Verlegt ein Rechtsanwalt seine Praxis an einen anderen Ort, so kann er vom Vermieter nicht verlangen, dass dieser nach Auszug des Anwalts aus den Praxisräumen einen Hinweis des ausgezogenen Anwalts auf seine neuen Praxisräume duldet ... AG Essen, U. v. 28. November 2002 - 23 C 173/02
Verlegt ein Rechtsanwalt seine Praxis an einen anderen Ort, so kann er vom Vermieter nicht verlangen, dass dieser nach Auszug des Anwalts aus den Praxisräumen einen Hinweis des ausgezogenen Anwalts auf seine neuen Praxisräume duldet. Vielmehr ist es üblich und ausreichend, auf dem Kanzleibriefbogen die Verlegung der Kanzleiräume anzuzeigen. Nach Ablauf des Mietverhältnisses ist der Anwalt auf den Umzugshinweis nicht mehr angewiesen.
Anmerkung, mitgeteilt von RAuN Dr. Helmut Lampel, Essen:
Seit langem ist, weil selbstverständlich, üblich und anerkannt, dass zum Beispiel der Vermieter verpflichtet ist, (§ 242 BGB) nach Beendigung des Mietverhältnisses bei Gewerbetreibenden oder freien Berufen ein Hinweisschild auf die neuen Geschäfts- oder Praxisräume für angemessene Zeit zu dulden (u. a. RGZ 161, 338; Palandt-Putzo, BGB, § 556 Anm. 1 b; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.05.1988 - 16 U 56188). Ein Anbringungszeitraum von sechs Monaten gilt in diesem Zusammenhang als durchaus üblich und angemessen angesehen (OLG Düsseldorf, NJW 1988, S. 2545, Urteil vom 27.05.1988 - 16 U 56188). Begründet wird die Duldungspflicht hinsichtlich des Hinweisschildes u.a. damit, dass ggf. die Gefahr bestehe, dass potentielle Alt- und / oder Neukunden verloren gehen könnten. Zwar könne die Gefahr eines Mandanten- bzw. Umsatzverlustes durch anderweitige Vorsorgemaßnahmen (u.a. Schreiben an Altkunden, Zeitungsannoncen, Schild an der Neupraxis) gemindert, jedoch nicht vollkommen ausgeschlossen werden. Annoncen in Tageszeitungen würden in der Regel nur bei entsprechendem Interesse gelesen. Es bestehe deshalb die ernsthafte Gefahr, dass insbesondere Neukunden, die die neue Anschrift des Anwalts nicht kennen würden, dem Anwalt verloren gingen.
Das OLG Düsseldorf hatte über die Frage zu entscheiden, ob nach Auflösung einer Anwaltspraxis der in den alten Praxisräumen verbleibende Anwalt und der Vermieter der Räume verpflichtet seien, auf angemessene Zeit ein Hinweisschild zu dulden, welches auf die neue Praxis der ausgeschiedenen Anwälte hinweist. Insofern unterscheidet sich der vom Amtsgericht Essen entschiedene Fall zwar von dem Fall, den das OLG Düsseldorf seinerzeit zu beurteilen hatte, jedoch sind die vorstehend geschilderten Grundsätze, die das OLG Düsseldorf bewogen haben, bzgl. des Hinweisschildes eine Duldungspflicht anzunehmen, ohne weiteres in Hinblick auf den Sinngehalt auf den von Seiten des Amtsgerichts Essen entschiedenen Fall übertragbar.
Der vorgenannten Entscheidung des Amtsgerichts Essen lag der Sachverhalt zugrunde, dass der Kläger, ein Rechtsanwalt und Notar, nach Ablauf des Mietverhältnisses den bisherigen Vermieter über einen anderen Kollegen aufgefordert hatte, das nach Beendigung des Mietverhältnisses entfernte - mit dem Umzugshinweis versehene - Praxisschild wieder aufzustellen bzw. anzubringen und in diesem Zusammenhang den bisherigen Vermietern die aufgrund des Verfahrens entstandenen Anwaltskosten für die Inanspruchnahme des Kollegen in Rechnung gestellt hatte.
Die Vermieter waren nicht bereit, diese Kosten zu begleichen. Das Amtsgericht Essen hat im Rahmen des streitbefangenen Urteils entschieden, dass dem umgezogenen Anwaltsnotar gegen die Vermieter keinerlei Schadensersatzforderungen zustünden. Das Mietverhältnis sei unstreitig am 31.12.2001 abgelaufen. Eine feststehende Zeitdauer für die Duldungspflicht für das streitbefangene Geschäftsschild sei nicht vereinbart worden. Auch sei eine solche nicht allgemein normiert. Sie dauere höchsten so lange, wie das Interesse des Mieters andauere, potentielle Kunden über die Verlegung des Geschäftssitzes informieren zu müssen.
Außerdem sei vorliegend zu beachten, dass der Anwaltsnotar nicht allein - sondern nur untergeordnet - potentielle Mandantschaft über das Schild bei den bisherigen Räumen auf die Verlegung seines Geschäftssitzes und seiner Kanzlei hinweisen könne. Vielmehr sei es gerade im Bereich von Rechtsanwälten, Notaren und Steuerberatern pp. üblich, bei Schreiben an die bisherigen Mandanten (Rundschreiben) Anzeigen in der Zeitung und telefonische Hinweise auf den Umzug hinzuweisen.
Unabhängig davon sei es üblich und ausreichend, auf dem Kanzleibriefbogen die Verlegung der Kanzleiräume anzuzeigen. Nach Ablauf des Mietverhältnisses sei der Anwaltsnotar auf das streitgegenständliche Schild nicht mehr angewiesen gewesen. Die Klage sei daher abzuweisen gewesen.
Diese Entscheidung muss Kritik hervorrufen.
Abgesehen davon, dass sich das Amtsgericht Essen selbst widerspricht, wenn es einerseits betont, die Duldungspflicht für ein Geschäftsschild dauere höchstens so lange an, wie das Interesse des Mieters andauere, potentielle Kunden über die Verlegung des Geschäftssitzes informieren zu müssen und andererseits ausführt, es sei üblich und ausreichend, auf dem Kanzleibriefbogen über die Verlegung der Kanzleiräume hinzuweisen, missachtet das hier in Rede stehende Urteil in eklatanter Weise die nachvertraglichen Pflichten eines Vermieters, dem umgezogenen Freiberufler oder Gewerbetreibenden einen Hinweis auf die neuen Geschäfts- bzw. Praxisräume zu ermöglichen. Es widerspricht jeglicher Lebenserfahrung, dass ein umgezogener Rechtsanwalt lediglich durch Hinweis auf dem Kanzleibriefbogen sowie Rundschreiben an die bisherige Mandantschaft das allgemeine Publikum in ausreichendem Maße erreicht. Insbesondere missachtet das hier in Rede stehende Urteil des Amtsgerichts Essen den Umstand, dass eine Vielzahl potentieller Mandanten, die noch nicht zum Kundenkreis des umgezogenen Rechtsanwalts gehören und daher auch nicht angeschrieben werden können, sich an das Praxisschild bzw. den bisherigen Aufenthalt des Rechtsanwalts gewöhnt haben und im Falle eines Praxisumzugs ohne Anbringung eines entsprechenden Hinweises auf dem Praxisschild nicht in der Lage sind, im Bedarfsfall den besagten Anwalt aufzusuchen. Durch einmalige Rundschreiben und auch durch eine kurze Zeitungsannonce wird ein Großteil des Publikums, welches die potentielle Mandantschaft des Rechtsanwalts bilden könnte, nicht erreicht. Der betroffene Anwaltsnotar hat die Erfahrung gemacht, dass selbst nach einem dreiviertel Jahr noch Mandanten bzw. neue Mandanten ihn unter seiner bisherigen Adresse aufsuchen wollten, durch den angebrachten Umzugshinweis auf seinem Praxisschild jedoch erst auf seine neue Adresse aufmerksam geworden sind.
Das streitbefangene Urteil des Amtsgerichts Essen stellt einen schweren Schlag gegen die berechtigten Interessen von Rechtsanwälten, Notaren, Steuerberatern und sonstigen Freiberuflern, insbesondere Ärzten, dar, durch einen Praxisumzug bedingte erheblich erschwerte Kontaktaufnahmemöglichkeiten in angemessener Form zu lindern bzw. auszugleichen.
Die lapidare und durch nichts begründete Feststellung des Amtsgerichts Essen, der Anwaltsnotar sei nach Ablauf des Mietvertrages auf das streitgegenständliche Schild nicht mehr angewiesen gewesen, kann schwerwiegende wirtschaftliche bzw. existentielle Schäden zur Folge haben.
Es bleibt zu hoffen, dass dieses - nicht berufungsfähige - Urteil keine Schule macht und als einmaliger Ausrutscher in die Rechtsgeschichte eingeht, andernfalls dies bei dem vorgeschilderten Personenkreis zu Schäden führen könnte, deren Umfang nicht abzusehen wäre.