Verlegt ein Rechtsanwalt seine Praxis an einen anderen Ort, so kann er vom Vermieter nicht verlangen, dass dieser nach Auszug des Anwalts aus den Praxisräumen einen Hinweis des ausgezogenen Anwalts auf seine neuen Praxisräume duldet ...

AG Essen, U. v. 28. November 2002 - 23 C 173/02

Verlegt ein Rechtsanwalt seine Praxis an einen anderen Ort, so kann er vom Vermieter nicht verlangen, dass dieser nach Auszug des Anwalts aus den Praxisräumen einen Hinweis des ausgezogenen Anwalts auf seine neuen Praxisräume duldet. Vielmehr ist es üblich und ausreichend, auf dem Kanzleibriefbogen die Verlegung der Kanzleiräume anzuzeigen. Nach Ablauf des Mietverhältnisses ist der Anwalt auf den Umzugshinweis nicht mehr angewiesen.

Anmerkung, mitgeteilt von RAuN Dr. Helmut Lampel, Essen:

Seit langem ist, weil selbstverständlich, üblich und anerkannt, dass zum Beispiel der Vermieter verpflichtet ist, (§ 242 BGB) nach Beendigung des Mietverhältnisses bei Gewerbetreibenden oder freien Berufen ein Hinweisschild auf die neuen Geschäfts- oder Praxisräume für angemessene Zeit zu dulden (u. a. RGZ 161, 338; Palandt-Putzo, BGB, § 556 Anm. 1 b; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.05.1988 - 16 U 56188). Ein Anbringungszeitraum von sechs Monaten gilt in diesem Zusammenhang als durchaus üblich und angemessen angesehen (OLG Düsseldorf, NJW 1988, S. 2545, Urteil vom 27.05.1988 - 16 U 56188). Begründet wird die Duldungspflicht hinsichtlich des Hinweisschildes u.a. damit, dass ggf. die Gefahr bestehe, dass potentielle Alt- und / oder Neukunden verloren gehen könnten. Zwar könne die Gefahr eines Mandanten- bzw. Umsatzverlustes durch anderweitige Vorsorgemaßnahmen (u.a. Schreiben an Altkunden, Zeitungsannoncen, Schild an der Neupraxis) gemindert, jedoch nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Annoncen in Tageszeitungen würden in der Regel nur bei entsprechendem Interesse gelesen. Es bestehe deshalb die ernsthafte Gefahr, dass insbesondere Neukunden, die die neue Anschrift des Anwalts nicht kennen würden, dem Anwalt verloren gingen.

Das OLG Düsseldorf hatte über die Frage zu entscheiden, ob nach Auflösung einer Anwaltspraxis der in den alten Praxisräumen verbleibende Anwalt und der Vermieter der Räume verpflichtet seien, auf angemessene Zeit ein Hinweisschild zu dulden, welches auf die neue Praxis der ausgeschiedenen Anwälte hinweist. Insofern unterscheidet sich der vom Amtsgericht Essen entschiedene Fall zwar von dem Fall, den das OLG Düsseldorf seinerzeit zu beurteilen hatte, jedoch sind die vorstehend geschilderten Grundsätze, die das OLG Düsseldorf bewogen haben, bzgl. des Hinweisschildes eine Duldungspflicht anzunehmen, ohne weiteres in Hinblick auf den Sinngehalt auf den von Seiten des Amtsgerichts Essen entschiedenen Fall übertragbar.

Der vorgenannten Entscheidung des Amtsgerichts Essen lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Kläger, ein Rechtsanwalt und Notar, nach Ablauf des Mietverhältnisses den bisherigen Vermieter über einen anderen Kollegen aufgefordert hatte, das nach Beendigung des Mietverhältnisses entfernte - mit dem Umzugshinweis versehene - Praxisschild wieder aufzustellen bzw. anzubringen und in diesem Zusammenhang den bisherigen Vermietern die aufgrund des Verfahrens entstandenen Anwaltskosten für die Inanspruchnahme des Kollegen in Rechnung gestellt hatte.

Die Vermieter waren nicht bereit, diese Kosten zu begleichen. Das Amtsgericht Essen hat im Rahmen des streitbefangenen Urteils entschieden, dass dem umgezogenen Anwaltsnotar gegen die Vermieter keinerlei Schadensersatzforderungen zustünden. Das Mietverhältnis sei unstreitig am 31.12.2001 abgelaufen. Eine feststehende Zeitdauer für die Duldungspflicht für das streitbefangene Geschäftsschild sei nicht vereinbart worden. Auch sei eine solche nicht allgemein normiert. Sie dauere höchsten so lange, wie das Interesse des Mieters andauere, potentielle Kunden über die Verlegung des Geschäftssitzes informieren zu müssen.

Außerdem sei vorliegend zu beachten, dass der Anwaltsnotar nicht allein - sondern nur untergeordnet - potentielle Mandantschaft über das Schild bei den bisherigen Räumen auf die Verlegung seines Geschäftssitzes und seiner Kanzlei hinweisen könne. Vielmehr sei es gerade im Bereich von Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern pp. üblich, bei Schreiben an die bisherigen Mandanten (Rundschreiben) Anzeigen in der Zeitung und telefonische Hinweise auf den Umzug hinzuweisen.

Unabhängig davon sei es üblich und ausreichend, auf dem Kanzleibriefbogen die Verlegung der Kanzleiräume anzuzeigen. Nach Ablauf des Mietverhältnisses sei der Anwaltsnotar auf das streitgegenständliche Schild nicht mehr angewiesen gewesen. Die Klage sei daher abzuweisen gewesen.

Diese Entscheidung muss Kritik hervorrufen.

Abgesehen davon, dass sich das Amtsgericht Essen selbst widerspricht, wenn es einerseits betont, die Duldungspflicht für ein Geschäftsschild dauere höchstens so lange an, wie das Interesse des Mieters andauere, potentielle Kunden über die Verlegung des Geschäftssitzes informieren zu müssen und andererseits ausführt, es sei üblich und ausreichend, auf dem Kanzleibriefbogen über die Verlegung der Kanzleiräume hinzuweisen, missachtet das hier in Rede stehende Urteil in eklatanter Weise die nachvertraglichen Pflichten eines Vermieters, dem umgezogenen Freiberufler oder Gewerbetreibenden einen Hinweis auf die neuen Geschäfts- bzw. Praxisräume zu ermöglichen. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass ein umgezogener Rechtsanwalt lediglich durch Hinweis auf dem Kanzleibriefbogen sowie Rundschreiben an die bisherige Mandantschaft das allgemeine Publikum in ausreichendem Maße erreicht. Insbesondere missachtet das hier in Rede stehende Urteil des Amtsgerichts Essen den Umstand, dass eine Vielzahl potentieller Mandanten, die noch nicht zum Kundenkreis des umgezogenen Rechtsanwalts gehören und daher auch nicht angeschrieben werden können, sich an das Praxisschild bzw. den bisherigen Aufenthalt des Rechtsanwalts gewöhnt haben und im Falle eines Praxisumzugs ohne Anbringung eines entsprechenden Hinweises auf dem Praxisschild nicht in der Lage sind, im Bedarfsfall den besagten Anwalt aufzusuchen. Durch einmalige Rundschreiben und auch durch eine kurze Zeitungsannonce wird ein Großteil des Publikums, welches die potentielle Mandantschaft des Rechtsanwalts bilden könnte, nicht erreicht. Der betroffene Anwaltsnotar hat die Erfahrung gemacht, dass selbst nach einem dreiviertel Jahr noch Mandanten bzw. neue Mandanten ihn unter seiner bisherigen Adresse aufsuchen wollten, durch den angebrachten Umzugshinweis auf seinem Praxisschild jedoch erst auf seine neue Adresse aufmerksam geworden sind.

Das streitbefangene Urteil des Amtsgerichts Essen stellt einen schweren Schlag gegen die berechtigten Interessen von Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern und sonstigen Freiberuflern, insbesondere Ärzten, dar, durch einen Praxisumzug bedingte erheblich erschwerte Kontaktaufnahmemöglichkeiten in angemessener Form zu lindern bzw. auszugleichen.

Die lapidare und durch nichts begründete Feststellung des Amtsgerichts Essen, der Anwaltsnotar sei nach Ablauf des Mietvertrages auf das streitgegenständliche Schild nicht mehr angewiesen gewesen, kann schwerwiegende wirtschaftliche bzw. existentielle Schäden zur Folge haben.

Es bleibt zu hoffen, dass dieses - nicht berufungsfähige - Urteil keine Schule macht und als einmaliger Ausrutscher in die Rechtsgeschichte eingeht, andernfalls dies bei dem vorgeschilderten Personenkreis zu Schäden führen könnte, deren Umfang nicht abzusehen wäre.

1. Die Bundesrechtsanwaltsordnung verleiht dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer nicht das Recht, festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen.
...

BGH, B. v. 25. November 2002, AnwZ (B) 8/02

1.
Die Bundesrechtsanwaltsordnung verleiht dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer nicht das Recht, festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen.

2.
Die Verwendung des Domainnamens „www.rechtsanwaelte-notar.de“ durch eine aus einem Rechtsanwalt und einem Anwaltsnotar bestehende Kanzlei verstößt nicht gegen § 43 b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA.

  Der Antragsteller betreibt zusammen mit einem anderen Rechtsanwalt eine Anwaltskanzlei und ist zugleich als Notar tätig. Im Internet unterhält er eine Homepage unter dem Domainnamen „www.rechtsanwaelte-notar.de“. Seitens der Antragsgegnerin wurde er aufgefordert, die Verwendung dieses Domainnamens „mit sofortiger Wirkung zu unterlassen“. Dem hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gab der zuständige AGH statt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin blieb ohne Erfolg.

Grundsätzlich, so der BGH, sei es nicht zu beanstanden, einen Rechtsanwalt auf die Rechtsauffassung der Kammer hinzuweisen und dies mit der Mitteilung zu verbinden, dass er das beanstandete Verhalten zu unterlassen habe, da anderenfalls mit der Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens zu rechnen sei. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer könne von einem kammerangehörigen Rechtsanwalt jedoch kraft Berufsrechts nicht die Vorname oder Unterlassung eine bestimmten Handlung verlangen. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliege es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Des Weiteren habe er nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Darüber hinaus sei in § 57 BRAO bestimmt, dass der Kammervorstand einen Rechtsanwalt zur Einhaltung der in § 56 Abs. 1 S. 1 BRAO genannten besonderen Pflichten, insbesondere Auskunftspflichten, durch Festsetzung der eines Zwangsgeldes anhalten kann. Diesem Normgefüge sei insgesamt zu entnehmen, dass die BRAO dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer keine Rechtsgrundlage dafür gibt, Pflichtverletzungen aller Art, die ein Rechtsanwalt gegenüber einem Mandanten oder dem sonstigen rechtssuchenden Publikum gegenüber begangen hat oder deren Begehung unmittelbar bevorsteht, durch den Erlass mit Verwaltungszwang durchsetzbarer Ge- und Verbote zu begegnen. Derart weitgehende, einschneidende Eingriffsmöglichkeiten würden der Stellung des Rechtsanwalts nicht gerecht. Dieser sei unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und stehe als solches nicht in einem allgemeinen Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis zum Kammervorstand.

Auch in der Sache selbst sei die in Form einer Untersagungsverfügung gekleidete Beanstandung der Antragsgängerin nicht gerechtfertigt. Die Verwendung des Domainnamens „www.rechtsanwaelte-notar.de“ durch eine aus einem Rechtsanwalt und einem Anwaltsnotar bestehende Kanzlei sei zulässig. Dass sich der Antragssteller durch die Auswahl des seine beruflichen Tätigkeiten kennzeichnenden Domainnamens gegenüber anderen Rechtsanwälten und Notaren insoweit einen Vorteil verschafft hat, dass diese daran gehindert sind, den selben Domainnamen zu verwenden, sei unbedenklich. Die mit einem Bindestrich versehene Kombination der Begriffe sei zudem durchaus ungewöhnlich, so dass die Gefahr einer Kanalisierung von Kundenströmen durch die Verwendung des beanstandeten Domainnamens bei Direkteingabe der Gattungsbegriffe sehr gering sei. Die Verwendung des Domainnamens sei auch nicht irreführend unter dem Aspekt einer unzutreffenden Alleinstellungsbehauptung. Der durchschnittlich informierte und verständige Internetnutzer wisse von vornherein, dass die unter Verwendung der Gattungsbegriffe gefundene Homepage eines Anbieters nicht das gesamte Angebot anwaltlicher und notarieller Dienstleistungen repräsentiert. Letztlich werde auch nicht über die tatsächliche Bedeutung und Größe der Kanzlei des Antragsstellers durch die Verwendung des Begriffs „Rechtsanwalt“ in der Mehrzahl irregeführt. Durch die Pluralform werde lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die unter diesem Begriff am Internet-Verkehr teilnehmende Kanzlei mindestens zwei Mitglieder hat, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind. Dies sei der Fall. Der Ansicht, dass selbst derjenige, der weiß, dass es in einigen Bundesländern Anwaltsnotare gibt, mit mindestens drei Sozietätsmitgliedern – zwei Rechtsanwälten und einem Notar – rechne, könne nicht gefolgt werden.

(Fundstelle: NJW 2003, 504)  

§ 17 a GVG ist im Normenkontrollverfahren und bei Verweisungen an ein Berufsgericht anwendbar. Das Mitglied einer Rechtsanwaltskammer kann die Feststellung der Nichtigkeit der Beitragsordnung in dem Verfahren des § 90 BRAO erreichen. Dieser spezielle Rechtsweg verdrängt das Normenkontrollverfahren nach § 47 VwGO.

OVG Weimer, B. v. 25. November 2002 – 2 N 359/02(Fundstelle: NJW 2003, 1339)

1. Ranglisten in Handbüchern, die auf Interviews beruhen, enthalten schwerpunktmäßig wertende Äußerungen, nicht jedoch Tatsachenbehauptungen.
2. ....>

BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), B. v. 7. November 2002 - 1 BvR 580/02

(Fundstelle: NJW 2003, 277 ff.) 1.
Ranglisten in Handbüchern, die auf Interviews beruhen, enthalten schwerpunktmäßig wertende Äußerungen, nicht jedoch Tatsachenbehauptungen.

2.
Eine auf § 1 UWG gestützte Einschränkung der Meinungsfreiheit durch Veröffentlichung entsprechender Ranglisten setzt im Einzelfall Feststellungen zur Gefährdung des Leistungswettbewerbs durch sittenwidriges Verhalten voraus.

BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), B. v. 7. November 2002 - 1 BvR 580/02

(Fundstelle: NJW 2003, 277 ff.)

Wirbt eine Sozietät in einer Zeitungsanzeige mit der Angabe eines Rechtsgebiets, ohne es als Tätigkeitsschwerpunkt oder Interessenschwerpunkt zu kennzeichnen und jeweils einem einzelnen der Sozien zuzuordnen, verstößt dies, sollten die Sozien tatsächlich unterschiedliche Interessenschwerpunkte haben, gegen die Bestimmungen der §§ 43 b BRAO, 7 Abs. 1 BORA, 3 UWG.>

AnwG Hamm, B. v. 6. November 2002 – AR 2/02

Die betroffenen Rechtsanwälte schalteten eine Zeitungsanzeige, die unter den in waagerechter Reihe genannten Namen der Sozien die Angabe „Baurecht“ enthielt. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen die auf Grund dieser Werbung erteilten Rüge der Rechtsanwaltskammer hat das Anwaltsgericht als unbegründet zurückgewiesen.

Zum einen hätten die Antragsteller, so das Gericht, die in § 7 BORA enthaltene Qualifikationsleiter „Interessenschwerpunkt / Tätigkeitsschwerpunkt / Fachanwalt“ unbeachtet gelassen, indem sie davon Abstand genommen haben, das beworbene Rechtsgebiet qualifikationsmäßig und persönlich zuzuordnen. Zum anderen würde bei einem neutralen Betrachter der Eindruck entstehen, die von den Antragstellern betriebene Kanzlei sei auf Baurecht spezialisiert, was nicht den Tatsachen entspricht. Alle drei Antragsteller hätten unstreitig unterschiedliche Interessenschwerpunkte.

Der Einwand, es liege eine kanzleibezogene Angabe vor, könne die Antragsteller nicht entlasten. § 7 Abs. 1 BORA kenne keine kanzleibezogenen Angaben. Darüber hinaus könne nur dann von einem kanzleibezogenen Schwerpunkt gesprochen werden, wenn sämtliche Sozietätsmitglieder denselben Interessenschwerpunkt hätten, was hier jedoch nicht der Fall sei. Demgemäß liege ein Fall irreführender Werbung vor. Derartige Werbung sei nicht nur unter berufsrechtlichen, sondern auch unter wettbewerbsrechtlichen Aspekten zu beanstanden.

UWG §§ 1, 3; BORA § 6 II; BRAO § 43 b

Irreführende Werbung in anwaltlichem Rundschreiben

OLG Braunschweig, U. v. 31. Oktober 2002 - 2 U 33/02 -

1.
Die Werbung eines Rechtsanwalts in einem Rundschreiben an verschiedene Autohäuser mit den Begriffen „Fachanwalt für Verkehrsrecht“ und „Spezialisierungslehrgang“ ist irreführend nach § 3 UWG. Genauso wie das eigenmächtige Führen einer Fachanwaltsbezeichnung als irreführende Werbung anzusehen ist, so täuscht auch derjenige über seine Qualifikation, der einen Qualifikationsgrad vorgibt, den er nicht hat.

2.
Es ist mit dem Sachlichkeitsgebot nicht vereinbar, wenn sich ein Rechtsanwalt in einem werbenden Rundschreiben nicht nur als Verkehrsanwalt oder verkehrsrechtlich spezialisierter Anwalt darstellt, sondern sich unmittelbar mit nicht spezialisierten Anwälten vergleicht und hierbei eine fast im­mer anzutreffende höhere Erfolgsquote für sich in Anspruch nimmt.

Der beklagte Rechtsanwalt, der der Arbeitsgemeinschaft „Verkehrsrecht im DAV“ angehört, versandte an verschiedene Autohäuser Rundschreiben folgenden Inhalts:

„Informationen über verkehrsrechtliche Spezialisierung. Sehr geehrte Damen und Herren, der Unterzeichner wendet sich heute an Sie in seiner Eigenschaft als Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht im Deutschen Anwaltsverein. ... In Erwartung der Einführung der Berufsbezeichnung „Fachanwalt für Verkehrsrecht“ hatte die Arbeitsgemeinschaft „Verkehrsrecht“ in Zusammenarbeit mit der Deutschen Anwalt Akademie einen Spezialisierungslehrgang durchgeführt, an dem ich erfolgreich teilgenommen habe. Sie wissen ja, wer sich durch einen Verkehrsanwalt vertreten lässt, erhält fast immer höhere Entschädigungszahlungen als Geschädigte ohne spezialisierten Rechtsbeistand. Seit mehr als 20 Jahren bin ich als Rechtsanwalt in besonderem Umfang auf dem Gebiet des Straßenverkehrsrechts tätig und würde mich freuen, wenn Sie Ihre Kunden darüber informieren könnten. Mit freundlichen Grüßen, Rechtsanwalt“.

Nach Ansicht des Gerichts ist die Darstellung des Beklagten über seine Qualifikation irreführend gem. § 3 UWG. Ein nicht unerheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs ziehe aus dem Inhalt des Rundschreibens den unzutreffenden Schluss, die Einführung der streitigen Berufsbezeichnung „Fachanwalt für Verkehrsrecht“ stehe unmittelbar bevor. Wenn in diesem Zusammenhang ausgeführt werde, man habe bereits einen Spezialisierungslehrgang erfolgreich absolviert, sei dies so zu verstehen, dass es sich hierbei um die zur Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung erforderlichen Fortbildung, also den Fachanwaltslehrgang, gehandelt habe. Hieran knüpfe der Verkehr die weitere Überlegung, der Beklagte habe den für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung notwendigen Qualifikationsstand erreicht habe, sei mithin „Quasi – Fachanwalt“, für den die Verleihung dieser Bezeichnung nur noch Formsache sei, nämlich von der in Kürze bevorstehenden Einführung der Fachanwaltsbezeichnung abhänge. Genauso wie aber das eigenmächtige Führen einer Fachanwaltsbezeichnung als irreführende Werbung anzusehen sei, täusche auch derjenige über seine Qualifikation, der einen Qualifikationsgrad vorgibt, den er nicht hat.

Des Weiteren sei es mit dem Sachlichkeitsgebot gem. §§ 43 b BRAO, 6 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 BORA nicht zu vereinbaren, sich unmittelbar mit nichtspezialisierten Anwälten zu vergleichen und hierbei eine fast immer anzutreffende höhere Erfolgsquote für sich in Anspruch zu nehmen. Dies sei eine unzulässige pauschale Herabsetzung der nicht auf Verkehrsrecht spezialisierte Rechtsanwälte. Das Sachlichkeitsgebot verlange, dass der Werbende dem unkundigen Publikum die wesentlichen, dem Vergleich zu Grunde liegenden tatsächlichen Umstände mitteilen müsse. Er dürfe nicht hiervon absehen und stattdessen eine Gesamtabwertung vornehmen, die der Verkehr nicht nachprüfen könne. Das Publikum dürfe auch nicht – wie vorliegend geschehen – mit einprägsamen Schlagworten verleitet werden, sich von einer als unterlegen dargestellten Art der Leistungserbringung abzuwenden. Der Beklagte könne für die von ihm beanspruchte Überlegenheit nicht allein auf die von ihm hervorgehobene Spezialisierung abstellen, da es jedenfalls in Fachkreisen allgemein bekannt sei, dass Spezialisierung allenfalls ein Baustein für anwaltlichen Erfolg sei. Dem angesprochenen Verkehr werde das unzutreffende Verständnis nahegelegt, nur der vom Beklagten herausgestellte Verkehrsanwalt verfüge über das notwendige Handwerkszeug zur optimalen Erledigung von Verkehrsunfallprozessen, während ein nicht spezialisierter Rechtsanwalts allenfalls eingeschränkt zur Interessenvertretung in der Lage sei.

Zugleich sie die Werbeaussage auch deshalb nach § 3 UWG zu beanstanden, weil sie eine irreführende Erfolgsaussage treffe. „Fast immer“ suggeriere dem angesprochenen Verkehr nämlich, Verkehrsanwälte würden mit einem Prozentsatz von nahe an 100 für ihre Mandanten mehr an Entschädigungszahlungen aus vergleichbaren Fallgestaltungen herausholen als nicht entsprechend spezialisierte Rechtsanwälte.

Der letzte Absatz des Werbeschreibens („ ... würde mich freuen, wenn Sie Ihre Kunden darüber informieren könnten“) verstoße auch gegen § 6 Abs. 5 BORA, wonach der Rechtsanwalt nicht daran mitwirken darf, dass Dritte für ihn Werbung betreiben, die ihm selbst verboten ist. Die Werbeaussage ziele ersichtlich auf eine dem Anwalt sonst nicht ohne Weiteres zugängliche Präsenz in einer Situation ab, die typischerweise durch das unabweisbare Bedürfnis nach einer Mandatserteilung im Einzelfall geprägt sei, nämlich dadurch, dass der Umworbene als Unfallgeschädigter einen konkreten Beratungs- und / oder Vertretungsbedarf hat und der Werber sich eines Autohauses als Mittler bedient, um den Umworbenen in dieser Situation seine Tätigkeit konkret anzubieten.

(Fundstelle: NJW-RR 2003, 686 ff.)

1. § 229 BRAO verweist ohne Einschränkung auf die ZPO, so dass auch die Zustellung der Widerrufsverfügung davon erfasst wird.

....

Niedersächsischer AGH, B. v. 21. Oktober 2002 -AGH 22/02
1.
§ 229 BRAO verweist ohne Einschränkung auf die ZPO, so dass auch die Zustellung der Widerrufsverfügung davon erfasst wird.

2.
Die Spezialnorm des § 229 BRAO verdrängt die allgemeinen Vorschriften der Verwaltungszustellungsgesetze der Länder, so dass eine RAK die öffentliche Zustellung nicht selbst bewirken kann.

3.
Ist der Aufenthaltsort eines RA unbekannt und eine Zustellung an einen Vertreter oder Zustellungsbevollmächtigten nicht möglich, kann die Zustellung i. S. d. § 185 Nr. 1 ZPO durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen.

(Fundstelle: BRAK-Mitt. 6/2002, 281 f.)

Zur Erstattung von Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, der sich in einem berufsrechtlichen Verfahren selbst vertritt.

BGH, B. v. 17. Oktober 2002 – AnwZ (B) 37/00

Der Antragsteller obsiegte in einem Verfahren wegen Widerrufs der Erlaubnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung. Die Kosten des Verfahrens und die dem Antragssteller, der sich selbst vertreten hatte, entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen wurden der Antragsgegnerin auferlegt. Der Antragsteller beantragte darauf hin – entsprechend § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO – auch die Erstattung von Gebühren und Auslagen für die Vertretung in eigener Sache. Nachdem dieser Antrag vom AGH zurückgewiesen worden war, hat der BGH auch die Gegenvorstellung des Antragsstellers zurückgewiesen, da die zu Grunde liegende Kostenentscheidung zwischenzeitlich in formeller und materieller Rechtskraft erwachsen war. Sie könne daher auch nicht auf Gegenvorstellung hin abgeändert werden. Auf eine Abänderung liefe es jedoch hinaus, wenn dem Antragssteller nicht nur die Erstattungen der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen, sondern auch der gesetzlichen Gebühren eines RA zugebilligt würde. Da sich der Antragsteller vor dem AGH und dem BGH selbst vertreten hat, seien ihm entsprechende Auslagen nicht entstanden.

Im Übrigen habe ein Rechtsanwalt, der sich in einem berufsrechtlichen selbst vertritt und obsiegt, keinen Anspruch auf Erstattung von Gebühren und Auslagen nach der BRAO. Es bestehe kein zureichender Grund, die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO in den sogenannten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit analog anzuwenden. In diesem Bereich knüpfe die Kostenerstattungspflicht nicht ohne Weiteres an das Obsiegen und Unterliegen eines Beteiligten an; sie hänge vielmehr davon ab, ob die Anordnung der Kostenerstattung der Billigkeit entspricht.


* Anm.: Die entschiedene Frage ist streitig.

- Für „dieselbe Angelegenheit“ i. S. d. § 13 Abs. 1 BRAGO: LG Kempten, JurBüro1991, 68; AG St. Ingbert MDR 98, 373; AG Saarbrücken, RuS 93, 264; LG Aachen, JurBüro 92, 28; LG St. Ingbert, JurBüro 2002, 471

- Für mehrere Angelegenheiten: AG Hildesheim, AGS 1996, 140; LG Lörrach, AGS 1999, 70; AG Iserlohn, JurBüro 1999, 413

Der Antragsteller obsiegte in einem Verfahren wegen Widerrufs der Erlaubnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung. Die Kosten des Verfahrens und die dem Antragssteller, der sich selbst vertreten hatte, entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen wurden der Antragsgegnerin auferlegt. Der Antragsteller beantragte darauf hin – entsprechend § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO – auch die Erstattung von Gebühren und Auslagen für die Vertretung in eigener Sache. Nachdem dieser Antrag vom AGH zurückgewiesen worden war, hat der BGH auch die Gegenvorstellung des Antragsstellers zurückgewiesen, da die zu Grunde liegende Kostenentscheidung zwischenzeitlich in formeller und materieller Rechtskraft erwachsen war. Sie könne daher auch nicht auf Gegenvorstellung hin abgeändert werden. Auf eine Abänderung liefe es jedoch hinaus, wenn dem Antragssteller nicht nur die Erstattungen der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen, sondern auch der gesetzlichen Gebühren eines RA zugebilligt würde. Da sich der Antragsteller vor dem AGH und dem BGH selbst vertreten hat, seien ihm entsprechende Auslagen nicht entstanden.Im Übrigen habe ein Rechtsanwalt, der sich in einem berufsrechtlichen selbst vertritt und obsiegt, keinen Anspruch auf Erstattung von Gebühren und Auslagen nach der BRAO. Es bestehe kein zureichender Grund, die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO in den sogenannten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit analog anzuwenden. In diesem Bereich knüpfe die Kostenerstattungspflicht nicht ohne Weiteres an das Obsiegen und Unterliegen eines Beteiligten an; sie hänge vielmehr davon ab, ob die Anordnung der Kostenerstattung der Billigkeit entspricht. * Anm.: Die entschiedene Frage ist streitig. - Für „dieselbe Angelegenheit“ i. S. d. § 13 Abs. 1 BRAGO: LG Kempten, JurBüro1991, 68; AG St. Ingbert MDR 98, 373; AG Saarbrücken, RuS 93, 264; LG Aachen, JurBüro 92, 28; LG St. Ingbert, JurBüro 2002, 471 - Für mehrere Angelegenheiten: AG Hildesheim, AGS 1996, 140; LG Lörrach, AGS 1999, 70; AG Iserlohn, JurBüro 1999, 413

Zur Erstattung von Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, der sich in einem berufsrechtlichen Verfahren selbst vertritt.

BGH, B. v. 17. Oktober 2002 – AnwZ (B) 37/00

Der Antragsteller obsiegte in einem Verfahren wegen Widerrufs der Erlaubnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung. Die Kosten des Verfahrens und die dem Antragssteller, der sich selbst vertreten hatte, entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen wurden der Antragsgegnerin auferlegt. Der Antragsteller beantragte darauf hin – entsprechend § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO – auch die Erstattung von Gebühren und Auslagen für die Vertretung in eigener Sache. Nachdem dieser Antrag vom AGH zurückgewiesen worden war, hat der BGH auch die Gegenvorstellung des Antragsstellers zurückgewiesen, da die zu Grunde liegende Kostenentscheidung zwischenzeitlich in formeller und materieller Rechtskraft erwachsen war. Sie könne daher auch nicht auf Gegenvorstellung hin abgeändert werden. Auf eine Abänderung liefe es jedoch hinaus, wenn dem Antragssteller nicht nur die Erstattungen der ihm entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen, sondern auch der gesetzlichen Gebühren eines RA zugebilligt würde. Da sich der Antragsteller vor dem AGH und dem BGH selbst vertreten hat, seien ihm entsprechende Auslagen nicht entstanden.

Im Übrigen habe ein Rechtsanwalt, der sich in einem berufsrechtlichen selbst vertritt und obsiegt, keinen Anspruch auf Erstattung von Gebühren und Auslagen nach der BRAO. Es bestehe kein zureichender Grund, die Vorschrift des § 91 Abs. 2 Satz 4 ZPO in den sogenannten Streitsachen der freiwilligen Gerichtsbarkeit analog anzuwenden. In diesem Bereich knüpfe die Kostenerstattungspflicht nicht ohne Weiteres an das Obsiegen und Unterliegen eines Beteiligten an; sie hänge vielmehr davon ab, ob die Anordnung der Kostenerstattung der Billigkeit entspricht.


* Anm.: Die entschiedene Frage ist streitig.

- Für „dieselbe Angelegenheit“ i. S. d. § 13 Abs. 1 BRAGO: LG Kempten, JurBüro1991, 68; AG St. Ingbert MDR 98, 373; AG Saarbrücken, RuS 93, 264; LG Aachen, JurBüro 92, 28; LG St. Ingbert, JurBüro 2002, 471

- Für mehrere Angelegenheiten: AG Hildesheim, AGS 1996, 140; LG Lörrach, AGS 1999, 70; AG Iserlohn, JurBüro 1999, 413

Leitet ein Rechtsanwalt, dem nach Abschluss der ersten Instanz der ausgeurteilte Betrag von der unterlegenen Partei auf sein Geschäftskonto zur Verfügung gestellt wurde, das Fremdgeld erst nach Abschluss der zweiten Instanz an die von ihm vertretene Partei weiter, haftet er ihr gegenüber auf den Ersatz des Zinsschadens aus positiver Vertragsverletzung. Dies gilt auch dann, wenn dem Rechtsanwalt der Betrag von der unterlegenen Partei nur „zur Vermeidung einer Zwangsvollstreckung“ zur Verfügung gestellt wurde.

AG Arnsberg, U. v. 16. Oktober 2002 – 12 C 124/02

Anmerkung, mitgeteilt von Rechtsanwalt Christoph Krekeler, Dortmund:

Der Entscheidung lag verkürzt folgender Sachverhalt zu Grunde:

Die Parteien stritten über die Erstattung eines Zinsschadens. Der Beklagte ist Rechtsanwalt. Die Klägerin hatte den Beklagten zuvor mit der Wahrnehmung ihrer Interessen aus einem Verkehrsunfall beauftragt. In der ersten Instanz wurden der Unfallverursacher und dessen Haftpflichtversicherung durch das Landgericht Bielefeld als Gesamtschuldner zur Zahlung von 17.700,00 DM an die Klägerin verurteilt. Das Urteil war für beide Parteien gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin legte gegen dieses Urteil Berufung ein. Mit Schreiben an den Beklagten vom 22. Februar 1999 stellte die Haftpflichtversicherung den ausgeurteilten Betrag per Verrechnungsscheck mit dem Hinweis zur Verfügung, dass die Zahlung nur der „Vermeidung einer Zwangsvollstreckung“ diene. Am 25. Februar 1999 wurde der Betrag auf dem Geschäftskonto des Beklagten gutgeschrieben.

Nach Abschluss des Berufungsverfahrens bat der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 15. Oktober 2001 um Mitteilung ihrer Bankverbindung. Am 23. Oktober 2001 erfolgte die Auskehrung des Betrages in Höhe von genau 17.700,00 DM auf das Konto der Klägerin. Mit Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 07. Dezember 2001 wurde der Beklagte zur Erstattung der der Klägerin entgangenen Zinsen in Höhe von 960,45 € (1.878,49 DM) unter Zugrundelegung eines gesetzlichen Zinssatzes von 4 % und einer banküblichen Berechnung für den Zeitraum vom 03. März 1999 bis zum 26. Oktober 2001 aufgefordert. Der Beklagte zahlte nicht, weshalb die Klägerin die Erstattung ihres Zinsschadens gerichtlich durchsetzte.

Zu Recht wurde der Beklagte zur Erstattung u.a. des Zinsschadens in Höhe von 960,45 € (1.878,49 DM) verurteilt. Der Beklagte verletzte nämlich seine berufsrechtlichen Pflichten als Rechtsanwalt aus § 43a Abs. 5 Satz 2 BRAO i.V.m. § 4 Abs. 2 BerufsO i.V.m. § 667 BGB.

§ 43a Abs. 5 Satz 1 BRAO formuliert den Grundsatz, dass der Anwalt bei der Behandlung der ihm anvertrauten Vermögenswerte zu der erforderlichen Sorgfalt verpflichtet sei. Dieser allgemeinen Regel stellt der Satz 2 das Gebot zur Seite, fremde Gelder unverzüglich an den Empfangsberechtigten weiterzuleiten oder auf ein Anderkonto einzuzahlen. Nach dem Normzweck begründet sich die Sorgfaltspflicht des Anwalts aus dem vertraglichen Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten und dessen Erwartung in die uneingeschränkte Integrität des Rechtsanwalts in seiner Stellung als Organ der Rechtspflege (Eylmann, in: Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43a Rz. 154; Feuerich/Braun, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43a Rz. 84; Jessnitzer/Blumberg, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43a Rz. 5.)

Im Wege der Konkretisierung des § 43a Abs. 5 BRAO beschreibt insbesondere § 4 Abs. 2 BerufsO die von einem Rechtsanwalt zu beachtende Pflicht zur unverzüglichen Weiterleitung von Fremdgeld an den Berechtigten.

Behält der Rechtsanwalt Fremdgelder längere Zeit auf seinem Kanzleikonto, handelt er pflichtwidrig, und zwar vorsätzlich, wenn er damit einen Liquiditätsengpass überbrücken wollte, oder fahrlässig, wenn Nachlässigkeit oder Vergesslichkeit die Ursache war (Feuerich/Braun, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43a Rz. 90; Eylmann, in: Henssler/Prütting, Bundesrechtsanwaltsordnung, § 43a Rz. 161; Nerlich, in: Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, § 4 Rz. 46.). Für die Unverzüglichkeit hat die Rechtsprechung unter Berücksichtigung der jeweiligen Organisationsstruktur der Kanzlei einen Zeitraum bei Einzelanwälten von zwei Tagen bis zu drei Wochen bei Großkanzleien ausreichen lassen. Wenn eine unverzügliche Weiterleitung fremden Geldes an den Empfangsberechtigten nicht möglich ist, etwa wenn Streit über die Empfangsberechtigung herrscht oder längere Abwesenheit des Empfangsberechtigten entgegenseht, hat der Rechtsanwalt die Pflicht, das anvertraute Geld auf ein Anderkonto einzuzahlen. Andere Handlungsmöglichkeiten sieht das Gesetz grundsätzlich nicht vor. § 4 Abs. 2 Satz 2 BerufsO stellt klar, dass die Weiterleitungspflicht Vorrang vor der Einzahlungspflicht auf ein Anderkonto hat (Nerlich, in: Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, § 4 Rz. 22.).

Indem der Beklagte den am 25. Februar 1999 auf seinem Geschäftskonto gutgeschriebene Betrag am 23. Oktober 2001, also über zwei Jahre später, an die Klägerin überwies, handelte er seiner berufsrechtlichen Pflicht zuwider.

An der Empfangsberechtigung der Klägerin ändern auch die Umstände nichts, dass das Urteil des Landgerichts Bielefeld nur gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar war und die Klägerin eine solche Sicherheitsleistung nicht erbracht hatte. Denn die Zahlung der Haftpflichtversicherung diente ausdrücklich „zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung“, so dass es auf das Vorliegen der Vollstreckungsvoraussetzungen gerade nicht ankam.

Nur ausnahmsweise kommt eine Suspendierung des Anwalts von seiner Weiterleitungspflicht für die Fälle in Betracht, in denen er mit seinem Mandanten etwas anderes vereinbart hat, § 4 Abs. 2 Satz 3 BerufsO. Wegen des objektivierten Vertrauens der rechtssuchenden Bevölkerung in die Integrität des Rechtsanwalts als Organ der Rechtspflege sind an eine derart abweichende Vereinbarung mit dem Empfangsberechtigten hohe Anforderungen zu stellen. Nur eine individual vertragliche Abrede kann einer Ausnahme von den gesetzlichen Pflichten eines Rechtsanwalts rechtfertigen (Nerlich, in: Hartung/Holl, Anwaltliche Berufsordnung, § 4 Rz. 24, 39.)

Für die Abänderung einer Pflicht des Rechtsanwalts aus dem Mandatsvertrag bedarf es zweier übereinstimmender Willenserklärungen. Bloßes Schweigen einer Vertragspartei, etwa der Klägerin auf ein Aufforderungsschreiben des Beklagten über die Mitteilung der Bankverbindung und auf ein Erinnerungsschreiben, genügt nicht. Nach den Vorschriften über das Zustandekommen von Verträgen gem. §§ 145 ff. BGB ist bloßes Schweigen nicht als Willensäußerung zu bewerten.

Als Folge der schuldhaften Pflichtverletzung hat der Beklagte der Klägerin den durch die verzögerte Weiterleitung entstandenen Zinsschaden zu ersetzen. Die grundsätzliche Pflicht des Rechtsanwalts zur zinsgünstigen Anlage des ihm anvertrauten Geldes dürfte sich aus § 43a Abs. 5 Satz 1 BRAO herleiten, wonach die Vermögenswerte mit der erforderlichen Sorgfalt zu behandeln sind. Hinsichtlich der Art und Weise der zinsgünstigen Geldanlage kommt es auf die tatsächlichen Umstände bei dem Geschädigten an. Nach § 252 Satz 2 BGB gilt der Gewinn als entgangen, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Die Klägerin machte geltend, den 1999 von der Haftpflichtversicherung gezahlten Betrag in Höhe von 17.700,00 DM zu einem Zinssatz von 4 % anlegen zu können. Nachdem der Beklagte dies nicht bestritt, ließ auch das Gericht den Zinssatz von 4 % unbeanstandet.

BGH lässt Anwaltshotline zu

BGH, U. v. 26. September 2002 – I ZR 44/00 und I ZR 102/00 Der u. a. für das Wettbewerbsrecht zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass weder das Rechtsberatungsgesetz noch das anwaltliche Berufs- und Gebührenrecht einer telefonischen Rechtsauskunft durch Anwälte über eine 0190er-Nummer entgegenstehen.

Der Bundesgerichtshof hatte in zwei Verfahren zu entscheiden, in denen die Betreiberin einer Anwalts-Hotline einmal von einer Rechtsanwaltskammer und einmal von einer Münchener Anwaltssozietät auf Unterlassung in Anspruch genommen worden war. Die Beklagte ist eine GmbH, die für einen telefonischen Rechtsberatungsdienst auch am Wochenende und außerhalb üblicher Geschäftszeiten wirbt. Rechtsfragen - so die Werbung - müssten nicht unbedingt in einer Kanzlei besprochen werden; häufig reiche schon ein kurzes Telefongespräch mit einem Rechtsanwalt. In einem der beiden Fälle hatte die Beklagte mit zehn 0190er-Nummern für verschiedene Rechtsgebiete geworben. Wählte man eine dieser Nummern, antwortete ein Rechtsanwalt, der in dem betreffenden Gebiet einen Interessenschwerpunkt hatte. Im anderen Fall gab es nur eine Nummer für alle Rechtsgebiete. In der Werbung war ferner darauf hingewiesen worden, dass der Anruf 3,60 DM pro Minute koste. Diese Gebühren werden über die Deutsche Telekom eingezogen, die einen Anteil von 2,48 DM (zzgl. MwSt.) an die Beklagte ausbezahlt. Die Beklagte leitet diese Gesprächsgebühren an den jeweiligen Rechtsanwalt als Vergütung für seine anwaltliche Leistung weiter. Die Beklagte erhält von den beteiligten Rechtsanwälten eine monatliche Pauschale sowie einen bestimmten Betrag für jede Zeiteinheit von dreieinhalb oder vier Stunden. Hat ein Anwalt einen solchen Zeitblock bei der Beklagten gebucht, werden alle in dieser Zeit über die fragliche 0190er-Nummer eingehenden Gespräche unmittelbar an ihn weitergeleitet.

In beiden Fällen hatten die Oberlandesgerichte - das Kammergericht in Berlin und das OLG München - ein Verbot ausgesprochen, allerdings mit unterschiedlichen Begründungen: Das Kammergericht sah in dem Angebot der Beklagten einen Verstoß gegen das Rechtsberatungsgesetz. Durch den Anruf komme ein Vertrag zwischen dem Anrufer und der Beklagten zustande. Die Beklagte verspreche eine Rechtsberatung, die nur Rechtsanwälte erbringen dürften; ihr Verhalten verstoße daher gegen das Rechtsberatungsgesetz. Das OLG München hatte das Angebot verboten, weil die Vereinbarung der Zeitvergütung gegen geltendes Gebührenrecht verstoße.

Der Bundesgerichtshof hat beide Einwände nicht gelten lassen und hat die Klage in beiden Fällen abgewiesen. Richtig sei, dass eine Beratung durch die beklagte GmbH gegen das Rechtsberatungsgesetz verstoße. Mit dieser komme aber kein Beratungsvertrag zustande. Der Anrufer schließe mit dem Rechtsanwalt als seinem Gesprächspartner und Ratgeber den Vertrag. Die Anrufer seien an einem Kontakt zu einem Rechtsanwalt interessiert. Daher spreche alles dafür, dass das in der Herstellung der Gesprächsverbindung liegende Angebot zum Abschluss eines Vertrages an den Rechtsanwalt gerichtet sei, der das Gespräch entgegennehme. Auch die gebührenrechtlichen Bedenken des OLG München hat der Bundesgerichtshof nicht geteilt. Zwar sehe die Gebührenordnung für den Regelfall eine streitwertabhängige Vergütung vor. In außergerichtlichen Angelegenheiten sei aber auch die Vereinbarung von Zeitvergütungen zulässig. In den meisten Fällen liege eine Gebührenunterschreitung vor, die berufsrechtlich nicht zu beanstanden sei. Die Gebührenüberschreitung, zu der es bei niedrigen Gegenstandswerten ab einer Gesprächsdauer von zehn Minuten kommen könne, sei berufsrechtlich unbedenklich, wenn der Mandant darüber informiert sei, dass die vereinbarte Zeitvergütung zu einer höheren als der gesetzlich vorgesehenen Vergütung führe. Es könne nicht angenommen werden, dass die Rechtsbeartung über die 0190er-Nummern zu einer systematischen Missachtung der Gebührenordnung führe oder darauf angelegt sei, dass der beratende Rechtsanwalt seine beruflichen Pflichten verletze.

Das in Rede stehende System berge Risiken hinsichtlich der Qualität der anwaltlichen Beratungsleistung. Es bestehe die Gefahr, dass dem Anwalt bei der gebührenpflichtigen telefonischen Beratung nicht immer alle Umstände des Sachverhalts mitgeteilt werden und ohne das häufig notwendige gründliche Studium des Gesetzestexts oder eines Kommentars zu kurz kommen. Diese Gefahr könne jedoch ein generelles Verbot nicht rechtfertigen. Bei der Gesamtwürdigung hat sich der Bundesgerichtshof auch veranlasst gesehen, darauf hinzuweisen, dass ein Bedarf der Bevölkerung an spontaner telefonischer Beratung über Rechtsfragen des Alltags nicht zu verkennen sei.

(Fundstelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 96/2002)

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