BRAO § 43 a IV; BORA§ 3 I, IV; BGB §§ 134, 280 I, 311 II

Pflicht des Anwalts zum Hinweis auf Gebührenfolgen bei „einvernehmlicher Scheidung“

BGH, Urteil vom 19.9.2013 -IX ZR 322/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 3725 ff.

Suchen Eheleute gemeinsam einen Rechtsanwalt auf, um sichin ihrer Scheidungsangelegenheit beraten zu lassen, hat derAnwalt vor Beginn der Beratung auf die gebühren- und vertretungsrechtlichenFolgen einer solchen Beratung hinzuweisen.

Leitsatz des Gerichts

 

BRAO §§ 73 Abs. 2 Nr. 1, 112 c; VWGO § 42 Abs. 1 Alt. 1

Belehrung wegen beabsichtigter Werbemaßnahmen

AnwGH Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 6.9.2013 – 2 AGH 3/13 = BeckRS 2013, 16345 Fundstelle: NJW-Spezial 2013, S. 639

Belehrt eine Rechtsanwaltskammer einen Anwalt über die aus ihrer Sicht gegebene Unzulässigkeit beabsichtigter Werbemaßnahmen, ist diese Belehrung nicht geeignet, den Anwalt in seinen Rechten einzuschränken bzw. zu verletzen.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

Anmerkung:

Einer Rechtsanwaltskammer lag eine Anfrage eines Kammermitglieds hinsichtlich der berufsrechtlichen Zulässigkeit einer beabsichtigten Werbemaßnahme vor. Diese wurde mit dem Hinweis auf die Unvereinbarkeit mit dem anwaltlichen Berufsrecht beantwortet und der Anfragende unter Beifügung einer Rechtsmittelbelehrung zur Unterlassung aufgefordert. Die dagegen gerichtete Anfechtungsklage wurde durch den AGH NRW als unzulässig abgewiesen.

Nach Auffassung des Gerichts handelt es sich bei der angegriffenen Belehrung nicht um einen anfechtbaren Verwaltungsakt, da Gegenstand nicht ein Verbot der Wiederholung oder Fortsetzung eines in der Vergangenheit liegenden Verhaltens oder dessen Missbilligung sei. Vielmehr handele es sich bei den angefochtenen Schreiben um präventive Auskünfte, die zur Beseitigung künftiger Zweifel erteilt worden seien. Da Belehrungen dieser Art keine Bewertung eines bestimmten zurückliegenden Vorganges und keinen Schuldvorwurf gegen eine bestimmte Person enthalten würden, seien sie in aller Regel nicht geeignet, (Grund-) Rechte eines Rechtsanwalts zu beeinträchtigen.

GG Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 5 Abs. 1 S. 1; BGB §§ 823 Abs. 1, 2, 1004 Abs. 1 S. 2; StGB § 185

Bezeichnung einer Rechtsanwaltskanzlei als „Winkeladvokatur“

BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschl. vom 2.7.2013 – 1 BvR 1751/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 3021 f.

Die Bezeichnung einer Rechtsanwaltskanzlei im Rahmen eines Zivilprozesses als „Winkeladvokatur“ greift zwar in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des betroffenen Rechtsanwalts ein, sie stellt jedoch nur nach den Umständen des Einzelfalls eine Schmähkritik dar und kann durch die Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG) gedeckt sein.

 

Leitsatz der Redaktion der NJW

BRAO §§ 166 Abs. 2 Nr. 1, 167 Abs. 2, 167 a

Akteneinsicht im Wahlverfahren für BGH-Anwälte

BGH, Beschl. v. 25.6.2013 – AnwZ 1/13 Fundstelle: NJW 2013, 2907 f.

Ein Rechtsanwalt, der sich für die Wahl als Rechtsanwalt beim BGH bewirbt, hat vor der Entscheidung des Wahlausschusses kein Recht auf Einsicht in seine Bewerberakte; effektiven Rechtsschutz erhält er für den Fall, dass er nicht gewählt werden sollte und die Wahl anficht, durch Akteneinsicht im Rahmen des Anfechtungsverfahrens nach § 112 c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 100 Abs. 1 VwGO, über deren Umfang der BGH zu entscheiden hat.

Leitsatz der Schriftleitung NJW

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 8

Vereinbare Tätigkeit als Jobcoach

AnwGH Frankfurt a. M., Urt. v. 3.6.2013 – 2 AGH 21/12= BeckRS 2013, 17046 Fundstelle: NJW-Spezial 2013, S. 670 f.

Hat ein Berufsträger als Angestellter eines Landkreises die Funktion eines Jobcoaches in einer Jobakademie, handelt es sich hierbei nicht um hoheitliche Tätigkeit.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

BRAO § 59 a Abs. 1 S. 1

Sind Ärzte und Apotheker sozietätsfähig?

BGH, Beschl. v. 16.05.2013 – II ZB 7/11 Fundstelle: NJW-Spezial 2013, S. 478

Das für Anwälte geltende Verbot, sich mit Ärzten und Apothekern beruflich zur gemeinschaftlichen Berufsausübung zu verbinden, ist nach Überzeugung des BGH mit dem Grundgesetz unvereinbar.

Leitsatz des Autors der NJW Spezial

Anmerkung:

Der BGH hatte in einer Partnerschaftsregistersache über die Beschwerde eines Rechtsanwalts und einer Ärztin und Apothekerin zu entscheiden, die eine gemeinsame Partnerschaftsgesellschaft zur Eintragung in das Partnerschaftsregister angemeldet hatten. Die Anmeldung wurde durch das Amtsgericht unter Verweis auf § 59 a BRAO zurückgewiesen, wonach sich Rechtsanwälte nur mit den dort benannten Berufen soziieren dürfen, wozu Ärzte und Apotheker nicht gehören.

Der BGH hat das Verfahren ausgesetzt und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu der Frage eingeholt, ob § 59 a Abs. 1 BRAO mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

BRAO §§ 43, 59 a Abs. 1; PartGG §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2 Nr. 3; GG Art. 3 Abs. 1, 9 Abs. 1, 12 Abs. 1

Interprofessionelle Sozietät von Anwälten mit Ärzten und Apothekern

BGH, Vorlagebeschluss v. 16.5.2013 – II ZB 7/11 Fundstelle: NJW 2013, S. 2674 ff.

 

  1. Werden Ärzte oder Apotheker im Rahmen einer Rechtsanwaltsgesellschaft nur gutachterlich und beratend tätig, steht dies ihrer Eignung als Partner i. S. von § 1 Abs. 1, Abs. 2 PartGG nicht entgegen.

  2. Die Firmierung einer Partnerschaftsgesellschaft „…, Rechtsanwalt, …, Ärztin und Apothekerin, interprofessionelle Partnerschaft für das Recht des Arztes und des Apothekers“ erweckt nicht den Eindruck, dass durch diese Gesellschaft auch Heilkunde und Heilfürsorge angeboten würden oder dass durch einen Arzt oder Apotheker Rechtsrat erteilt würde.
  3. § 59 a Abs. 1 BRAO kann nur als abschließende Aufzählung derjenigen Berufe verstanden werden, mit deren Angehörigen ein Rechtsanwalt sich einer Berufsausübungsgesellschaft verbinden darf; eine erweiternde Auslegung kommt nicht in Betracht.

  4. Die gesetzliche Ausgestaltung der Verbindung zur gemeinschaftlichen Berufsausübung von Rechtsanwälten mit Angehörigen anderer Freier Berufe in § 59 a Abs. 1 BRAO ist mit Art. 12 Abs. 1, 9 Abs. 1 und 3 Abs. 1 GG unvereinbar, soweit sie die berufliche Verbindung von Rechtsanwälten mit Ärzten oder Apothekern nicht zulässt. 

Leitsatz der Redaktion dr NJW

 

UWG § 5 Abs. 2 Nr. 3

Keine Irreführung mit dem Hinweis „Fachanwälte für“

OLG Hamm, Urt. v. 7.5.2013 – 4 U 192/12 = BeckRS 2013, 14748 Fundstelle: NJW-Spezial 2013, S. 670

Nur wenn auf Grund der konkreten Ausgestaltung des Briefkopfes Missverständnisse hinsichtlich der Qualifikation der aufgeführten Anwälte aufkommen können, besteht eine Pflicht zur Zuordnung der jeweiligen Qualifikation.

Leitsatz des Autors NJW Spezial

Anmerkung:
Dem Gericht lag ein anwaltlicher Briefbogen zur Beurteilung vor, in dem in der rechten Randspalte zunächst neun Rechtsanwälte namentlich aufgeführt wurden. Sodann schlossen sich nach einem vergleichsweise großen Absatz nähere Angaben zum Kanzleisitz der Rechtsanwälte unter Angabe von Telefon, Telefax, E-Mail und Homepage an. Nach einem erneuten deutlichen Absatz wurden unter der Voranstellung „Fachanwälte für“ acht Fachanwaltschaften aufgelistet, ohne dass eine Personenzuordnung dieser zu den zuvor genannten Rechtsanwälten erfolgte. Die Aufzählung der Fachanwaltschaften wurde abgeschlossen durch den Hinweis „finden Sie unter www. … .de, der den Verweis auf die Homepage der Anwaltskanzlei darstellte.

Nach Auffassung des OLG wird durch diese Aufzählung der Fachanwaltsqualifikationen nicht der Eindruck hervorgerufen, dass sämtliche der genannten Rechtsanwälte über zumindest eine der aufgeführten Fachanwaltsqualifikationen verfügen oder gar der auf dem Briefbogen unterzeichnende Rechtsanwalt in der jeweiligen Materie des Schreibens über eine Fachanwaltsqualifikation verfüge. Denn die gewählte deutliche absatzweise Darstellung gebe in in sich abgeschlossenen Abschnitten nur Auskunft über die für die Sozietät tätigen Rechtsanwälte und über die Bandbreite der Qualifikation der Sozietät als solche. Es erschließe sich dem Betrachter durch die gewählte Darstellung, dass er die jeweilige Zuordnung der Fachanwaltschaften erst auf der genannten Internetseite finden könne. Er könne bis dahin allenfalls davon ausgehen, dass in der Sozietät jedenfalls Fachanwälte für die aufgeführten Fachgebiete tätig seien. Eine Irreführung liege deshalb nicht vor.

BRAO § 43 c; FAO § 5 Abs. 1, Abs. 4; FAO a. F. § 5 S. 1 u. 3; GG Art. 12 Abs. 1, 20 Abs. 3

Gewichtung von Fallzahlen für Fachanwaltstitel

BGH, Urt. v. 08.04.2013 – AnwZ (Brfg) 54/11 (AnwGH Niedersachsen) Fundstelle: NJW 2013, S. 1599 ff.

  1. Die Gewichtungsregelung des § 5 Abs. 4 FAO ist keine Ausnahmebestimmung; jeder eingereichte Fall ist darauf zu prüfen, ob eine Minder- oder Höhergewichtung angezeigt ist.

  2. § 5 Abs. 1 FAO geht von dem Grundsatz aus, dass der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen schon mit dem Nachweis der vorgegebenen Fallzahlen aus den betreffenden Bereichen des jeweiligen Fachgebiets belegt ist; soll hiervon abgewichen werden, müssen tragfähige Anhaltspunkte vorliegen, welche die zuverlässige Beurteilung zulassen, dass der zu beurteilende Fall außerhalb der Bandbreite eines durchschnittlichen Falls liegt.

  3. Eine – auch erhebliche - Mindergewichtung ist vorzunehmen, wenn Wiederholungsfälle eng miteinander verknüpft sind, etwa weil ihnen im Wesentlichen derselbe Lebenssachverhalt zu Grunde liegt oder sie Teil eines Verfahrensverbundes sind (im Anschluss an Senat, FamRZ 2009, 1320 = BeckRS 2009, 12395 Rdnrn. 21, 30 f.).

  4. Die Entscheidung der Rechtsanwaltskammer über die Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung (§ 43 c Abs. 1 BRAO) ist auch in Bezug auf die Höher- oder Mindergewichtung rechtlich gebunden und unterliegt einschließlich der ihr vorausgehenden Würdigung des Fachausschusses (§ 43 c Abs. 2 BRAO) in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht grundsätzlich uneingeschränkt der richterlichen Nachprüfung (im Anschluss an Senat, NJW 1997, 1307; NJW 2003, 741).

  5. Die Gewichtungsregelung des § 5 Abs. 4 FAO steht mit den verfassungsrechtlichen Anforderungen in Einklang.

Leitsatz des Gerichts

BRAO §§ 43 c Abs. 4 S. 2, 59 b; FAO § 15 Abs. 1, Abs. 2; VwGO §§ 112 e S. 2, 113 Abs. 1 S. 1

Zulässiges Nachreichen von Fortbildungsnachweisen für Fachanwälte

BGH, Urt. v. 08.04.2013 – AnwZ (Brfg) 16/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 2364 f.

  1. Die Erfüllung der Fortbildungspflicht nach § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO, § 15 Abs. 1 und Abs. 2 FAO steht erst am Ende des betreffenden Jahres fest. Die Anwaltskammer kann jedoch im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens auch später eingetretene Umstände berücksichtigten, etwa eine Nachholung der versäumten Fortbildung.

  2. § 15 Abs. 3 FAO begründet zwar eine „Bringschuld“ des Fachanwalts, die Erfüllung seiner Fortbildungspflicht nachzuweisen. Die Nachweise unterliegen aber keiner Ausschlussfrist und können daher im behördlichen und gerichtlichen Verfahren nachgereicht werden; zu berücksichtigen ist der gesamte bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Streitstoff (§ 112 c Abs. 1 S. 1 BRAO, § 108 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

  3. Der Verstoß gegen die aus § 15 Abs. 3 FAO folgende Pflicht, die Erfüllung der Fortbildungspflicht unaufgefordert nachzuweisen, rechtfertigt für sich genommen nicht den Widerruf der Erlaubnis den Fachanwaltstitel zu führen, nach § 43 c Abs. 4 S. 2 BRAO.

Leitsatz der Redaktion der NJW-Spezial

 

FAO § 5 Abs. 1 lit. f

Anrechnung von „Zweitverteidigungen“ für Fachanwaltstitel

BGH, Urt. v. 11.3.2013 – AnwZ (Brfg) 24/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 2762

Liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass die Mitarbeit an Fällen nur mit Blick auf die erforderliche Mindestfallzahl erbracht wurde, verlangt die Fachanwaltsordnung eine geeignete Glaubhaftmachung der persönlichen und weisungsfreien Bearbeitung.

Leitsatz der Redaktion der NJW

 

 

UWG §§ 5 Abs. 1 S. 2, 4 Nr. 11; BRAO § 43 b, BORA § 6 Abs. 1; GG Art. 12

Keine irreführende oder unsachliche Werbung mit „Online-Scheidung“

OLG Hamm, Urt. v. 07.03.2013 – 4 U 162/12 Fundstelle: NJW 2013, S. 2038 ff.

  1. Die Aussage “Scheidung online → spart Zeit, Nerven und Geld“ auf der Internetseite eines Anwalts ist jedenfalls dann nicht irreführend, wenn die Art und Weise, wie Kosten gespart werden können, im Folgesatz hinreichend erläutert wird.
  2. In dieser Aussage ist auch keine unsachliche Werbung zu sehen, mit der der Anwalt gegen § 43 b BRAO, § 6 BORA verstößt. Eine solche Wirkung ist ungeachtet einer damit verbundenen Anlockwirkung jedenfalls dann erlaubt, wenn sie – wie hier – keine reklamehafte, gleichsam „marktschreierische“ Gestalt annimmt und auch nicht geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität der Anwaltschaft zu beeinträchtigen.
  3. Die Darstellung eines online eingeleiteten Scheidungsverfahrens als formalisiertes Verfahren in neun Schritten ist weder irreführend noch unsachlich, wenn sie wie eine mündliche Beratung wirkt, inhaltlich nicht zu beanstanden ist und dabei auch nicht den Eindruck erweckt, dass eine anwaltliche Beratung in keinem Fall stattzufinden braucht.

    Leitsatz des Gerichts

Unterkategorien

Seite 26 von 54