.

2. Das angegriffene Urteil steht mit Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG in Einklang, soweit das Gericht der Steuerberaterkammer die Klagebefugnis gem. § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG a.F. zuerkannt hat.

Verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist die Auffassung des OLG, dass die Steuerberaterkammer zur Erfüllung ihrer Aufgabe nicht auf solche Mittel beschränkt ist, die im Steuerberatergesetz (StBerG) ausdrücklich genannt sind. § 76 Abs. 2 StBerG zählt die Befugnisse der Steuerberaterkammern nur beispielhaft auf. Handlungsermächtigungen können sich daher auch aus anderen Bundesgesetzen, wie dem UWG, ergeben. Zwar sah § 13 UWG a.F. keine ausdrückliche Klagebefugnis für die Kammern vor, denen die freiberuflich Tätigen verpflichtend angehören. Die Wettbewerbsklage gegen Kammermitglieder ist in langjähriger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs jedoch für zulässig erachtet worden, da Verstöße gegen Berufspflichten häufig einen wettbewerbsrechtlichen Bezug haben, weil sie andere Marktteilnehmer benachteiligen. Die zivilgerichtliche Untersagungsverfügung habe gegenüber berufsrechtlichen Aufsichtsmaßnahmen nach dem StBerG eine höhere Effizienz, lasse aber die im Berufsrecht niedergelegten Rechte und Pflichten der Kammer und ihrer Mitglieder unverändert. Diese Auslegung erweitert die Eingriffsmöglichkeiten der Kammern gegenüber ihren Mitgliedern. Sie dient der Wahrung der Gesamtinteressen des Kammerverbundes und hält sich damit in den Grenzen, die die Verfassung der Rechtsprechung bei der Normauslegung setzt.
Bei der Anwendung auf den Einzelfall müssen die Gerichte anhand des verfassungsrechtlichen Maßstabs des Art. 12 Abs. 1 GG darüber entscheiden, wann das Vorgehen im Zivilrechtsweg angemessen ist und nicht unverhältnismäßig in die Berufsausübungsfreiheit der Kammermitglieder eingreift. Unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten kann es erforderlich sein, das Vorgehen der Kammer auf die Mittel des Aufsichtsrechts nach dem StBerG zu beschränken; denn diese sind aus der Sicht der Berufsangehörigen milder, weil sie nur bei einem Verschulden des Kammermitglieds angewandt werden dürfen. Auch unter diesem Gesichtspunkt ist die vom OLG vorgenommene Gesetzesauslegung verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Verfolgung von Verstößen gegen Berufspflichten, die zugleich Wettbewerbsverstöße zur Folge haben, liegt im Interesse aller Kammerangehörigen. Den Zivilgerichten kommt insoweit die Aufgabe zu, die Berufspflichten auf ihre Übereinstimmung mit dem ermächtigenden Gesetz und insbesondere mit der Verfassung zu prüfen. Die Kammern können den Zivilgerichten diese Prüfpflicht nicht abnehmen.

3. Die Bewertung der Straßenbahnwerbung als unlauter verletzt hingegen die Bf in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG.

Werbung als Teil beruflicher Betätigung ist auch dem Steuerberater grundsätzlich erlaubt. Als berufswidrig kann Werbung von der Kammer unterbunden werden, wenn das Verhalten den Rückschluss nahe legt, der mit diesen Mitteln Werbende werde nicht Gewähr dafür bieten, aus Rücksicht auf die Steuerrechtspflege und die Interessen seiner Mandanten das persönliche Gewinnstreben zurückzustellen. Das Gebot der Sachlichkeit verlangt nicht, sich auf die Mitteilung nüchterner Fakten zu beschränken. Information über die Art der beabsichtigten Zusammenarbeit oder über die Atmosphäre, die bei der Erbringung der Dienstleistungen angestrebt wird, befriedigen ein legitimes Informationsbedürfnis der Nachfrager. Allein aus dem Umstand, dass eine Berufsgruppe ihre Werbung anders als bisher üblich gestaltet, kann nicht gefolgert werden, dass dies berufswidrig wäre.

Diesen Grundsätzen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht. Nach Auffassung des OLG dürfen Steuerberater zwar auf einer Straßenbahn werben, die Werbung müsse aber schon ihrer Art und Größe nach von der üblichen Straßenbahnwerbung verschieden gestaltet werden. Diese Argumentation schränkt die Möglichkeiten der Präsentation ein, ohne einen Bezug zu den hiermit verbundenen Gefährdungen für das berufliche Verhalten und das Bild der Berufsangehörigen in der Öffentlichkeit herzustellen. Eine solche Beschränkung ist unverhältnismäßig und lässt sich auch nicht mit dem Inhalt der Werbeaussage begründen. Der Zusatz „Ihr Partner in Sachen …“ kennzeichnet die beabsichtigte Berufsausübung als partnerschaftlich. Dies steht mit den Berufspflichten des StBerG in Einklang.

Anmerkung der Redaktion:
Die Entscheidung gilt entsprechend für die wettbewerbsrechtliche Klagebefugnis einer Rechtsanwaltskammer gem. § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG n. F., die bereits vom BGH in ständiger Rechtsprechung bejaht wurde (vgl. BGH NJW 2002, 2039). Die hiergegen in der Kommentarliteratur verschiedentlich erhobenen Einwände (z. B. Eylmann in Henssler/Prütting, § 43 b Rdnr. 83) dürften sich damit erledigt haben.

Die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KostVerz gehört zu den allgemeinen Geschäftsunkosten des RA nach § 25 Abs. 1 BRAGO. 4 Es sei Sache eines jeden Rechtsanwalts, so die Argumentation des LG Berlin, seine Kanzleigeschäfte nach seinem Dafürhalten zu organisieren. So könne er die Gerichtsakten abholen und zurückbringen, einen Mitarbeiter damit betrauen oder sich die Akte per Post übersenden lassen. Komme der Rechtsanwalt selbst oder schicke er jemanden vorbei, erhalte er hierfür nichts. Folglich sei nicht ersichtlich, warum dem Anwalt dann, wenn er sich die Bequemlichkeit der postalischen Aktenübersendung durch das Gericht verschaffe, die hierfür anfallende Auslagenpauschale erstattet erhalten sollte. Anmerkung: Ob eine Aktenversendungspauschale zu den allgemeinen Geschäftsunkosten des § 25 Abs. 1 BRAGO oder den allgemeinen Geschäftskosten nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG gehört, ist streitig. Ebenso wie das LG Berlin haben entschieden: AG Tiergarten AnwBl 1995, 571; AG München, JurBüro 1995, 544; AG Nordhorn, JurBüro 1995, 305). Nach der Gegenauffassung gehört die dem RA in Rechnung gestellte Aktenversendungspauschale nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG zu den ihm vom Auftraggeber zu ersetzenden Aufwendungen (LG Berlin, BerlAnwBl. 1997, 442; AG Leipzig NStZ-RR 2000, 319; Hansens, ZAP Fach 24, S. 521; AnwKom-RVG-N. Schneider, Vorbem. 7 VV RVG Rn. 31).

BRAGO, § 25 Abs. 1; GKG KostVerz Nr. 9003

Aktenversendungspauschale als allgemeine Geschäftsunkosten

LG Berlin, Beschl. v. 25.10.2005 – 505 Qs 157/04 – (Fundstelle: RVGreport 2005, 150 f.) Die Aktenversendungspauschale nach Nr. 9003 GKG KostVerz gehört zu den allgemeinen Geschäftsunkosten des RA nach § 25 Abs. 1 BRAGO. 4

Es sei Sache eines jeden Rechtsanwalts, so die Argumentation des LG Berlin, seine Kanzleigeschäfte nach seinem Dafürhalten zu organisieren. So könne er die Gerichtsakten abholen und zurückbringen, einen Mitarbeiter damit betrauen oder sich die Akte per Post übersenden lassen. Komme der Rechtsanwalt selbst oder schicke er jemanden vorbei, erhalte er hierfür nichts. Folglich sei nicht ersichtlich, warum dem Anwalt dann, wenn er sich die Bequemlichkeit der postalischen Aktenübersendung durch das Gericht verschaffe, die hierfür anfallende Auslagenpauschale erstattet erhalten sollte.

Anmerkung:
Ob eine Aktenversendungspauschale zu den allgemeinen Geschäftsunkosten des § 25 Abs. 1 BRAGO oder den allgemeinen Geschäftskosten nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 1 VV RVG gehört, ist streitig. Ebenso wie das LG Berlin haben entschieden: AG Tiergarten AnwBl 1995, 571; AG München, JurBüro 1995, 544; AG Nordhorn, JurBüro 1995, 305). Nach der Gegenauffassung gehört die dem RA in Rechnung gestellte Aktenversendungspauschale nach Vorbem. 7 Abs. 1 S. 2 VV RVG zu den ihm vom Auftraggeber zu ersetzenden Aufwendungen (LG Berlin, BerlAnwBl. 1997, 442; AG Leipzig NStZ-RR 2000, 319; Hansens, ZAP Fach 24, S. 521; AnwKom-RVG-N. Schneider, Vorbem. 7 VV RVG Rn. 31).

1. Die Überschreitung der Mittelgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände im Einzelfall vorliegen und der RA seine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der in § 12 Abs. 1 S. 1 BRAGO aufgeführten Bemessungskriterien getroffen hat. Die ohne Berücksichtigung dieser Voraussetzungen vom RA angesetzte Gebühr kann auch dann schon unbillig hoch sein, wenn sie die Mittelgebühr um weniger als 20 % übersteigt. 2. Ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer ist nur in einem Rechtsstreit zwischen RA und seinem Auftraggeber als unmittelbaren Schuldner der Gebühren einzuholen.

§§ 12, 118 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO

Toleranzgrenze bei der Gebührenbestimmung; Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer

BFH, Beschl. v. 19.10.2004 – VII B 1/04 Fundstelle: RVGreport 2006, S. 20 f. siehe dort auch BVerwG, Urt. v. 17.08.2005

1.
Die Überschreitung der Mittelgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn besondere Umstände im Einzelfall vorliegen und der RA seine Ermessensentscheidung unter Berücksichtigung der in § 12 Abs. 1 S. 1 BRAGO aufgeführten Bemessungskriterien getroffen hat. Die ohne Berücksichtigung dieser Voraussetzungen vom RA angesetzte Gebühr kann auch dann schon unbillig hoch sein, wenn sie die Mittelgebühr um weniger als 20 % übersteigt.

2.
Ein Gutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer ist nur in einem Rechtsstreit zwischen RA und seinem Auftraggeber als unmittelbaren Schuldner der Gebühren einzuholen.

BRAO § 43 b; BRAO § 6; UWG §§ 3, 4 Nr. 11; GG Art. 12

Reichweite des Sachlichkeitsgebotes bei Anwaltswerbung

OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 14.10.2004 – 6 U 198/03 (Fundstelle: NJW 2005, 1283) Eine gegen das Sachlichkeitsgebot aus § 43 b BRAO, § 6 BORA verstoßende Werbung stellt zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung i. S. des § 3 UWG dar. Das darauf folgende Verbot verletzt nicht das Grundrecht auf Berufsfreiheit aus Art. 12 GG. ¹

Der beklagte Rechtsanwalt hatte im Internet wie folgt geworben: „Soweit erforderlich, werden wir auch Klage erheben. Wir werden Anträge auf Erlass eine einstweiligen Anordnung sorgfältig begründen und den Gerichtstermin auf jeden Fall wahrnehmen. Dies unterscheidet uns von eigenen anderen auf diesem Gebiet tätigen Anwälten/innen, bei denen der Sachvortrag häufig sehr dürftig ist und keine Vertretung in der mündlichen Verhandlung erfolgt. So geht z. B. der Rechtsanwalt S. aus S. nie zur mündlichen Verhandlung, so dass ihn die Richter bereits als „Phantom“ bezeichnet haben. Wir werden als adäquate Gesprächspartner auch von den Richtern geschätzt (...).“

Zwar seien die Aussagen der Sätze 1 und 2 der beanstandeten Werbung, so das OLG; noch als sachliche Unterrichtung im Sinne der §§ 43 b BRAO, 6 BORA zu verstehen, das Sachlichkeitsgebot werde jedoch durch die nächsten beiden Sätze („Dies unterscheidet uns ...“ und „So geht z. B. ein Rechtsanwalt S. ...“) verletzt. Der Leser könne nicht beurteilen, wer zu den angesprochenen nachlässigen Rechtsanwälten gehöre und werde verunsichert. Ein rechtliches Interesse des Beklagten, nicht nur seine eigene Leistung positiv darzustellen, sondern darüber hinaus einen Teil der konkurrierenden Rechtsanwälte in ein schlechtes Licht zu rücken, bestehe nicht.

Darüber hinaus sei die Klage auch deshalb begründet, weil es im letzten Satz der angegriffenen Passage heiße: „Wir werden als adäquate Gesprächspartner ...“. Eine Werbung, die ein reklamehaftes Anpreisen in den Vordergrund stelle und mit der eigentlichen Leistung des Rechtsanwalts und dem unabdingbaren Vertrauensverhältnis im Rahmen eines Mandats nichts mehr zu tun habe, sei mit der Stellung des Rechtsanwalts nicht vereinbar. Indem der Beklagte sich den Interessenten als von den Richtern geschätzt präsentiere, erwecke er, insbesondere im Kontext mit den beiden vorangegangenen Sätzen, den Eindruck, in einem Näheverhältnis zu den zur Neutralität verpflichteten Richtern zu stehen und Prozesse deshalb nicht nur wegen seiner sachlichen Befähigung, sondern auch wegen seiner persönlichen Beziehungen gewinnen zu können.

Der Verstoß gegen § 43 b BRAO verletze zugleich den Tatbestand des § 1 UWG a. F. Auch nach Einführung des neuen UWG vom 03.07.2004 bleibe die Werbung wettbewerbswidrig. Denn bei § 43 b BRAO handele es sich um eine gesetzliche Vorschrift im Sinne von § 4 Nr. 11 UWG, da sie auch dazu bestimmt sei, im Interesse der Marktteilnehmer das Marktverhalten zu regeln. Der Verstoß gegen § 43 b BRAO stelle zugleich eine unlautere Wettbewerbshandlung im Sinne von § 3 UWG dar, da er geeignet sei, den Wettbewerb zum Nachteil der Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen.

UWG §§ 3, 4 Nr. 11, 5 BRAO; BRAO § 49 b I; RVG § 4 I, II, VV Nr. 2100

Minutenpreisvereinbarung bei telefonischer Rechtsberatung – Telekanzlei

BGH, Urt. v. 30.09.2004 – I ZR 261/02 (KG) Fundstelle: NJW 2005, 1266 f.) Ein Rechtsanwalt, der für eine telefonische Rechtsbeartung einen Minutenpreis vereinbart, verstößt damit nicht notwendig gegen das Verbot der Gebührenunter- oder überschreitung (im Anschluss an BGHZ 152, 153 = NJW 2003, 819 = GRUR 2003, 349 – Anwalts-Hotline). Er muss jedoch in der Werbung für die telefonische Rechtsberatung auf nicht selbstverständliche Einschränkungen und Besonderheiten der Berechnung hinweisen (hier: Streitwertgrenze für Minutenpreis; Berechnung des Minutenpreises auch für Gesprächsunterbrechungen zum Zwecke des Recherchierens).

BRAO § 59; GG Art. 12
Verbot der Sternsozietät für Rechtsanwälte nicht verfassungswidrig

AnwGH Hamburg, Beschl. v. 27.09.2004 – I ZU 8/03 (nicht rechtskräftig)

Fundstelle: NJW 2005, 159 1. Das Verbot der Sternsozietät für Rechtsanwälte in § 59 a BRAO verstößt nicht gegen Art. 12 GG.

2. Das Verbot der Sternsozietät für Rechtsanwälte stellt auch keinen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 GG) gegenüber Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern dar, die ein Verbot der Sternsozietät nicht kennen, denn die Berufsbilder sind nicht entsprechend vergleichbar. Insbesondere sind Steuerberater und Wirtschaftsprüfer nicht Organe der Rechtspflege wie Rechtsanwälte. (Leitsätze der NJW-Redaktion)

VwZG § 5 II; ZPO § 85 II

Vereinfachte Zustellung an Anwaltssozietät

OVG Lüneburg Beschl. v. 27.09.2004 – 11 LA 107/04 –

Fundstelle: NJW 2005, 312 1. Zur vereinfachten Zustellung eines Widerspruchsbescheides an eine Anwaltssozietät gem. § 5 II VwZG.

2. Hat ein Kläger die Vollmacht zur Prozessführung einer Anwaltssozietät erteilt, sind grundsätzlich sämtliche Anwälte, die der Sozietät angehören, und nicht nur der sachbearbeitende Rechtsanwalt i. S. des § 85 II ZPO bevollmächtigt. Dies hat zur Folge, dass die der Anwaltssozietät angehörenden Rechtsanwälte bei Zustellungen gegenseitig als vertretungsberechtigt und damit auch als empfangsberechtigt anzusehen sind.

3. Erkrankt das sachbearbeitende Sozietätsmitglied oder befindet es sich im Urlaub, müssen Vorkehrungen getroffen werden, dass ein anderes Sozietätsmitglied zumindest die fristgebundenen Arbeiten des verhinderten Sozietätsmitglies in angemessener Weise und zeitgerecht erledigt. (Leitsätze 2 und 3 der NJW-Redaktion)

Das OVG Lüneburg hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem der mandatierten Sozietät ein Widerspruchsbescheid am 06.02.2003 gegen Empfangsbekenntnis zugestellt worden war, der sachbearbeitende Sozius, der zunächst urlaubsabwesend war, das Empfangsbekenntnis aber erst am 17.02.2003 unterzeichnet hat. Am 14.03.2003 ging die Klage ein. Das VG ließ die Berufung nicht zu.

Die Zulassung der Berufung scheitere, so dass OVG, bereits daran, dass die Klage wegen Versäumung der einmonatigen Klagefrist gemäß § 74 VwGO unzulässig sei. Dass der sachbearbeitende Rechtsanwalt den Widerspruchsbescheid am 17.02.2003 gesehen haben will und dies durch seine Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis dokumentiert habe, führe nicht dazu, dass als Tag der Zustellung der 17.02.2003 anzunehmen sei. Zwar komme es für den Zeitpunkt der vereinfachten Zustellung an den Rechtsanwalt gemäß § 5 Abs. 2 VwZG grundsätzlich auf den Tag an, an welchem der Rechtsanwalt das zuzustellende Schriftstück als zugestellt angenommen habe. Dies sei der Tag, an dem er das Empfangsbekenntnis unterzeichnet hat. Habe der Kläger die Vollmacht zur Prozessführung allerdings einer Anwaltssozietät erteilt, seien sämtliche Anwälte bevollmächtigt, was zur Folge habe, dass sie bei Zustellungen gegenseitig als vertretungsberechtigt und damit auch als empfangsberechtigt anzusehen seien. Im Falle der Erkrankung oder Urlaubsabwesenheit des sachbearbeitenden Sozietätsmitglieds seien Vorkehrungen dafür zu treffen, zumindest die fristgebundenen Arbeiten des verhinderten Sozietätsmitglieds in angemessener Weise und zeitgerecht zu erledigen. Hierzu gehöre, durch ein anderes Sozietätsmitglied fristgebundene Schriftstücke entgegenzunehmen und dies durch Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis zu bestätigen. Würde man in einem solchen Fall auf die Urlaubsrückkehr des sachbearbeitenden Rechtsanwalt abstellen, würde das Unterlaufen von gesetzlichen Fristen ermöglicht. Dementsprechend sei nicht die Entgegennahme des Widerspruchsbescheids durch den sachbearbeitenden Rechtsanwalt am 17.02.2003 für den Zeitpunkt der Zustellung maßgeblich, sondern der Zeitpunkt des Eingangs in der Kanzlei am 06.02.2003. Damit sei die Klagefrist am 06.03.2003 abgelaufen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand könne nicht gewährt werden.

Die Kosten einer Bahncard gehören zu den allgemeinen Geschäftskosten und können auch nicht durch pauschalen Aufschlag auf den tatsächlichen Fahrpreis angesetzt werden. 4 Benutze der Rechtsanwalt eine Bahncard im Einzelfalle, könne er, so das OLG Celle, lediglich seinem Auftraggeber den tatsächlichen, also den verminderten Fahrpreis, in Rechnung stellen. Die Kosten für die Anschaffung der Bahncard könnten nicht gesondert berechnet werden. Diese gehörten nämlich zu den allgemeinen Geschäftskosten des RA ohne konkreten Bezug zu einem bestimmten Mandat. Ebenso wenig komme die Umlegung der Kosten der Bahncard durch einen pauschalen Aufschlag von 20 % auf die tatsächlichen Fahrtkosten in Betracht.

Kosten einer Bahncard

OLG Celle, Beschl. v. 31.08.2004 – 8 W 271/04 (Fundstelle: RVGreport 2005, 151 f.) Die Kosten einer Bahncard gehören zu den allgemeinen Geschäftskosten und können auch nicht durch pauschalen Aufschlag auf den tatsächlichen Fahrpreis angesetzt werden. 4

Benutze der Rechtsanwalt eine Bahncard im Einzelfalle, könne er, so das OLG Celle, lediglich seinem Auftraggeber den tatsächlichen, also den verminderten Fahrpreis, in Rechnung stellen. Die Kosten für die Anschaffung der Bahncard könnten nicht gesondert berechnet werden. Diese gehörten nämlich zu den allgemeinen Geschäftskosten des RA ohne konkreten Bezug zu einem bestimmten Mandat. Ebenso wenig komme die Umlegung der Kosten der Bahncard durch einen pauschalen Aufschlag von 20 % auf die tatsächlichen Fahrtkosten in Betracht.

GG Art. 12 Abs. 1; BRAO § 43 a Abs. 4; BetrVG §§ 40 Abs. 1 und Abs. 2, 103 Abs. 2; BRAGO § 26 Satz 2

Vertretung widerstreitender Interessen

BAG, B. v. 25.08.2004 – 7 ABR 60/03 (LAG Hamm – 10 TaBV 94/03; ArbG Dortmund – 6 BV 97/02) Fundstelle: NJW 2005, 921 f. 1. Ein Rechtsanwalt verstößt nicht gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43 a Abs. 4 BRAO und hat deshalb einen Vergütungsanspruch, wenn er in einem Beschlussverfahren nach § 103 Abs. 2 BetrVG gleichzeitig den Betriebsrat und das betroffene Betriebsratsmitglied vertritt. Denn Betriebsrat und Betriebsratsmitglied haben in diesem Verfahren in der Regel dasselbe Ziel, nämlich die Abwehr des Zustimmungsersetzungsantrags.

2. Gelangt der Betriebsrat allerdings zu der Auffassung, er wolle an der Zustimmungsverweigerung nicht mehr festhalten, können widerstreitende Interessen entstehen. Der Rechtsanwalt muss in diesem Fall beide Mandate niederlegen, um nicht gegen das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen nach § 43 a BRAO zu verstoßen.

3. Diese mögliche Interessenentwicklung rechtfertigt kein generelles Verbot der gleichzeitigen Vertretung von Betriebsrat und Betriebsratsmitglied. Dem steht das Grundrecht der freien Berufsausübung der Rechtsanwälte nach Art. 12 Abs. 1 GG entgegen. Die verfassungsrechtlich gebotene Verhältnismäßigkeit der Beschränkung ihres Rechts auf freie Berufsausübung rechtfertigt es nur, beim tatsächlichen Entstehen widerstreitender Interessen die Vertretung zu verbieten.

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