BRAO §§ 113, 116; StPO § 305 S. 1; BORA §§ 12 Abs. 1, 14 S. 1

Kanzleidurchsuchung im anwaltsgerichtlichen Verfahren

OLG Rostock, Beschl. v. 20.09.2012 – AGH 5/12 (I/3) Fundstelle: NJW 2013, S. 484 ff.

Die Anordnung der Durchsuchung von Kanzleiräumen ist unverhältnismäßig, sofern die mit der Durchsuchungsanordnung bezweckten Erkenntnisse auch ohne die Durchsuchung hätten erlangt werden können; dies gilt insbesondere, wenn zur Erhärtung des Verdachts, der angeschuldigte Rechtsanwalt habe gegen Berufspflichten verstoßen, Handakten vorgelegt und Mitarbeiter der Kanzlei oder gegnerische Anwälte hätten befragt werden können.

Leitsatz der Redaktion der NJW

VV RVG Nrn. 3100, 3101; ZPO § 91

Vorzeitige Erledigung im Beweisverfahren mit nachfolgendem Kostenantrag; keine Präklusion in Beschwerdeverfahren

OLG München, Beschl. v. 20.09.2012 – 11 W 1667/12 Fundstelle: AGS 2012, S. 558 ff.

  1. Auch im selbständigen Beweisverfahren ist grundsätzlich die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den Antragsgegner zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich, sodass dessen gesetzliche Gebühren und Auslagen bei Vorliegen einer entsprechenden Kostengrundentscheidung vom Antragsteller zu erstatten sind.
  2. Endet der Auftrag des für den Antragsgegner tätigen Rechtsanwalts, ohne dass dieser einen Schriftsatz eingereicht hat, der einen Gegenantrag oder Sachvortrag enthält, so entsteht für ihn, wenn er das Geschäft in irgendeiner Weise – etwa durch die Beschaffung von Informationen – bereits betrieben hat, nur eine reduzierte 0,8-Verfahrensgebühr nach der Nr. 3101 Nr. 1 VV.
  3. Zusätzlich fällt für den Rechtsanwalt des Antragsgegners eine 1,3-Verfahrensgebühr aus dem Kostenwert an, wenn er im Falle einer Rücknahme des Antrags auf Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens einen Kostenantrag gestellt hat.
  4. Im Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss kommt die Anwendung von Verspätungsrecht nicht in Betracht.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

VV RVG Anm. zu 3335

Gegenstandswert im Verfahrenskostenhilfeverfahren

BGH, Beschl. v. 12.09.2012 – XII ZB 658/11 Fundstelle: AGS 2013, S. 32 f.

  1. Im Verfahren auf Abänderung einer Ratenzahlung richtet sich der Gegenstandswert der Anwaltsgebühren gem. Anm. 3335 VV nach dem Interesse an der Abänderung.
  2. Maßgebend ist der Betrag der Abänderung für die Dauer der ab Antragstellung noch zu zahlenden Monatsraten.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

ZPO § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO

Anwaltswechsel bei Rückgabe der Zulassung

BGH, Beschl. v. 22.08.2012 – XII ZB 183/11 Fundstelle: RVGreport 2013, S. 26 f.

  1. Die Mehrkosten für einen zweiten Rechtsanwalt sind erstattungsfähig, wenn der erste Prozessbevollmächtigte seine Zulassung zur Anwaltschaft aus achtenswerten Gründen zurückgegeben hat.
  2. Ein solcher achtenswerter Grund liegt dann nicht vor, wenn der erste Rechtsanwalt seine Zulassung aufgrund finanzieller Schwierigkeiten zurückgeben musste.

Leitsatz des Verfassers des RVGreports

BGH, Urt. v. 14.08.2012 – WpSt (R) 1/12 (KG) Fundstelle: NJW 2012, S. 3251 ff.

Nichtzahlung von Kammerbeiträgen und Geldbußen als einheitlich zu bewertende Berufspflichtverletzung

WPO §§ 61 Abs. 1 Nr. 1, 67, 68 Abs. 1 Nr. 1; BRAO § 43; StBerG § 57; StPO § 264

1.    Die Nichtbezahlung einer wegen einer Berufspflichtverletzung verhängten Geldbuße begründet regelmäßig keine gesondert zu ahndende Berufspflichtverletzung.

2.    Der Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung im berufsgerichtlichen Verfahren gebietet die Einbeziehung erkennbar sachlich und zeitlich zusammenhängender Pflichtverletzungen in ein gerichtliches Verfahren. Nach berufsgerichtlicher Verurteilung hindert dies die spätere Ahndung so zusammenhängender Pflichtverletzungen in einem neuen Verfahren.

 

Leitsatz des Gerichts

RVG § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9

Verfahrensgebühr nach Rücknahme einer nicht begründeten Berufung

LAG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 13.08.2012 – 17 Ta (Kost) 6077/12 Fundstelle: AGS 2012, S. 517 f.

Es besteht keine Vermutung dafür, dass ein Prozessbevollmächtigter nach Eingang einer nicht begründeten Berufung in eine inhaltliche Prüfung der Angelegenheit eintritt. Die Entgegennahme der Berufung führt daher nicht ohne Weiteres zu einer Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 VV.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

BGB §§ 611, 612 Abs. 1, 675; RVG §§ 2 Abs. 2 S. 1, 14 Abs. 1

Anwaltliche Pflicht zum Hinweis auf Erstberatungsgebühr

AG Wiesbaden, Urt. v. 08.08.2012 – 91 C 582/12 (18) Fundstelle: AGS 2012, S. 453 f.

1.   Bei einem Vertrag über eine anwaltliche Erstberatung gilt nach § 612 Abs. 1 BGB eine Vergütung im Regelfall als stillschweigend vereinbart.

2.   Auf die Entgeltlichkeit der Erstberatung muss der Anwalt nur bei erkennbarer Fehlvorstellung oder wirtschaftlichen Problemen des Mandanten hinweisen.

Leitsatz der Schriftleitung AGS

RVG §§ 23 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 2, 28 Abs. 3 RVG

Gegenstandswert bei Streit über die Höhe der Insolvenzverwaltervergütung

BGH, Beschl. v. 30.07.2012 – IX ZB 165/10 Fundstelle: RVGreport 2013, S. 29

Bei einem Streit über die Höhe Insolvenzvergütung richtet sich der Gegenstandswert auch für die Gebühren der Verfahrensbevollmächtigten eines beteiligten Gläubigers nach der streitigen Vergütung und nicht nach der vom Gläubiger erstrebten Verbesserung seiner Befriedigung.

Leitsatz des Gerichts

VV RVG Nr. 3104

Besprechungsgebühr im Rahmen der Verkehrsunfallschadenregulierung

KG, Beschl. v. 16.07.2012 – 2 W 106/11 Fundstelle: AGS 2012 S. 456 f.

Führt der bereits mit der Einreichung der Klage beauftragte Anwalt noch ein Gespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter des Haftpflichtversicherers zur Vermeidung oder Erledigung des Klageverfahrens, entsteht hierfür eine 1,2-Terminsgebühr.

Leitsatz der Schriftleitung AGS

BRAO §§ 43, 43 b; BORA §§ 8, 9; BORA a. F. §§ 8, 9

Außengesellschaft einer doppelstöckigen Sozietät

BGH, Urt. v. 12.07.2012 – AnwZ (Brfg) 37/11 (AnwGH Nordrhein-Westfalen) Fundstelle: NJW 2012, S 3102 ff.

1.    Die Verwendung der Bezeichnung Sozietät durch einen Zusammenschluss von Rechtsanwälten, die keine Sozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden, ist keine unzulässige Irreführung der Rechtsuchenden i. S. des § 43 b BRAO, wenn die Beauftragung der zusammengeschlossenen Rechtsanwälte dem Rechtsverkehr im Wesentlichen die gleichen Vorteile bietet wie die Mandatierung einer Anwaltssozietät (Abkehr von Senat, BGHSt 37, 220 [223 ff.] = NJW 1991, 49).

 

2.    Die § 43 b BRAO konkretisierende Bestimmung des § 8 BORA a. F. erfasst als Zusammenarbeit „in sonstiger Weise“ nicht nur die im Klammerzusatz genannten klassischen Fallgestaltungen einer Außen- (=Schein-)Sozietät (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit), sondern auch solche Formen der Zusammenarbeit, in denen sich selbstständige Rechtsanwälte oder rechtsfähige Sozietäten als Mitglieder einer Außen- (=Schein-)Sozietät gerieren.

 

Leitsatz des Gerichts

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