§§ 51, 52 Abs. 1 S. 2 RVG; §§ 464 b, 467 Abs. 1 StPO
„Rosinentheorie“
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.1.2021 – III­2 Ws 267/20
Fundstelle: AGS 4/2021, S. 162

1. Die von der Staatskasse gezahlten Pflichtverteidigergebühren, wozu auch die Pauschgebühr gehört, sind nach Maßgabe des § 52 Abs. 1 S. 2 RVG insgesamt auf
die Wahlverteidigergebühren anzurechnen, die der Pflichtverteidiger von dem Beschuldigten verlangen kann.

2. Es kommt nicht in Betracht, die jeweils vorteilhaften Elemente aus dem Gebührenrecht des Pflichtverteidigers und des Wahlverteidigers im Sinne einer Meistbegünstigung selektiv herauszugreifen und miteinander zu kombinieren („Rosinentheorie“)

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

Angestellte, d.h. auch die juristischen und nicht-juristischen Mitarbeiter einer Anwaltskanzlei, sind bei einem Arbeits- oder Wegeunfall kraft Gesetzes in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Dies gilt jedoch nicht für selbstständig tätige Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Für sie besteht jedoch die Möglichkeit, sich freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung zu versichern. Informationen dazu hat der BRAK-Ausschuss Sozialrecht in seinen Hinweisen „Gesetzliche Unfallversicherung – nicht nur für Arbeitnehmer!“ erarbeitet.

Bremen hat zum 1.1.2021 für die Arbeitsgerichtsbarkeit, die Finanzgerichtsbarkeit und die Sozialgerichtsbarkeit – mit Ausnahme des Landessozialgerichts Niedersachen-Bremen – den verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehr für professionelle Verfahrensbeteiligte eingeführt. Das Land machte damit von der in Art. 24 II des Gesetzes zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch, die eigentlich erst ab dem 1.1.2022 für alle verpflichtende Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs vorzuziehen.

Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 18.12.2021 dem Entwurf für ein Kostenrechtsänderungsgesetz 2021 zugestimmt. Damit gab er – mehr als sieben Jahre nach der letzten Anpassung der anwaltlichen Gebühren – grünes Licht für die Gebührenreform, die strukturelle Verbesserungen sowie eine lineare Anpassung von 10 % (bzw. 20 % im Sozialrecht) bringt. Das Gesetz ist – nach Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt am 29.12.2020 – am 1.1.2021 in Kraft getreten.

ZPO § 3
Streitwert einer Klage auf Zahlung Zug um Zug gegen Zahlung
OLG Schleswig, Beschluss vom 05.01.2021 – 7 W 40/20
Fundstelle: AGS 2021, S. 235 f.

Wird auf Zahlung eines bezifferten Betrages geklagt, Zug um Zug gegen Auszahlung eines anderen bezifferten Betrages, dann richtet sich der Streitwert nur nach der Differenz der Zahlbeträge.

Leitsatz der Schriftleitung der AGS

 

 

BGB §§ 138, 242, 249 Abs. 1, 280 Abs. 1, 307 Abs. 1; RVG § 3a
Zulässigkeit einer 6-Minuten-Zeittaktvereinbarung
LG Freiburg, Urt. v. 19.7.2019 - 8 0 56/18
Fundstelle: AGS 2020, S. 457

1.

Eine Abrechnung nach 6-Minuten-Taktung führt zu keiner unangemessenen Benachteiligung des Mandanten. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass die anwaltlichen Arbeitsschritte  in aller Regel längere Zeitabschnitte als nur einzelne Minuten umfassen.

2.

Eine schlüssige Darlegung der geltend gemachten Stunden erfordert, dass über pauschale Angaben hinaus die während des abgerechneten Zeitintervalls getroffenen Maßnahmen  konkret und in nachprüfbarer Weise dargelegt werden. Insoweit ist z.B. etwa anzugeben, welche Akten und Schriftstücke einer Durchsicht unterzogen, welcher Schriftsatz vorbereitet oder verfasst wurde, zu welcher Rechts- oder Tatfrage welche Literaturrecherchen angestellt oder zu welchem Thema mit welchem Gesprächspartner wann eine fernmündliche Unterredung geführt wurde.

3.

Betreffen die Tätigkeiten den E-Mail- oder Schriftverkehr, Telefonate oder Besprechungen mit dem Mandanten, genügt die Angabe von Datum und Uhrzeit, da der Mandant diese Vorgänge miterlebt hat.

4.

Im Honorarprozess hat das Gericht eine überschlägige Schätzung auf Grundlage der vorgelegten Stundenabrechnungen vorzunehmen, welcher Zeitaufwand für die einzelnen Aufgaben und die rechtliche Einordnung, Bewertung und Durchdringung sowie die darauf entfallende Reaktion angemessen war. Dabei ist zu berücksichtigen, ob der Anwalt Fachanwalt in dem Rechtsgebiet ist oder nicht, und ob es sich um eine einfache oder komplexe Angelegenheit handelt. Den hierfür erforderlichen Aufwand kann das Gericht entsprechend§ 287 ZPO schätzen.

5.

Verteidigt sich ein Mandant mit der Behauptung, er hätte die Honorarvereinbarung nicht unterzeichnet, wenn er auf die Möglichkeit von Verfahrenskostenhilfe hingewiesen worden wäre, gehört zur schlüssigen Darlegung eines Einwands nach § 242 BGB oder §§ 280 Abs.1, 249 Abs. 1 BGB, dass der Mandant zu den Voraussetzungen der Verfahrenskostenhilfe im Einzelnen substantiiert vorträgt.

 

Leitsatz der Schriftleitung AGS

 

 

Nr. 4141VV RVG
Zusätzliche Verfahrensgebühr für Hinweis auf Tod des Mandanten
LG Leipzig, Beschl. v. 19.6.2020 - 2 Qs 8/20 jug.
Fundstelle: RVGreport 2020, S. 389

Der Hinweis des Verteidigers auf den Tod seines Mandanten und das damit verbundene Verfahrenshindernis ist eine geeignete Mitwirkungstätigkeit, um die zusätzliche Gebühr nach Nr. 4141 W RVG zu verdienen.

Leitsatz des Verfassers

 

 

 

§§ 91 Abs. 1 und 2, 104 Abs. 2 Satz 1 ZPO; § 1 Abs. 2 Satz 1 RVG; §§ 46 Abs. 2, 46c Abs. 4 Satz 2 BRAO
Kostenfestsetzung bei Vertretung durch Syndikusanwalt
OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.7.2020 - 6 W 65/20
Fundstelle: RVGreport 2020, S. 430

1.

 Das RVG findet für Tätigkeiten eines Rechtsanwalts als Syndikusanwalt i.S.d. § 46 Abs. 3 BRAO keine Anwendung.

2.

Die im Rahmen einer Tätigkeit als Syndikusanwalt erbrachten Leistungen sind deshalb nicht  nach Maßgabe des RVG zu vergüten und damit vom unterlegenen Gegner auch nicht gem. § 91 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 ZPO zu erstatten.

3.

Wird der als Syndikusanwalt beschäftigte Prozessbevollmächtigte aber, was nach § 46c Abs. 4 Satz 2 BRAO zulässig ist, außerhalb des Syndikusverhältnisses als nebenberuflich niedergelassener Rechtsanwalt tätig, kann diese außerhalb des besonderen Verhältnisses erbrachte Leistung nach dem RVG abgerechnet und vom Gegner erstattet verlangt werden. Dies gilt  auch dann, wenn der Anwalt freiberuflich als Rechtsanwalt für seinen Arbeitgeber tätig wird, den er als Syndikusanwalt im Verfahren vor dem Landgericht nicht vertreten darf.

4.

Für die Berücksichtigung der Anwaltsvergütung im Kostenfestsetzungsverfahren genügt zur Glaubhaftmachung die anwaltliche Versicherung des Syndikusanwalts, dass er die  Mandanten im gerichtlichen Verfahren außerhalb seiner Tätigkeit als Syndikusanwalt vertreten hat.

 

Leitsatz des Verfassers

Unter dem Titel „Gefahr der Gewerblichkeit für Kanzleien – Abfärberegelung des § 15 III Nr. 1 EStG“ hat der BRAK-Ausschuss Steuerrecht eine aktualisierte Standortbestimmung erarbeitet. Grundsätzlich ist die anwaltliche Tätigkeit von der Gewerbesteuer befreit. Bereits kleine Anteile originär gewerblicher Tätigkeit führen allerdings nach der sog. Abfärberegelung des § 15 III Nr. 1 EStG zur Gewerbesteuerpflicht der gesamten Kanzleileistung. Anhand von sieben Beispielen wird die Thematik anschaulich dargestellt und acht Praxistipps zeigen Wege für Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte auf, um eine Gewerblichkeit zu vermeiden. Die aktualisierte Auflage bringt u.a. einige Klarstellungen, berücksichtigt eine aktuelle BFH-Entscheidung und enthält erweiterte Fundstellen-Nachweise und Links.

Der Zeitplan für die Einführung der verpflichtenden Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs wird nicht verschoben. Einen entsprechenden Antrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, die allgemein ab dem 1.1.2022 eintretende aktive Nutzungspflicht des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs (beA) zunächst bis zum Jahr 2025 zurückzustellen, lehnte der Bundestag in seiner Sitzung am 27.11.2020 ab. Die BRAK hatte sich entschieden gegen eine Verschiebung ausgesprochen.

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