ARB § 3a; VVG § 128; MB/KT 2009 §§ 1 Abs. 2 S. 3, Abs. 3, 4 Abs. 5
Schadensersatzanspruch des Rechtsschutzversicherers aus übergegangenem Recht wegen fehlerhafter Aufklärung des Versicherungsnehmers
OLG Köln, Urt. v. 3.3.2020 – 9 U 77/19
Fundstelle. AGS 2020, S. 303

1. 

Die Pflicht des Rechtsanwalts, seinen Mandanten grundsätzlich umfassend und möglichst erschöpfend rechtlich zu beraten und, falls eine Klage oder Berufung nur wenig Aussicht auf Erfolg verspricht, hierauf und auf die damit verbundenen Gefahren hinzuweisen, gilt gleichermaßen auch dann, wenn der Mandant rechtsschutzversichert ist.

2.

Der Rechtsanwalt hat seinen Mandanten auch darüber zu belehren, dass der Rechtsschutzversicherer zur Gewährung von Deckungsschutz für aussichtslose Verfahren nach Maßgabe der § 3a ARB; § 128 VVG nicht verpflichtet ist.

3.

Die Deckungszusage eines Rechtsschutzversicherers hat keinen Einfluss auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Mandanten/Versicherungsnehmer und dem Rechtsanwalt. Sie begründet insbesondere für den Rechtsanwalt grundsätzlich keinen Vertrauenstatbestand dahin, dass er von dem Rechtsschutzversicherer nicht wegen Verletzung seiner Pflichten aus dem Anwaltsvertrag aus übergegangenem Recht in Anspruch genommen  wird. Die Rechtsschutzversicherung wird nicht als Erfüllungsgehilfin des Versicherungsnehmers in dessen Pflichtenkreis aus dem mit dem Anwalt geschlossenen Vertrag tätig.

4.

Der zur Beweislastumkehr führende Anscheinsbeweis beratungskonformen Verhaltens, wie er etwa in Fällen der Anwalts- und Steuerberaterhaftung Anwendung findet, gilt in der Rechtsschutzversicherung nicht in jedem Einzelfall. Anders dann, wenn der Rechtsanwalt seinen Mandanten nicht von einer von vornherein aussichtlosen Klage abrät und darauf hinweist, dass der Mandant deshalb ohne Rechtsschutz den Prozess auf eigenes Risiko führen müsse.

 

Leitsatz der Schriftleitung der AGS 

FamGKG §§ 39 Abs. 1, 45 Abs. 1 S. 2
Verfahrenswert eines Umgangsverfahrens mit widerstreitenden Anträgen
OLG Koblenz, Beschl. v. 11.2.2020 - 9 WF 101/20
Fundstelle: AGS 2020, S. 234

Beantragt die Antragstellerin die Regelung des Umgangs mit dem gemeinsamen Kind und beantragt der Antragsgegner im selben Verfahren, den Umgang des anderen Elternteils auszuschließen, sind die Werte der einzelnen Anträge nicht gem. § 39 Abs. 1 S. 1 FamGKG zu addieren, sondern es ist nur ein Verfahrenswert zugrunde zu legen.

 

Leitsatz der Schriftleitung der AGS 

 

Vorbem. 3 Abs. 3 Satz 1, Nr. 3104 VV RVG
Terminsgebühr bei einer teilweisen Klagerücknahme
OLG Frankfurt, Beschl. v. 5.2.2020 - 18 W 132/19
Fundstelle: RVG-Report 2020, S. 225

Bei einer teilweisen Klagerücknahme im Termin der mündlichen Verhandlung entsteht die Terminsgebühr aus dem ursprünglichen Streitwert, auch wenn die teilweise Klagerücknahme vorher angekündigt wurde.

Leitsatz des Gerichts 

 

Anwaltsvergütung und Kostenerstattung im sozialgerichtlichen Vorverfahren
§ 14 Abs. 1 RVG; Nrn. 1008, 2302 VV RVG; § 63 SGB X
BSG, Urt. v. 12.12.2019 - B 14 AS 48/18 R
Fundstelle: RVG-Report 2020, S. 218

1.

Die für die Tätigkeit des Rechtsanwalts in einem sozialgerichtlichen Widerspruchsverfahren angefallene Geschäftsgebühr ist in einem ersten Schritt ausgehend  von der Mittelgebühr zu bestimmen. Die ausgehend von der Mittelgebühr bestimmte Gebühr ist dann in einem zweiten Schritt in Höhe der Schwellengebühr zu kappen, wenn weder der Umfang noch die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit mehr als durchschnittlich sind.

2.

Zwar ist ein Rechtsanwalt an seine einmal getroffene Gebührenbestimmung gegenüber dem auftraggebenden Mandanten gebunden und kann von dieser grundsätzlich nicht zu dessen Nachteil abweichen. Dies schließt jedoch die Änderung der Gebührenbestimmung durch den Rechtsanwalt gegenüber einem erstattungspflichtigen Dritten nicht aus.

3.

Allein der Umstand, dass eine Entscheidung der Behörde gegenüber einem Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft die Verhältnisse der übrigen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft berührt, führt nicht zum Anfall der Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 W RVG, wenn Auftraggeber des Rechtsanwalts allein ein Mitglied dieser Bedarfsgemeinschaft war.

 

Leitsatz des Verfassers 

 

Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrags
§ 3 ZPO
BGH, Beschl. v. 12.3.2020 - V ZR 160/19
Fundstelle: RVG-Report 2020, S. 268

Der Streitwert eines Antrags auf Feststellung der Nichtigkeit eines Vertrags bemisst sich nach dem Wert der Leistungspflicht, von der der Kläger freigestellt werden will bzw. nach dem Wert der Leistung, die ihm zurückgewährt werden soll; die Gegenleistung bleibt außer Betracht.

Leitsatz des Gerichts 

 

 

Angelegenheit bei der Zwangsvollstreckung nach § 888 ZPO
§ 18 Abs. 1 Nr. 13 RVG; Nr. 3309 VV RVG; § 777 ZPO
BGH, Beschl. v. 20.2.2020 - I ZB 68/19 Fundstelle: RVG-Report 2020, S. 222

 

  1. Beantragt der Rechtsanwalt als Vertreter des Gläubigers nach Verhängung und

    Vollstreckung eines ersten Zwangsmittels gegen den Schuldner gern. § 888 ZPO ein

    weiteres Zwangsmittel, weil der Schuldner die nicht vertretbare Handlung (hier die

    Erteilung einer Auskunft) noch immer nicht vorgenommen hat, handelt es sich bei dem

    Gesamten Verfahren auf Vornahme der Handlung um eine einzige gebührenrechtliche

    Angelegenheit. Die 0,3 Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV RVG fällt somit insgesamt

    nur einmal an.

 

  1. Im Kostenfestsetzungsverfahren können ohne Verstoß gegen die Bindung an den Antrag

    gemäß § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO einzelne, nicht beantragte Positionen anstelle beantragter,  

    aber unbegründeter Kostenpositionen, berücksichtigt werden.

 

Leitsatz des Verfassers 

 

 

ZPO §§ 3, 5, 9
Beschwer bei Verurteilung zur Räumung und bei Abweisung der Widerklage auf Fortbestand des Mietverhältnisses
BGH, Beschl. v. 4.2.2020 - VIII ZR 16/19
Fundstelle: AGS 2020, S. 286

  1. Der 3 ½ fache Jahreswert der Beschwer des zur Räumung eines Mietobjekts verurteilten Beklagten richtet sich nach der vereinbarten Miete und nicht nach einem etwaig höheren objektiven Mietwert.
  1. Der auf Feststellung des Fortbestehens des Mietverhältnisses gerichteten Widerklage kommt demgegenüber kein eigener Beschwerdewert zu.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

 

ZPO §§ 59 ff., 114 ff.; RVG § 7 Abs. 2
Prozesskostenhilfe nur für einen Streitgenossen; Rechtsanwaltsvergütung für gemeinsamen Verfahrensbevollmächtigten
BGH, Beschl. v. 5.12.2019 - II ZB 8/18 Fundstelle: AGS 2020, S. 240

Beauftragen zwei Streitgenossen denselben Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem Rechtsstreit und liegen nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor, kann die Bewilligung auf die Mehrvertretungsgebühr nach Nr. 1008 VV beschränkt werden.

Leitsatz des Schriftleitung der AGS 

 

§§ 112 c Abs. 1 S. 1, 119 Abs. 2 BRAO
Unzulässige Feststellungsklage
AnwGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.6.2020 - 1 AGH 31/19 = BeckRS 2020, 12140 Fundstelle: NJW-Spezial 2020, S. 447

Fehlt es an einem ausdrücklich bekundeten Willen einer Rechtsanwaltskammer, einen ihr nicht angehörenden Anwalt wettbewerbsrechtlich in Anspruch zu nehmen, ist eine vorbeugende Feststellungsklage unzulässig.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial 

 

 

§§ 15, 25 Abs. 2 FAO
Kein Widerruf des Fachanwaltstitels trotz unterbliebener Fortbildung
AnwGH Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 5.6.2020 - 1 AGH 43/19 = BeckRS 2020, 11856
Fundstelle: NJW-Spezial 2020, S. 479

Ein Widerruf der Erlaubnis zum Führen einer Fachanwaltsbezeichnung ist nur innerhalb eines Jahres nach Kenntnis des Vorstands der Rechtsanwaltskammer von den ihn rechtfertigenden Tatsachen zulässig.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

 

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