BRAO §§ 113, 116; StPO § 305 S. 1; BORA §§ 12 Abs. 1, 14 S. 1

Kanzleidurchsuchung im anwaltsgerichtlichen Verfahren

OLG Rostock, Beschl. v. 20.09.2012 – AGH 5/12 (I/3) Fundstelle: NJW 2013, S. 484 ff.

Die Anordnung der Durchsuchung von Kanzleiräumen ist unverhältnismäßig, sofern die mit der Durchsuchungsanordnung bezweckten Erkenntnisse auch ohne die Durchsuchung hätten erlangt werden können; dies gilt insbesondere, wenn zur Erhärtung des Verdachts, der angeschuldigte Rechtsanwalt habe gegen Berufspflichten verstoßen, Handakten vorgelegt und Mitarbeiter der Kanzlei oder gegnerische Anwälte hätten befragt werden können.

Leitsatz der Redaktion der NJW

BRAO § 14 Abs. 2 Nr. 7

Weitere Tätigkeit eines Einzelanwalts trotz Vermögensverfalls

BGH, Beschl. v. 05.09.2012 – AnwZ (Brfg) 26/12 (AnwGH Hamm) Fundstelle: NJW 2013, S. 615

1.   Die Zulassung eines Rechtsanwalts ist nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO trotz Vermögensverfalls nicht zu widerrufen, wenn dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Die weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts setzt regelmäßig voraus, dass er in einer Anwaltssozietät angestellt ist, die den Schutz der Interessen der Rechtsuchenden vertraglich und organisatorisch sicherstellt; insbesondere muss gewährleistet sein, dass der Rechtsanwalt nicht unkontrolliert mit Mandantengeldern in Berührung kommt.

2.   Die Tätigkeit des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts als freier Mitarbeiter einer Anwaltssozietät unter Beibehaltung seiner bisherigen Kanzleiräume gewährleistet nicht die notwendige effektive Kontrolle der anwaltlichen Tätigkeit.

3.   Auf das fortgeschrittene Alter des Rechtsanwalts zurückzuführende Schwierigkeiten, eine Anstellung in einer Anwaltssozietät zu finden, sind nicht geeignet, das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO schlüssig in Frage zu stellen.

 

Leitsatz der Redaktion der NJW

1.   Die Zulassung eines Rechtsanwalts ist nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO trotz Vermögensverfalls nicht zu widerrufen, wenn dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Die weitere Tätigkeit des Rechtsanwalts setzt regelmäßig voraus, dass er in einer Anwaltssozietät angestellt ist. die den Schutz der Interessen der Rechtsuchenden vertraglich und organisatorisch sicherstellt; insbesondere muss gewährleistet sein, dass der Rechtsanwalt nicht unkontrolliert mit Mandantengeldern in Berührung kommt.1

 

2.   Die Tätigkeit des in Vermögensverfall geratenen Rechtsanwalts als freier Mitarbeiter einer Anwaltssozietät unter Beibehaltung seiner bisherigen Kanzleiräume gewährleistet nicht die notwendige effektive Kontrolle der anwaltlichen Tätigkeit.1

 

3.   Auf das fortgeschrittene Alter des Rechtsanwalts zurückzuführende Schwierigkeiten, eine Anstellung in einer Anwaltssozietät zu finden, sind nicht geeignet, das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO schlüssig in Frage zu stellen.1

 

BGH, Beschl. v. 05.09.2012 – AnwZ (Brfg) 26/12 (AnwGH Hamm)

Fundstelle: NJW 2013, S. 615

BGH, Urt. v. 14.08.2012 – WpSt (R) 1/12 (KG) Fundstelle: NJW 2012, S. 3251 ff.

Nichtzahlung von Kammerbeiträgen und Geldbußen als einheitlich zu bewertende Berufspflichtverletzung

WPO §§ 61 Abs. 1 Nr. 1, 67, 68 Abs. 1 Nr. 1; BRAO § 43; StBerG § 57; StPO § 264

1.    Die Nichtbezahlung einer wegen einer Berufspflichtverletzung verhängten Geldbuße begründet regelmäßig keine gesondert zu ahndende Berufspflichtverletzung.

2.    Der Grundsatz der einheitlichen Pflichtverletzung im berufsgerichtlichen Verfahren gebietet die Einbeziehung erkennbar sachlich und zeitlich zusammenhängender Pflichtverletzungen in ein gerichtliches Verfahren. Nach berufsgerichtlicher Verurteilung hindert dies die spätere Ahndung so zusammenhängender Pflichtverletzungen in einem neuen Verfahren.

 

Leitsatz des Gerichts

BRAO §§ 43, 43 b; BORA §§ 8, 9; BORA a. F. §§ 8, 9

Außengesellschaft einer doppelstöckigen Sozietät

BGH, Urt. v. 12.07.2012 – AnwZ (Brfg) 37/11 (AnwGH Nordrhein-Westfalen) Fundstelle: NJW 2012, S 3102 ff.

1.    Die Verwendung der Bezeichnung Sozietät durch einen Zusammenschluss von Rechtsanwälten, die keine Sozietät in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts bilden, ist keine unzulässige Irreführung der Rechtsuchenden i. S. des § 43 b BRAO, wenn die Beauftragung der zusammengeschlossenen Rechtsanwälte dem Rechtsverkehr im Wesentlichen die gleichen Vorteile bietet wie die Mandatierung einer Anwaltssozietät (Abkehr von Senat, BGHSt 37, 220 [223 ff.] = NJW 1991, 49).

 

2.    Die § 43 b BRAO konkretisierende Bestimmung des § 8 BORA a. F. erfasst als Zusammenarbeit „in sonstiger Weise“ nicht nur die im Klammerzusatz genannten klassischen Fallgestaltungen einer Außen- (=Schein-)Sozietät (Anstellungsverhältnis, freie Mitarbeit), sondern auch solche Formen der Zusammenarbeit, in denen sich selbstständige Rechtsanwälte oder rechtsfähige Sozietäten als Mitglieder einer Außen- (=Schein-)Sozietät gerieren.

 

Leitsatz des Gerichts

BRAO §§ 32 Abs. 1 S. 1, 43 c Abs. 1 S. 1; VwVfG § 43 Abs. 2; FAO § 3

Untergang einer Fachanwaltsbezeichnung bei Widerruf der Zulassung ohne gesonderten Widerruf der Fachanwaltserlaubnis

BGH, Urt. v. 02.07.2012 – AnwZ (Brfg) 57/11 Fundstelle: bisher nicht veröffentlicht

  1. Die Erlaubnis zur Führung einer Fachanwaltsbezeichnung entfällt mit der Bestandskraft des Zulassungswiderrufs zur Rechtsanwaltschaft, ohne dass es einen gesonderten Widerruf der Fachanwaltserlaubnis bedarf.
  2. Eine erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft führt nicht zum Wiederaufleben der Fachanwaltserlaubnis.
  3. Eine erneute Erteilung der Fachanwaltserlaubnis ohne Erfüllung der Voraussetzungen nach der FAO oder unter erleichterten Voraussetzungen findet in der FAO keine Grundlage.

Leitsatz des Vefassers des KammerReports

BRAO § 58

Kein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht in Personalakten

AnwGH Celle, Urteil v. 11.06.2012 – AGH 24/11 Fundstelle: NJW-Spezial 2012, S. 639

Das Akteneinsichtsrecht in die Personalakten steht einem Anwalt auch in den Geschäftszeiten der Rechtsanwaltskammer nicht jederzeit zu.

FAO §§ 4 Abs. 3, 7

Das Fachgespräch als (nur) ergänzende Beurteilungsgrundlage

BGH, Beschl. v. 30.05.2012 - AnwZ (Brfg) 3/12 Fundstelle: NJW-Spezial 2012, S. 606

Das Fachgespräch darf nicht der eigenständigen Prüfung der fachlichen Qualifikation eines Bewerbers dienen, sondern hat lediglich als ergänzende Beurteilungsgrundlage für die Fälle Bedeutung, in denen die schriftlichen Unterlagen nicht ausreichen, der Nachweis im Rahmen eines Fachgesprächs aber noch aussichtsreich erscheint.

 

Leitsatz des Gerichts

VwGO § 42

Kein Anspruch auf Tätigwerden einer Rechtsanwaltskammer

VG Köln, Gerichtsbescheid vom 24.05.2012 – 1 K 4750/11 Fundstelle: NJW Spezial 2012, S. 414

Einem Beschwerdeführer, der gegenüber der Rechtsanwaltskammer einen Berufsverstoß eines Anwalts rüge, steht kein Klagerecht auf die Vornahme bestimmter Handlungen zu.

Leitsatz des Gerichts

BGB §§ 203, 675 Abs. 1; ZPO § 287; HGB § 128; BRAO §§ 51 a Abs. 2 S. 1; 59 a Abs. 1 S. 1; BRAO a. F. § 51 b

Akzessorische Haftung berufsfremder Sozien einer gemischten Anwaltssozietät  für berufliche Fehler

BGH, Urt. v. 10.05.2012 – IX ZR 125/10 (OLG Düsseldorf) Fundstelle: NJW 2012, S. 2435 ff.

 

1.   Eine Rechtsanwaltssozietät ist auch dann verpflichtet, über die Erfolgsaussichten eines von der Mandantin beabsichtigten Rechtsstreits zu belehren, wenn das Mandat von einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung erteilt worden ist, deren Geschäftsführer und Gesellschafter selbst Rechtsanwälte und Mitglieder der beauftragten Sozietät sind. Auch in diesem Fall kann vermutet werden, die Mandantin hätte sich bei pflichtgemäßer Belehrung beratungsgerecht verhalten und wäre dem anwaltlichen Rat gefolgt.

2.   Wird ein Anwaltsvertrag mit einer Sozietät geschlossen, der neben Rechtsanwälten auch Steuerberater angehören, so haften für einen Regressanspruch wegen Verletzung anwaltlicher Beratungspflichten auch diejenigen Sozien persönlich, die selbst nicht Rechtsanwälte sind.

Leitsatz des Gerichts

BRAO § 49 b Abs. 2; RVG §§ 4 a, 4 b; BGB §§ 134, 138 Abs. 1

Prozessfinanzierungsvertrag mit Anwälten als Umgehung des Verbots von Erfolgshonoraren

OLG München, Schlussurt. v. 10.05.2012 – 23 U 4635/11 Fundstelle: NJW 2012, S. 2207 ff. Fundstelle: NJW 2012, S. 2207 ff.

Ein Prozessfinanzierungsvertrag stellt eine unzulässige Umgehung des Verbots von Erfolgshonoraren nach § 49 b Abs. 2 BRAO dar, wenn die mit der Führung des Prozesses mandatierten Rechtsanwälte mit der prozessfinanzierenden GmbH eine stille Gesellschaft gegründet haben und die Erfolgsbeteiligung ohne Auskehrung an die prozessfinanzierende GmbH unmittelbar unter den Rechtsanwälten als stillen Gesellschaftern aufgeteilt wird.

Leitsatz des Gerichts

ZPO §§ 7 Abs. 1 S. 1, 519 Abs. 4; BRAO §§ 13, 14 Abs. 4, 150, 155, 156 Abs. 2

Wirksamkeit der Berufungseinlegung nach Berufsverbot

BGH, Beschl.  v. 24.04.2012 – VIII ZB 111/11 (LG Stuttgart) Fundstelle: NJW 2012, S. 2592 f.

1.    Zur Wirksamkeit einer Rechtshandlung (hier: Rechtsmitteleinlegung) durch einen Rechtsanwalt, dem die Zulassung durch sofort vollziehbaren, aber noch nicht bestandskräftigen Widerruf entzogen worden ist.

2.    Die Postulationsfähigkeit eines Rechtsanwalts, der entgegen einem Berufs- oder Vertretungsverbot auftritt, endet erst mit seiner Zurückweisung durch das Gericht gem.           § 156 Abs. 2 BRAO.

Nichtamtlicher Leitsatz

Vertretung in eigener Sache

OLG München, Beschl. v. 24.04.2012 - 11 W 627/12

Ein Rechtsanwalt, der sich als Naturalpartei in eigener Sache vor einem auswärtigen Prozessgericht selbst vertritt, hat in aller Regel einen Anspruch auf Erstattung seiner Reisekosten nach den Bestimmungen des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

Ein Rechtsanwalt ist nämlich nicht gehalten, darauf zu verzichten, sich vor einem auswärtigen Prozessgericht selbst zu vertreten und stattdessen einen dort zugelassenen Rechtsanwalt mit seiner Prozessvertretung zu beauftragen. Die Regel, wonach einer auswärtigen rechtskundigen Partei zuzumuten ist, einen Prozessbevollmächtigten am Gerichtsort zu beauftragen, gilt insoweit nicht, weil es im berechtigten und vorrangigen Interesse des Rechtsanwalts liegt, sein Anliegen persönlich im Rechtsgespräch in der mündlichen Verhandlung vorzubringen. Damit ist gleichzeitig die Prozessführung in eigener Sache vor dem auswärtigen Gericht als Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Sinne von § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO anzusehen. Für den zum Insolvenzverwalter bestellten oder in sonstiger Weise als Partei kraft Amtes tätigen Rechtsanwalt gilt dies nicht in gleicher Weise, da hier der Grad der persönlichen Betroffenheit geringer ist als bei einem als Naturalpartei prozessierenden Anwalt.

Nur der Vollständigkeit halber weist der Senat darauf hin, dass der Rechtsanwalt als Kläger in jedem Fall - selbst wenn man die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten nach dem RVG verneinen würde - Anspruch auf Erstattung von Parteireisekosten nach dem JVEG gehabt hätte, da sein persönliche Erscheinen angeordnet wurde.

Ohne Belang ist auch, dass die durch die Einschaltung eines Terminsvertreters anfallenden Kosten deutlich niedriger gewesen wären als die zur Erstattung anstehenden Reisekosten. Die erstattungsfähigen Reisekosten des nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts sind nämlich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht notwendig auf diejenigen Kosten beschränkt, die durch die Beauftragung eines Terminsvertreters entstanden wären.

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