VwGO §§ 162 Abs. 1 und 2; RVG VV Nr. 3104

Keine Notwendigkeit der durch Besprechungen ausgelösten Terminsgebühr

OVG NRW, Beschl. v. 25.02.2013 – 12 E 28/13 Fundstelle: RVGreport 2013, S. 278 f.

  1. Hat die verklagte Behörde den Auftraggeber durch Aufhebung des mit der Klage angefochtenen Bescheids bereits klaglos gestellt und ist dieser Umstand dem Prozessbevollmächtigten auch bekannt, so ist eine nach diesem Zeitpunkt von dem Prozessbevollmächtigten mit dem Mitarbeiter der Behörde geführte Besprechung nicht notwendig.

  2. Die hierdurch angefallene Terminsgebühr ist deshalb nicht erstattungsfähig.

Leitsatz des Verfassers des RVGReports

RVG VV Nrn. 2300, 2302

Erstattung vorgerichtlicher Geschäftsgebühr

BGH, Urt. v. 26.02.2013 – XI ZR 345/10 Fundstelle: AGS 2013, S. 252 f.

Die Erstattung einer vorgerichtlichen Geschäftsgebühr kommt nur dann in Betracht, wenn eine vorgerichtliche Tätigkeit des Anwalts auch notwendig war. Daran kann es fehlen, wenn bereits feststeht, dass der Schuldner freiwillig nicht erfüllen wird. Ob lediglich eine Geschäftsgebühr für ein einfaches Schreiben angefallen ist, richtet sich nicht nach dem Erscheinungsbild des Aufforderungsschreibens, sondern nach dem erteilten Auftrag.

Leitsatz der Schriftleitung AGS

GewO §§ 6, 14; BGB §§ 1896 ff.

Gewerbliche Tätigkeit des Rechtsanwalts als Berufsbetreuer

BVerwG, Urt. v. 27.02.2013 – 8 C 7.12 Fundstelle: NJW 2013, 2214 ff.

Ein Berufsbetreuer übt keinen freien Beruf, sondern ein Gewerbe aus. Das gilt auch für einen Rechtsanwalt, soweit er zugleich als Berufsbetreuer tätig ist.

Leitsatz des Gerichts

Anmerkung:

Der Entscheidung des BVerwG voraus ging ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. Juni 2010 (VII R 10/09), nach der ein Berufsbetreuer keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern solche aus sonstiger selbständiger Arbeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG erzielt. Die Einkünfte des Berufsbetreuers unterliegen damit nicht der Gewerbesteuer.

In seiner Entscheidung vom 27. Februar 2013 sieht das BVerwG keinen Gegensatz zu der Rechtsprechung des BFH, da die Qualifizierung im Einkommenssteuerrecht für die gewerberechtliche Bewertung einer Tätigkeit als freiberuflich oder gewerblich wegen der fehlenden Übertragbarkeit der steuerrechtlichen Regelung auf die Gewerbeordnung keine Bindungswirkung entfalte. Die Terminologie des Steuerrechts sei aufgrund der unterschiedlichen Regelungszwecke mit derjenigen des Gewerberechts nicht identisch. Die Gewerbeordnung sei vielmehr zur Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Wirtschaftsleben bestimmt, während Gegenstand des Steuerrechts fiskalische Ziele seien.

Der BFH hat nachfolgend mit Urteil vom 25. April 2013 (V R 7/11) ergänzend festgestellt, dass Leistungen gerichtlich bestellter Berufsbetreuer zudem auch nicht der Umsatzsteuer unterliegen. Zu differenzieren ist dabei jedoch zwischen der Betreuungstätigkeit an sich, die umsatzsteuerfrei erbracht wird und in diesem Zusammenhang erbrachte Leistungen, die zum Gewerbe oder zum Beruf des Betreuers gehören. Diese sind nicht umsatzsteuerbefreit.

Rechtsanwalt Benedikt Trockel

 

ZPO § 91; RVG VV Nr. 3500

Kostenerstattung auch bei nur fristwahrendem Rechtsmittel

BGH, Beschl. v. 28.02.2013 – V ZB 132/12 Fundstelle: AGS 2013, S. 251 f.

Wird eine Beschwerde ausdrücklich nur zur Fristwahrung eingelegt und gleichzeitig der Gegner gebeten, sich im Beschwerdeverfahren noch nicht zu bestellen, so ist die volle Verfahrensgebühr auf Seiten des Beschwerdegegners erstattungsfähig, wenn er dennoch seinen Anwalt im Beschwerdeverfahren beauftragt und die Beschwerde dann noch innerhalb der Beschwerdefrist zurückgenommen wird.

Leitsatz der Schriftleitung AGS

UWG §§ 5 Abs. 1 S. 2, 4 Nr. 11; BRAO § 43 b, BORA § 6 Abs. 1; GG Art. 12

Keine irreführende oder unsachliche Werbung mit „Online-Scheidung“

OLG Hamm, Urt. v. 07.03.2013 – 4 U 162/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 2038 ff.

  1. Die Aussage “Scheidung online → spart Zeit, Nerven und Geld“ auf der Internetseite eines Anwalts ist jedenfalls dann nicht irreführend, wenn die Art und Weise, wie Kosten gespart werden können, im Folgesatz hinreichend erläutert wird.
  2. In dieser Aussage ist auch keine unsachliche Werbung zu sehen, mit der der Anwalt gegen § 43 b BRAO, § 6 BORA verstößt. Eine solche Wirkung ist ungeachtet einer damit verbundenen Anlockwirkung jedenfalls dann erlaubt, wenn sie – wie hier – keine reklamehafte, gleichsam „marktschreierische“ Gestalt annimmt und auch nicht geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen.
  3. Die Darstellung eines online eingeleiteten Scheidungsverfahrens als formalisiertes Verfahren in neun Schritten ist weder irreführend noch unsachlich, wenn sie wie eine mündliche Beratung wirkt, inhaltlich nicht zu beanstanden ist und dabei auch nicht den Eindruck erweckt, dass eine anwaltliche Beratung in keinem Fall stattzufinden braucht.

    Leitsatz des Gerichts

RVG VV Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 Buchst. b), Nr. 3500

Vergütung für Beschwerde gegen Kostenentscheidung des Familiengerichts

OLG Hamm, Beschl. v. 07.03.2013 – 6 WF 55/12 Fundstelle: AGS 2013, S. 171 ff.


Im Verfahren über die Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung des Familiengerichts entsteht dem Anwalt nur eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3500 VV.


Leitsatz der Schriftleitung AGS


BRAO § 43 c; FAO § 5 Abs. 1, Abs. 4; FAO a. F. § 5 S. 1 u. 3; GG Art. 12 Abs. 1, 20 Abs. 3

Gewichtung von Fallzahlen für Fachanwaltstitel

BGH, Urt. v. 08.04.2013 – AnwZ (Brfg) 54/11 (AnwGH Niedersachsen) Fundstelle: NJW 2013, S. 1599 ff.

  1. Die Gewichtungsregelung des § 5 Abs. 4 FAO ist keine Ausnahmebestimmung; jeder eingereichte Fall ist darauf zu prüfen, ob eine Minder- oder Höhergewichtung angezeigt ist.

  2. § 5 Abs. 1 FAO geht von dem Grundsatz aus, dass der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen schon mit dem Nachweis der vorgegebenen Fallzahlen aus den betreffenden Bereichen des jeweiligen Fachgebiets belegt ist; soll hiervon abgewichen werden, müssen tragfähige Anhaltspunkte vorliegen, welche die zuverlässige Beurteilung zulassen, dass der zu beurteilende Fall außerhalb der Bandbreite eines durchschnittlichen Falls liegt.

  3. Eine – auch erhebliche - Mindergewichtung ist vorzunehmen, wenn Wiederholungsfälle eng miteinander verknüpft sind, etwa weil ihnen im Wesentlichen derselbe Lebenssachverhalt zu Grunde liegt oder sie Teil eines Verfahrensverbundes sind (im Anschluss an Senat, FamRZ 2009, 1320 = BeckRS 2009, 12395 Rdnrn. 21, 30 f.).

  4. Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung (§ 43 c Abs. 1 BRAO) ist auch in Bezug auf die Höher- oder Mindergewichtung rechtlich gebunden und unterliegt einschließlich der ihr vorausgehenden Würdigung des Fachausschusses (§ 43 c Abs. 2 BRAO) in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich uneingeschränkt der richterlichen Nachprüfung (im Anschluss an Senat, NJW 1997, 1307; NJW 2003, 741).

  5. Die Gewichtungsregelung des § 5 Abs. 4 FAO steht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang.

Leitsatz des Gerichts

BRAO §§ 43 c Abs. 4 S. 2, 59 b; FAO § 15 Abs. 1, Abs. 2; VwGO §§ 112 e S. 2, 113 Abs. 1 S. 1

Zulässiges Nachreichen von Fortbildungsnachweisen für Fachanwälte

BGH, Urt. v. 08.04.2013 – AnwZ (Brfg) 16/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 2364 f.

  1. Die Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO, § 15 Abs. 1 und Abs. 2 FAO steht erst am Ende des betreffenden Jahres fest. Die Anwaltskammer kann jedoch im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens auch später eingetretene Umstände berücksichtigten, etwa eine Nachholung der versäumten Fortbildung.

  2. § 15 Abs. 3 FAO begründet zwar eine „Bringschuld“ des Fachanwalts, die Erfüllung seiner Fortbildungspflicht nachzuweisen. Die Nachweise unterliegen aber keiner Ausschlussfrist und können daher im behördlichen und gerichtlichen Verfahren nachgereicht werden; zu berücksichtigen ist der gesamte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Streitstoff (§ 112 c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 108 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

  3. Der Verstoß gegen die aus § 15 Abs. 3 FAO folgende Pflicht, die Erfüllung der Fortbildungspflicht unaufgefordert nachzuweisen, rechtfertigt für sich genommen nicht den Widerruf der Erlaubnis den Fachanwaltstitel zu führen, nach § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO.

Leitsatz der Redaktion der NJW-Spezial

 

BerHG §§ 2 Abs. 2, 6; RVG § 44

Vier Angelegenheiten im Rahmen der Beratungshilfe anlässlich der Trennung der Ehegatten

OLG Schleswig, Beschl. v. 25.04.2013 – 9 W 41/13 Fundstelle: AGS 2013, S. 301 ff.


  1. Den §§ 2 Abs. 2, 6 BerHG lässt sich keine Definition des Begriffs „Angelegenheit“ entnehmen. Deshalb kann grundsätzlich das entsprechende Begriffsverständnis aus dem RVG auf das BerHG übertragen werden.

  2. Im Bereich familienrechtlicher Beratungsgegenstände werden unterschiedliche juristische Auffassungen vertreten. Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass in generalisierender Betrachtung von bis zu vier möglichen Angelegenheiten auszugehen sei, nämlich:

  • Scheidung als solche,
  • persönliches Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),
  • Fragen im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat,
  • Finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhalt, Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung).

Leitsatz der Schriftleitung AGS

RVG §§ 46 Abs. 1, 47 Abs. 1; BGB §§ 670, 675

Vorschussanspruch des PKH-Anwalts für Privatgutachtenkosten

OLG Hamm, Beschl. v. 14.05.2013 – 25 W 94/13 Fundstelle: RVGreport 2013, S. 307 ff.

Zu der Vergütung eines PKH-Anwalts im Sinne des § 47 Abs. 1 RVG zählen auch Auslagen, soweit sie zur sachgemäßen Durchführung seines Antrags erforderlich sind, z. B. die Kosten für die Einholung eines für die sachgerechte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seiner Partei erforderlichen Privatgutachtens. Dem beigeordneten Rechtsanwalt ist für derartige Auslagen aus der Staatskasse ein angemessener Vorschuss gem. § 47 Abs. 1 S. 1 RVG zu gewähren.

Leitsatz des Gerichts

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