RVG § 15 Abs. 4; VV RVG Nr. 4141

Kein Wegfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr bei Wiederaufnahme des eingestellten Verfahrens

AG Tiergarten, Beschluss vom 26.02.2014 - 257 Ds 54/13

Fundstelle: RVGreport 2014, S. 232

Hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt und ist dafür eine zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG angefallen, fällt diese nicht dadurch wieder weg, dass die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen wieder aufnimmt.

Leitsatz des Verfassers des RVGreports

BRAO § 53 I, II 1, 2

Verschuldete Fristversäumnis wegen Erkrankung

BGH, Beschluss vom 05.03.2014 – XII ZB 736/12 Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 286

 

Ein Anwalt ist stets verpflichtet, im Hinblick auf einen plötzlichen krankheitsbedingten Ausfall für eine Vertretung zu sorgen.

 

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

VV RVG Vorbem. 3 Abs. 3, Nr. 3202

Keine Terminsgebühr für Besprechungen über Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens

BGH, Beschuss v. 06.03.2014 -VII ZB 40/13

Fundstelle: RVGreport 2014, S. 230 ff.

 

Gespräche über Verfahrensabsprachen, mit deren Befolgung eine Beendigung des Verfahrens nicht verbunden ist, wie etwa Gespräche über eine bloße Zustimmung zum Ruhen des Verfahrens, lösen eine Terminsgebühr gem. Vorbemerkung 3 Absatz 3 Halbsatz 1 Fall 3 VV RVG nicht aus.

Leitsatz des Gerichts

BGB § 1684; FamFG § 156 Abs. 2; RVG VV Nrn. 1000, 1003

Einigungsgebühr für Zwischeneinigung im Umgangsverfahren

OLG Zweibrücken, Beschluss vom 06.03.2014 - 6 WF 16/14

Fundstelle: AGS 2014, S. 269 ff.

Eine Einigungsgebühr kann auch durch eine Zwischenvereinbarung über das Umgangsrecht ausgelöst werden, die eine abschließende Entscheidung des Gerichts nicht erspart.

 

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

BORA § 28; VwVfG § 29

Recht auf Einsicht in die Ausbildungsakte

BGH, Urteil vom 10.03.2014 – AnwZ (Brfg) 67/12 Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 351

Ein Anwalt hat das Recht auf Einsicht in die von seiner Rechtsanwaltskammer geführte Ausbildungsakte seiner ehemaligen Auszubildenden, wenn er ein berechtigtes Interesse darlegen kann.

Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

VV RVG Nr. 6211; RVG § 18 Nr. 5; RVG § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 10a n.F.

Abgeltungsbereich der Verfahrensgebühr im anwaltsgerichtlichen Verfahren

AnwG Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 11.03. 2014 – I AG 1/10 (EV 9/07)

Fundstelle: RVGreport 2014, S. 314 f.

Für ein Beschwerdeverfahren in Rahmen der zweiten gerichtlichen Instanz des anwaltsgerichtlichen Verfahrens fallen keine gesondert abrechnungsfähigen Gebühren an, weil die Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Beschwerdeverfahren durch die Verfahrensgebühr der Berufungsinstanz (mit)abgegolten werden.

Leitsatz des Verfassers des RVGreports

FAO § 7 I 1; BRAO § 112 c I; VwGO § 44 a

Ladung zum Fachgespräch

AnwGH Celle, Teilurteil vom 17.03.2014 – AGH 16/13 (II10/14) Fundstelle: NJW-Spezial 2014, S. 350

 

Die Ladung zu einem Fachgespräch kann von einem Anwalt nicht isoliert mit einer Anfechtungsklage angegriffen werden.

 

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

 

SGB VI § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

Keine Befreiung von Syndikusanwälten von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht

BSG, Urteil vom 03.04.2014 – B 5 RE 3/14 R

1. Syndikusanwälte könnten nicht gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden.

2. Die von der deutschen Rentenversicherung entwickelte Verwaltungspraxis, wonach anwaltlich tätig ist, wer kumulativ die Merkmale Rechtsberatung, Rechtsentscheidung, Rechtsgestaltung und Rechtsvermittlung erfüllt („Vier-Kriterien-Theorie“), ist mit § 6 SGB VI nicht zu vereinbaren.

3. Syndikusanwälte, die für ihre aktuell ausgeübte Tätigkeit über einen Befreiungsbescheid verfügen, genießen Vertrauensschutz.

 

Anmerkung:

Das Bundessozialgericht hat am 03.04.2014 in drei Revisionsverfahren entschieden, dass Syndikusanwälte grundsätzlich nicht gem. § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI von der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht befreit werden können. Aus den nun veröffentlichten Entscheidungsgründen eines der drei Urteile ergibt sich Folgendes:

Die Erwerbstätigkeit des als Jurist in einem Chemieunternehmen angestellten Klägers könne dem Berufsfeld der Rechtsanwältin/des Rechtsanwalts von vornherein nicht zugeordnet werden, da die anwaltliche Berufsausübung „in der äußeren Form der Beschäftigung nicht möglich“ sei (Rz. 26).

Seiner Beurteilung der sozialrechtlichen Frage, ob eine Erwerbstätigkeit dem Bereich anwaltlicher Berufstätigkeit zugeordnet werden kann, legt das BSG die ständige Rechtsprechung des BGH, des BVerfG und des EuGH (so genannte Doppel- bzw. Zwei-Berufe-Theorie) zugrunde (Rz. 29).

Unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung des Senats für Anwaltssachen des BGH betont das BSG ferner, dass unter einem „Syndikus“ lediglich derjenige zu verstehen sei, der als ständiger Rechtsberater in einem festen Dienst- oder Anstellungsverhältnis bei einem bestimmten Arbeitgeber stehe. Der „Syndikusanwalt“ sei gleichzeitig als Rechtsanwalt zugelassen (Rz. 30).

Ungeachtet im Einzelfall arbeitsrechtlich eröffneter Möglichkeiten, auch gegenüber dem (nichtanwaltlichen) Arbeitgeber sachlich selbstständig und eigenverantwortlich zu handeln, sei allein die Eingliederung in die von diesem vorgegebene Arbeitsorganisation mit dem Berufsbild des Rechtsanwalts unvereinbar. Der Syndikusanwalt sei Rechtsanwalt, nicht weil er Syndikus sei, sondern weil er sich auf Grund einer nur deshalb zu erteilenden Zulassung unabhängig hiervon und daneben gesondert als Rechtsanwalt betätigt. Beide Tätigkeiten seien grundsätzlich getrennt zu betrachten (Rz. 34).

Schließlich betont das BSG, dass § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI als abschließende Ausnahmeregelung einer weiten, erweiternden oder analogen Anwendung weder bedürftig noch fähig sei (Rz. 44).

Diese Vorschrift sei weder bevorzugt dazu bestimmt, den Interessen von Freiberuflern zu dienen, noch bezwecke sie in besonderer Weise den Bestandsschutz berufsständischer Versorgungswerke (Rz. 47).

Der Gesetzgeber dürfe zur Bestimmung der Schutzbedürftigen typisierend an den Sachverhalt der Beschäftigung anknüpfen und in Verbindung hiermit Versicherungszwang anordnen (Rz. 50).

Im Ergebnis handele es sich bei der von der Deutschen Rentenversicherung seit 2005 entwickelten so genannten „Vier-Kriterien-Theorie“ um eine vom Gesetz abweichende rechtswidrige Verwaltungspraxis, auf die sich Syndici nicht berufen könnten. Bezogen auf die jeweilige Beschäftigung, für die eine Befreiung von der Deutschen Rentenversicherung ausgesprochen worden ist, hätten Syndici jedoch ein rechtlich geschütztes Vertrauen in den Bestand dieser Entscheidungen, das über den Schutz durch die §§ 44 ff. SBG X hinausgehen dürfte (Rz. 53).

 

Leitsatz des Verfassers

 

BRAO § 43 c Abs. 4 S. 2; FAO § 15

Verstoß eines Fachanwalts gegen seine Fortbildungspflicht

BGH, Beschluss vom 05.05.2014 – AnwZ (Brfg) 76/13

1. Unterbleibt die kalenderjährlich zu leistende Fortbildung, kann sie nicht im Folgejahr nachgeholt werden. Die Verletzung der Fortbildungspflicht, die Tatbestandsvoraussetzung für die Befugnis der Rechtsanwaltskammer zum Widerruf ist, steht vielmehr unumkehrbar fest.

2. Eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht führt nicht zwingend zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung. Die Rechtsanwaltskammer entscheidet über den Widerruf nach pflichtgemäßem Ermessen. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls, so z. B. eine aufgrund Erkrankung unverschuldete Versäumnis der Fortbildung, zu berücksichtigen.

3. Es liegt im Rahmen der pflichtgemäßen Entscheidung der Kammer, wenn sie bei der erstmaligen Verletzung der Fortbildungspflicht vom Widerruf zunächst absieht und dem Anwalt die Möglichkeit gibt, durch verstärkte Fortbildung im laufenden Jahr eine Sanktionierung der einmaligen Pflichtverletzung im zurückliegenden Jahr zu vermeiden.

Leitsatz des Verfassers

Anmerkung:

Passend zur neu entflammten Diskussion um die Konkretisierung und Sanktionierung der allgemeinen Fortbildungspflicht gem. § 43 a Abs. 6 BRAO, hat der BGH mit der vorstehenden Entscheidung die Bedeutung und Notwendigkeit einer laufenden jährlichen Weiterbildung von Fachanwälten zur durchgängigen Qualitätssicherung nochmals betont.

Vor einem von der Erwartung, die Rechtsanwaltskammer werde schon eine angemessene Frist zur Nachholung der im Vorjahr versäumten Fortbildung gewähren, getragenen Schlendrian kann daher nur gewarnt werden. Der BGH stellt ausdrücklich fest, dass für eine Nachholung grundsätzlich kein Raum ist. Zwar rechtfertigt, so das Gericht, die erstmalige Verletzung der Fortbildungspflicht den Widerruf noch nicht. Man kann den BGH aber durchaus so verstehen, dass es mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren sein wird, zu widerrufen, wenn auch eine aufgrund der Lücke im engen zeitlichen Zusammenhang im nachfolgenden Jahr aufgegebene zusätzliche Fortbildung nicht geleistet wird. Entsprechendes wird gelten, wenn im Folgejahr zwar die zusätzliche Fortbildung absolviert wird, erneut aber nicht die hiervon selbstverständlich unberührt bleibende Mindeststundenzahl dieses Jahres.

Offen gelassen hat das Gericht, ob – wie teils in der Kommentarliteratur vertreten – eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen zunächst mit einer Rüge statt dem Widerruf zu ahnden ist. Hierauf kam es nach Auffassung des BGH nicht an, da ein Widerruf ohne vorausgegangene Rüge jedenfalls bei einer Verletzung der Fortbildungspflicht in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren, wie im zu entscheidenden Fall, nicht unverhältnismäßig sei. Nimmt man die vom BGH als Normzweck des § 15 FAO herausgestellte Qualitätssicherung ernst, erscheint aber schon zweifelhaft, ob eine Rüge überhaupt als geeignetes Sanktionsinstrument angesehen werden kann.

Für Kolleginnen und Kollegen, die meinen, Jahr für Jahr auch das erste oder sogar zweite Quartal des Folgejahres für ihre kalenderjährliche Fortbildung in Anspruch nehmen zu können, wird es zukünftig also eng.

RA Stefan Peitscher, Hauptgeschäftsführer

VVG §§ 125, 127 I, 129; MediationsG §§ 1, 2 I, II; BGB § 307;
UWG §§ 4 Nr. 11, 5 I Nr. 1, 5a, 12 III; UKlaG §§ 1, 3 I 1 Nr. 2, 7

Unzulässige „Mediationsklausel“ in der Rechtsschutzversicherung

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 07.05.2014 - 2-06 O 271/13 (nicht rechtskräftig)

Fundstelle: NJW 2014, S. 2204 ff.

  1. Eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Rechtsschutzversicherung, wonach der Versicherer für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung nur die Kosten eines von ihm selbst ausgewählten Mediators übernimmt, verstößt schon deshalb gegen das Recht, den Mediator frei zu wählen (§ 2 I MediationsG), weil die Auswahl des Mediators durch den Versicherer erfolgt.

  2. Gleiches gilt für eine Klausel, die Kostenübernahme für die gerichtliche Interessenwahrnehmung nur gewährt, wenn der Versicherte zuvor ein Streitschlichtungsverfahren mit einem vom Versicherer ausgewählten Mediator durchführt.

  3. Die Bezeichnung eines Versicherungstarifs, der in bestimmten Leistungsarten die Kostenübernahme von der Durchführung eines Mediationsverfahrens mit einem vom Versicherer bestimmten Mediator abhängig macht, als „Rechtsschutzversicherung“ ist nicht irreführend, weil Mediationsleistungen - zumindest als Annexleistungen - prinzipiell in den Bereich einer Rechtsschutzversicherung fallen.

  4. Ein Tarif in der Rechtsschutzversicherung, wonach der Versicherer sich die Auswahl desjenigen vorbehält, der ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren durchführt, verstößt gegen die Grundsätze der freien Wahl des Mediators und der Freiwilligkeit des Mediationsverfahrens (§ 2 I, II MediationsG); die Bezeichnung eines solchen Verfahrens als „Mediation(-sverfahren)“ bzw. der streitschlichtenden Person als „Mediator“ benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen.

Leitsatz der Redaktion der NJW

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