Zu der streitigen Frage, ob die allgemeinen Vorschriften der StPO auf das Verfahren nach § 74a BRAO sinngemäße Anwendung finden, hat das BVerfG angemerkt, dass mit Blick auf Art. 12 Abs. 1 GG zumindest erhebliche Bedenken hinsichtlich der Anwendbarkeit von § 146 StPO (Verbot der Mehrfachvertretung) bestehen.

In einem Verfahren auf anwaltsgerichtliche Entscheidung gem. § 74a BRAO war der beschwerdeführende Rechtsanwalt von fünf Kollegen einer Partnerschaftsgesellschaft als Verteidiger beauftragt worden, nachdem jeder der fünf Kollegen mit einem gesonderten, aber gleichlautenden Bescheid eine Rüge wegen Missachtung berufsrechtlicher Bestimmungen (§ 43b BRAO, § 6 BORA) erhalten hatte. Nach Zurückweisung der Rüge hatte der beschwerdeführende Rechtsanwalt als Verteidiger der fünf Kollegen die Entscheidung des Anwaltsgerichts beantragt. Das Anwaltsgericht hatte den Rechtsanwalt schließlich wegen des Verstoßes gegen das Verbot der Mehrfachvertretung (§146 Satz 1 StPO, § 74a Abs. 2 Satz 2 BRAO) als Verteidiger zurückgewiesen.

Das BVerfG hat nun ausgeführt, dass der mit dem Ausschluss als Verteidiger verbundene Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG unter Berücksichtigung des mit § 146 Satz 1 StPO verfolgten Gemeinwohlziels verfassungsrechtlich nur schwer zu rechtfertigen ist. Im vorliegenden Fall sei im Übrigen lediglich über die Berechtigung einer Rüge - eine aufsichtsrechtliche Maßnahme, deren Gehalt als Sanktion sich bereits in dem Ausdruck der Missbilligung erschöpft - zu entscheiden gewesen.

Da nach Ansicht des BVerfG das Erfordernis der Erschöpfung des Rechtswegs nicht genügend dargelegt wurde, ist die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts allerdings nicht zur Entscheidung angenommen worden.

BVerfG, Beschl. v. 25.02.2016 - I BvR 1042/15

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend weist darauf hin, dass Betroffene sexuellen Missbrauchs seit Mai 2013 einen Antrag auf ergänzende Hilfeleistungen bei der Geschäftsstelle Fonds sexueller Missbrauch stellen können. Menschen, die sexuellen Missbrauch im Familienbereich erlitten haben, können noch bis zum 30.04.2016 einen Antrag stellen. Für Menschen, die sexuellen Missbrauch im institutionellen Bereich erlitten haben, endet die Antragsfrist am 31.08.2016.

Das ergänzende Hilfesystem möchte Menschen helfen, die als Kinder und Jugendliche sexuellen Missbrauch erleben mussten und auch heute an den Folgebeeinträchtigungen leiden. Betroffene können konkrete Sachleistungen, die geeignet sind, die Missbrauchsfolgen zu mindern, im Wert von max. 10.000,-- € erhalten.

Umfassende Informationen zum ergänzenden Hilfesystem und das Antragsformular auf ergänzende Hilfeleistungen finden Sie auf der Webseite http://www.fonds-missbrauch.de/.

von Rechtsanwältin Peggy Fiebig LL.M., BRAK, Berlin

KammerReport Nr. 2/2016 vom 21.03.2016 Seite 8

„Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach ein“. So heißt es lapidar in Satz 1 des seit dem 01.01.2016 geltenden § 31a BRAO. Für die BRAK bedeutet dieser Satz einen personellen und technischen Kraftakt und für zahlreiche Kolleginnen und Kollegen Unsicherheit über die damit verbundenen Pflichten. Muss man das beA nutzen und wenn ja, ab wann?

Das Wort des Gesetzes

Für die BRAK war der Auftrag, der ihr im Herbst 2013 – damals noch mit einem etwas anderen Wortlaut – vom Bundestag erteilt wurde, klar: Jede Rechtsanwältin und jeder Rechtsanwalt erhält ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach, in das Nachrichten gesandt werden können.

Für einige Kolleginnen und Kollegen ist die Sache jedoch nicht so klar. Nicht jeder kann sich mit dem Gedanken anfreunden, ohne eigenes Zutun ein empfangsbereites elektronisches Postfach zu besitzen. Unabhängig auch davon, ob in der eigenen Kanzlei die technischen Voraussetzungen für einen Abruf der dort eingehenden Nachrichten vorhanden sind. In den vergangenen Monaten wurde so eine Diskussion darüber entfacht, ob es eine Nutzungspflicht für das beA gibt und wenn ja, ab wann diese gilt.

Nein. Aber….

von Rechtsanwältin Peggy Fiebig LL.M., BRAK, Berlin

KammerReport Nr. 2/2016 vom 21.03.2016 Seite 8

„Die Bundesrechtsanwaltskammer richtet für jedes im Gesamtverzeichnis eingetragene Mitglied einer Rechtsanwaltskammer ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach ein“. So heißt es lapidar in Satz 1 des seit dem 01.01.2016 geltenden § 31a BRAO. Für die BRAK bedeutet dieser Satz einen personellen und technischen Kraftakt und für zahlreiche Kolleginnen und Kollegen Unsicherheit über die damit verbundenen Pflichten. Muss man das beA nutzen und wenn ja, ab wann?

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von Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Krekeler, Dortmund

KammerReport Nr. 2/2016 vom 21.03.2016 Seite 4 f.

Einführung

Im Jahr 1950 erschien ein Buch im Springer-Verlag in Wien mit dem Titel „Psychologie im Strafverfahren“. Autor dieses Werkes war Roland Graßberger, seit 1948 ordentlicher Professor des Strafrechts, des Strafprozesses und der Kriminologie der Universität Wien. Roland Graßberger leitete dort das Institut für Kriminologie. Er war zudem Herausgeber der „Kriminologischen Abhandlungen“, Präsident der Gesellschaft für Strafrecht und Kriminologie und Ehrenmitglied der österreichischen Akademie der Wissenschaften.

Erklärtes Ziel des Autors war es, psychologische Bildung zu verbreiten und Hinweise für die Anwendung psychologischer Erfahrungssätze im Strafverfahren zu geben. Die Arbeit fand starke Beachtung in Österreich und auch in der Bundesrepublik Deutschland. So kam es im Jahr 1968 zu einer zweiten Auflage des Werkes. In ihr folgte der Autor einer Anregung in einer Besprechung der ersten Auflage, indem er bei Hinweisen auf die Vorschriften des Prozessrechts neben dem österreichischen Recht auch die Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland berücksichtigte.

Das Werk gliedert sich in drei Hauptabschnitte:

-    Die psychologischen Grundbegriffe.

-    Die Charakteristik der Beteiligten des Strafverfahrens und ihrer Tätigkeit.

-    Die Charakteristik der Stadien und Situationen des Verfahrens.

Da Graßberger im Rahmen seiner wissenschaftlichen Arbeit zu der Überzeugung gelangt war, dass der Ablauf psychologischer Prozesse bei den Personen, die an einem Strafverfahren beteiligt sind, weitgehend von der Stellung abhängig ist, die diese Personen im Verfahren einnehmen, befasste er sich in dem Abschnitt „Charakteristik der Beteiligten des Strafverfahrens und ihrer Tätigkeit“ auch mit der Verteidigung.

RVG §§ 14, 15, 15 a Abs. 2; RVG VV Vorbem. 2.3 Abs. 3, Abs.4

Keine Anrechnung der Geschäftsgebühr des Verwaltungsverfahrens in der Kostenfestsetzung

SG Dresden, Urteil vom 08.12.2015 - S 38 AS 6152/14

Fundstelle: AGS 2016, S. 35 ff.

Im Rahmen der Kostenerstattung für ein Widerspruchsverfahren darf die im Verwaltungsverfahren angefallene Geschäftsgebühr nicht angerechnet werden.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

Rechtsanwalt Benedikt Trockel, Ennigerloh

KammerReport 2/2016 vom 21.03.2016 S. 7

Gemäß § 15 Abs. 1 FAO muss sich, wer eine Fachanwaltsbezeichnung führt, kalenderjährlich auf diesem Gebiet fortbilden. Die Gesamtdauer der Fortbildung darf gemäß § 15 Abs. 3 FAO je Fachgebiet 15 Zeitstunden nicht unterschreiten.

Nach § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO kann die Erlaubnis zur Führung der Fachanwaltsbezeichnung widerrufen werden, wenn die Fortbildung unterlassen wird.

Der Vorstand der RAK Hamm hat in der Vergangenheit auf bis zum 31.12. eines jeden Kalenderjahres fehlende oder unvollständige Fortbildungsnachweise großzügig reagiert.

BGB § 249; RVG § 23; RVG VV Nr. 2300

Keine Restwertanrechnung beim Gegenstandswert

AG Norderstedt, Urteil vom 15.09.2015 - 47 C 118/15

Fundstelle: AGS 2015, S. 525 ff.

Der Gegenstandswert einer außergerichtlichen Schadensregulierung bemisst sich nach dem Wert der vollen Wiederbeschaffungskosten ohne Abzug eines Restwerts.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

RVG § 34 Abs. 1 Satz 2; BGB §§ 315, 316

Angemessene Gebühr für Beratung in einer Verkehrsunfallsache

AG Siegburg, Urteil vom 04.09.2015 - 105 C 34/15

Fundstelle: RVGreport 2016, S. 58 ff.

1.

Hat der Rechtsanwalt mit dem Mandanten für eine Beratung keine Vergütungsvereinbarung getroffen, bestimmt der Anwalt die angemessene Vergütung nach billigem Ermessen unter Beachtung der §§ 315, 316 BGB.

2.

Allein die Tatsache, dass der Rechtsanwalt die Höchstgebühr von 190 € bestimmt hat, lässt keinen Rückschluss zu, dass er sein Ermessen nicht ausgeübt habe.

3.

Die Beratung muss auch nicht zwingend günstiger sein als die Führung eines Geschäftes. Eine Regelung, wonach nur eine 0,65 Gebühr abgerechnet werden darf, ist nicht gegeben.

Leitsätze des Verfassers des RVGreports

RVG § 14

„Bedeutung der Angelegenheit" bei der Bemessung der Rahmengebühren

LG Essen, Beschluss vom 08.09.2015 - 57 Qs 111/15

Fundstelle: RVGreport 2015, S. 457 f.

Bei der "Bedeutung der Angelegenheit" i. S. d. § 14 Abs. 1 RVG geht es wesentlich um die Perspektive des Mandanten, nicht um die seines Rechtsanwaltes. Dabei kommt es sowohl auf eine tatsächliche, als auch auf eine ideelle, gesellschaftliche, wirtschaftliche oder eine rechtliche Bedeutung gerade für den Betroffenen an.

Leitsatz des Verfassers des RVGreports

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Liste § 135 Abs. I FamFG

Nach Landgerichtsbezirken geordnet pflegen wir für Sie eine Liste von Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälten, die sich bereit erklärt haben, ein kostenloses Informationsgespräch gemäß § 135 FamFG („Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit“) durchzuführen.

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Informationen zu beA-Störungen

Die Bundesrechtsanwaltskammer hält Informationen über Störungen des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs unter dem nachstehenden Button vor:

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