BRAO § 43 c Abs. 4 S. 2; FAO § 15

Verstoß eines Fachanwalts gegen seine Fortbildungspflicht

BGH, Beschluss vom 05.05.2014 – AnwZ (Brfg) 76/13

1. Unterbleibt die kalenderjährlich zu leistende Fortbildung, kann sie nicht im Folgejahr nachgeholt werden. Die Verletzung der Fortbildungspflicht, die Tatbestandsvoraussetzung für die Befugnis der Rechtsanwaltskammer zum Widerruf ist, steht vielmehr unumkehrbar fest.

2. Eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht führt nicht zwingend zum Widerruf der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung. Die Rechtsanwaltskammer entscheidet über den Widerruf nach pflichtgemäßem Ermessen. Hierbei sind alle Umstände des Einzelfalls, so z. B. eine aufgrund Erkrankung unverschuldete Versäumnis der Fortbildung, zu berücksichtigen.

3. Es liegt im Rahmen der pflichtgemäßen Entscheidung der Kammer, wenn sie bei der erstmaligen Verletzung der Fortbildungspflicht vom Widerruf zunächst absieht und dem Anwalt die Möglichkeit gibt, durch verstärkte Fortbildung im laufenden Jahr eine Sanktionierung der einmaligen Pflichtverletzung im zurückliegenden Jahr zu vermeiden.

Leitsatz des Verfassers

Anmerkung:

Passend zur neu entflammten Diskussion um die Konkretisierung und Sanktionierung der allgemeinen Fortbildungspflicht gem. § 43 a Abs. 6 BRAO, hat der BGH mit der vorstehenden Entscheidung die Bedeutung und Notwendigkeit einer laufenden jährlichen Weiterbildung von Fachanwälten zur durchgängigen Qualitätssicherung nochmals betont.

Vor einem von der Erwartung, die Rechtsanwaltskammer werde schon eine angemessene Frist zur Nachholung der im Vorjahr versäumten Fortbildung gewähren, getragenen Schlendrian kann daher nur gewarnt werden. Der BGH stellt ausdrücklich fest, dass für eine Nachholung grundsätzlich kein Raum ist. Zwar rechtfertigt, so das Gericht, die erstmalige Verletzung der Fortbildungspflicht den Widerruf noch nicht. Man kann den BGH aber durchaus so verstehen, dass es mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu vereinbaren sein wird, zu widerrufen, wenn auch eine aufgrund der Lücke im engen zeitlichen Zusammenhang im nachfolgenden Jahr aufgegebene zusätzliche Fortbildung nicht geleistet wird. Entsprechendes wird gelten, wenn im Folgejahr zwar die zusätzliche Fortbildung absolviert wird, erneut aber nicht die hiervon selbstverständlich unberührt bleibende Mindeststundenzahl dieses Jahres.

Offen gelassen hat das Gericht, ob – wie teils in der Kommentarliteratur vertreten – eine einmalige Verletzung der Fortbildungspflicht aus Verhältnismäßigkeitsgründen zunächst mit einer Rüge statt dem Widerruf zu ahnden ist. Hierauf kam es nach Auffassung des BGH nicht an, da ein Widerruf ohne vorausgegangene Rüge jedenfalls bei einer Verletzung der Fortbildungspflicht in drei aufeinander folgenden Kalenderjahren, wie im zu entscheidenden Fall, nicht unverhältnismäßig sei. Nimmt man die vom BGH als Normzweck des § 15 FAO herausgestellte Qualitätssicherung ernst, erscheint aber schon zweifelhaft, ob eine Rüge überhaupt als geeignetes Sanktionsinstrument angesehen werden kann.

Für Kolleginnen und Kollegen, die meinen, Jahr für Jahr auch das erste oder sogar zweite Quartal des Folgejahres für ihre kalenderjährliche Fortbildung in Anspruch nehmen zu können, wird es zukünftig also eng.

RA Stefan Peitscher, Hauptgeschäftsführer

VVG §§ 125, 127 I, 129; MediationsG §§ 1, 2 I, II; BGB § 307;
UWG §§ 4 Nr. 11, 5 I Nr. 1, 5a, 12 III; UKlaG §§ 1, 3 I 1 Nr. 2, 7

Unzulässige „Mediationsklausel“ in der Rechtsschutzversicherung

LG Frankfurt a. M., Urteil vom 07.05.2014 - 2-06 O 271/13 (nicht rechtskräftig)

Fundstelle: NJW 2014, S. 2204 ff.

  1. Eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer Rechtsschutzversicherung, wonach der Versicherer für die außergerichtliche Interessenwahrnehmung nur die Kosten eines von ihm selbst ausgewählten Mediators übernimmt, verstößt schon deshalb gegen das Recht, den Mediator frei zu wählen (§ 2 I MediationsG), weil die Auswahl des Mediators durch den Versicherer erfolgt.

  2. Gleiches gilt für eine Klausel, die Kostenübernahme für die gerichtliche Interessenwahrnehmung nur gewährt, wenn der Versicherte zuvor ein Streitschlichtungsverfahren mit einem vom Versicherer ausgewählten Mediator durchführt.

  3. Die Bezeichnung eines Versicherungstarifs, der in bestimmten Leistungsarten die Kostenübernahme von der Durchführung eines Mediationsverfahrens mit einem vom Versicherer bestimmten Mediator abhängig macht, als „Rechtsschutzversicherung“ ist nicht irreführend, weil Mediationsleistungen - zumindest als Annexleistungen - prinzipiell in den Bereich einer Rechtsschutzversicherung fallen.

  4. Ein Tarif in der Rechtsschutzversicherung, wonach der Versicherer sich die Auswahl desjenigen vorbehält, der ein obligatorisches Streitschlichtungsverfahren durchführt, verstößt gegen die Grundsätze der freien Wahl des Mediators und der Freiwilligkeit des Mediationsverfahrens (§ 2 I, II MediationsG); die Bezeichnung eines solchen Verfahrens als „Mediation(-sverfahren)“ bzw. der streitschlichtenden Person als „Mediator“ benachteiligt den Versicherungsnehmer unangemessen.

Leitsatz der Redaktion der NJW

RVG §§ 7 I, 9, 11, 15 I, II, 22; RVG VV Nr. 3200, 1008

Anwaltsgebühr bei zeitlich versetzt erteilten Klageaufträgen

BGH, Urteil vom 08.05.2014 - IX ZR 219/13

Fundstelle: NJW 2014, S. 2126 ff.

Beauftragen Gesellschafter eines geschlossenen Immobilienfonds einen Rechtsanwalt, den Initiator gemeinsam zu verklagen, um Schadensersatzansprüche wegen Prospekthaftung geltend zu machen, kann gebührenrechtlich dieselbe Angelegenheit gegeben sein, auch wenn die Klageaufträge einzeln und zeitlich versetzt erteilt werden. Entsprechendes gilt, wenn die Gesellschafter den Anwalt nacheinander beauftragen, gegen das klageabweisende erstinstanzliche Urteil Berufung einzulegen.

Leitsatz des Gerichts

ZPO §§ 104, 106 Abs. 1; BGB § 398

Berücksichtigung materiell-rechtlicher Einwendungen im Kostenfestsetzungsverfahren

BGH, Beschluss vom 14.05.2014 - XII ZB 539/11

Fundstelle: RVGreport 2014, S. 318 f.

Materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Kostenerstattungsanspruch können nur dann im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können.

Leitsatz des Gerichts

ZPO §§ 91 Abs. 2 Satz l, 103; BGB § 242

Mehrkosten durch mehrere, zeitlich gestaffelte Prozesse

BGH, Beschluss vom 20.05.2014 - VI ZB 9/13

Fundstelle: RVGreport 2014, S. 315 ff.

  1. Ein Kostenfestsetzungsverlangen kann als rechtsmissbräuchlich anzusehen sein, wenn der Antragsteller die Festsetzung von Mehrkosten beantragt, die darauf beruhen, dass mehrere von demselben Prozessbevollmächtigten vertretene Antragsteller in engem zeitlichem Zusammenhang mit weitgehend gleichlautenden Antragsbegründungen aus einem weitgehend identischen Lebenssachverhalt ohne sachlichen Grund in getrennten Prozessen gegen denselben Antragsgegner vorgegangen sind.

  2. Ein Kostenfestsetzungsverlangen ist nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren, wenn die von demselben Prozessbevollmächtigten vertretenen Antragsteller den Antragsgegner zeitlich gestaffelt in Anspruch nehmen und ihr Vorgehen dazu bestimmt und geeignet ist, das Prozessrisiko insgesamt zu reduzieren.

  3. Die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts gelten unabhängig von den konkreten Umständen stets als zweckentsprechend verursachte Kosten (§ 91 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 ZPO).

Leitsatz des Gerichts

UWG § 4 Nr. 11; BRAO 49b Abs. 1; RVG § 34

Zulässige Anwaltswerbung mit kostenloser Erstberatung

LG Essen, Urteil von 10.10.2013 - 4 O 226/13

Fundstelle: AGS 2014, S. 258 ff.

  1. Die Werbung eines Rechtsanwalts mit kostenloser Erstberatung ist nicht wegen Verstoßes gegen berufsrechtliche Mindestpreisvorschriften (§ 49b Abs. 1 BRAO) wettbewerbswidrig; eine gesetzliche Gebühr für eine außergerichtliche Beratung ist nicht mehr vorgesehen.

  2. Die Werbung mit kostenloser Erstberatung ist nicht geeignet, andere Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, wenn sie offenkundig darauf gerichtet ist, Mandanten den Einstieg in ein weitergehendes, Kosten auslösendes Mandatsverhältnis zu erleichtern.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

Haftungsbescheide gegen Rechtsanwälte und Steuerberater[1]

von Rechtsanwältin Elke Werner, Dortmund

 

Beabsichtigt die Finanzbehörde, gegen einen Berufsträger, nämlich gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer, wegen einer Handlung, die dieser in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, einen Haftungsbescheid (§ 191 Abs. 1 AO) zu erlassen, hat sie der zuständigen Berufskammer Gelegenheit zu geben, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 191 Abs. 2 AO i. V. m. § 69 AO).

Mitte August hat das Bundeskabinett den Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/99/EU über die Europäische Schutzanordnung, zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 606/2013 über die gegenseitige Anerkennung von Schutzmaßnahmen in Zivilsachen und zur Änderung des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit beschlossen. Mit dem geplanten Gesetz sollen EU-Vorgaben für einen effektiven, grenzüberschreitenden Schutz von Gewaltopfern umgesetzt werden. Es soll sichergestellt werden, dass der Schutz von Gewaltopfern vor Übergriffen der gefürchteten Person nicht an den nationalen Grenzen endet. Die einem Opfer von Gewalt gewährten Schutzmaßnamen sollen auf einen anderen EU-Mitgliedstaat ausgedehnt werden können.

Das Bundesjustiz- und -verbraucherministerium hat Ende Juli den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Internationalen Rechtshilfe bei der Vollstreckung von freiheitsentziehenden Sanktionen und bei der Überwachung von Bewährungsmaßnahmen zur Stellungnahme versandt. Der Gesetzentwurf soll insbesondere die europäischen Rahmenbeschlüsse Freiheitsstrafen (Rahmenbeschluss 2008/909/JI) und Bewährungsüberwachung (Rahmenbeschluss 2008/947/JI) umsetzen. In den Rahmenbeschlüssen wurde unter anderem das Erfordernis eines staatlichen Ersuchens bei der Vollstreckungsübernahme bzw. -übergabe aufgegeben sowie ein gerichtlich überprüfbarer Anspruch des Verurteilten auf fehlerfreie Ermessensausübung im Rahmen seines Überstellungsbegehrens eingeführt. Außerdem können danach auch Bewährungsstrafen zur Überwachung ins EU-Ausland abgegeben bzw. aus dem EU-Ausland übernommen werden.

Weiterführende Links:

Europäischer Rahmenbeschluss Bewährungsüberwachung (Rahmenbeschluss 2008/947/JI)

Bundesjustizminister Maas hat in einem Schreiben Anfang August mitgeteilt, dass er beabsichtigt, die Anregung der Satzungsversammlung zu einer Änderung des § 59b BRAO aufzugreifen. Die Satzungsversammlung hatte auf ihrer letzten Sitzung eine Resolution verabschiedet, in der sie den Gesetzgeber bat, den Kompetenzkatalog des § 59b BRAO um die Befugnis zur Regelung der nach § 43a Abs. 6 BRAO festgelegten anwaltlichen Fortbildungspflicht zu erweitern.

"Eine kontrollierte Fortbildung kann das Vertrauen der Rechtsuchenden in die Qualität anwaltlicher Tätigkeit stärken", führt der Bundesjustizminister in seinem Schreiben an den Vorsitzenden der Satzungsversammlung Axel C. Filges aus und kündigte einen baldigen entsprechenden Regelungsvorschlag an.

Weiterführender Link:

Unterkategorien

Seite 154 von 331