BGB §§ 280 I, 675
Darlegungslast zur fehlenden Beratungsbedürftigkeit des Mandanten
BGH Urteil vom 20.4.2023 - IX ZR 209/21
Fundstelle: NJW 2023, S. 2195

  1. Der Rechtsanwalt ist im Grundsatz gehalten, den Mandanten in die Lage zu versetzen, eine eigenverantwortliche und sachgerechte Entscheidung über den Abschluss eines Vergleichs zu treffen; hierzu hat er den Mandanten über die Vor- und Nachteile des Vergleichs zu beraten.

  2. Die Beratungsbedürftigkeit des Mandanten entfällt erst dann, wenn der Mandant aus anderen Gründen über die Vor- und Nachteile des Vergleichs im Bilde ist; dies hat der Rechtsanwalt darzulegen und zu beweisen.

Leitsatz des Autors der NJW

 

ZPO §§ 130a V, 233 S. 1, 234 II 1
Sicherung der Eingangsbestätigung im beA
BGH Beschluss vom 30.3.2023 - Ill ZB 13/22
Fundstelle: NJW 2023, S. 1737

  1. Zur Glaubhaftmachung des rechtzeitigen Eingangs eines nicht zu den Gerichtsaktengelangten Fristverlängerungsantrags (hier: Berufungsbegründungsfrist) bei Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs.

    Leitsatz des Autors der NJW

  2. Die Erklärung des Prozessbevollmächtigten, er habe „den Zugang bei Gericht laut dem beA-System als, „erfolgreich' zur Kenntnis genommen", ist zur Glaubhaftmachung des Eingangs des Fristverlängerungsantrags ungenügend.

    Leitsatz der Redaktion der NJW

  3. Es kann dahinstehen, ob der Prozessbevollmächtigte verpflichtet ist, die ihm zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten (elektronischer Export, Ausdrucken oder Screenshot) dafür zu nutzen, dass die angeblich von ihm optisch wahrgenommene Eingangsbestätigung dauerhaft auch für Dritte lesbar erhalten bleibt.

    Leitsatz der Redaktion der NJW

 

ZPO § 130a Abs. 5 Satz 2, § 233 Satz 1 (B, Fd, Gc), § 520
Inhaltskontrolle der übermittelten Schriftsätze über beA
BGH, Beschluss vom 21. März 2023 - VIII ZB 80/22 - LG Berlin
AG Charlottenburg


Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes (hier: Berufungsbegründung) über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA)  erfordert auch die Prüfung anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens, ob sich die erhaltene automatisierte Eingangsbestätigung gemäß § 130a Abs. 5 Satz 2 ZPO  auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte (im Anschluss an BGH, Beschlüsse vom 17. März 2020 - VI ZB 99/19, NJW 2020, 1809 Rn. 16; vom 20. September 2022 - XI ZB 14/22, NJW 2022, 3715 Rn. 9 f.).


Leitsatz des Gerichts

ZPO §§ 130a V 2, 233 S. 1, 520
Vergabe eines sinnvollen Namens der per beA zu übermittelnden Datei
BGH Beschluss vom 21.3.2023 - VIII ZB 80/22
Fundstelle: NJW 2023, S. 1668

Die Kontrolle der ordnungsgemäßen Übermittlung eines fristgebundenen Schriftsatzes (hier: Berufungsbegründung) über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfordert auch die Prüfung anhand des zuvor sinnvoll vergebenen Dateinamens, ob sich die erhaltene automatisierte Eingangsbestätigung gem. § 130a V 2 ZPO auf die Datei mit dem Schriftsatz bezieht, dessen Übermittlung erfolgen sollte (im Anschluss an BGH NJW 2020, 1809 Rn. 16; NJW 2022, 3715 Rn. 9 f.).

Leitsatz des Autors der NJW

StGB § 266a I, II
Abhängige Beschäftigung von Rechtsanwälten und „Freier Mitarbeitervertrag“
BGH Urteil vom 8.3.2023 - 1 StR 188/22
Fundstelle: NJW 2023, S. 2357

  1. Für die Abgrenzung von sogenannten scheinselbstständigen Rechtsanwälten und freien Mitarbeitern einer Rechtsanwaltskanzlei ist das Gesamtbild der Arbeitsleistung maßgebend; soweit die Kriterien der Weisungsgebundenheit und Eingliederung wegen der Eigenart der Anwaltstätigkeit im Einzelfall an Trennschärfe und Aussagekraft verlieren, ist vornehmlich auf das eigene Unternehmerrisiko und die Art der vereinbarten Vergütung abzustellen.

  2. Beitragszahlungen von Schwarzarbeitern und illegal Beschäftigten aufgrund einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung lassen nicht schon die Tatbestandsmäßigkeit des § 266a I und II StGB entfallen, sondern sind erst auf der Ebene der Strafzumessung zu berücksichtigen.


Leitsatz des Autors der NJW

StPO § 329 I 1, II 1
Anforderungen an Vertretungsvollmacht für Berufungshauptverhandlung
BGH Beschluss vom 24.1.2023 - 3 StR 386/21
Fundstelle: NJW 2023, S. 1231 ff.


Eine Erklärung, mit welcher der Angeklagte dem Verteidiger Vollmacht zur Vertretung, auch im Fall der Abwesenheit des Angeklagten, in allen Instanzen - ohne  ausdrückliche Bezugnahme auf die Abwesenheitsvertretung in der Berufungshauptverhandlung – erteilt hat, genügt den Anforderungen der in § 329 I 1, II 1 StPO  vorausgesetzten Vertretungsvollmacht.


Leitsatz der Redaktion der NJW

ZPO §§ 130a III, VI, 233 S. 1
Qualifizierte elektronische Signatur auf Anlage zur Berufungsschrift
BGH Beschluss vom 19.1.2023 - V ZB 28/22
Fundstelle: NJW 2023, S. 1587

Die qualifizierte elektronische Signatur der als Anlage zur Berufungsschrift übersandten Abschrift des angefochtenen Urteils ersetzt nicht die qualifizierte elektronische Signatur der über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach übersandten Berufungsschrift.

Ist eine nicht auf dem sicheren Übermittlungsweg bei Gericht eingereichte Berufung nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, ist das Berufungsgericht - entsprechend den Grundsätzen über das Fehlen der Unterschrift -  lediglich im Rahmen des ordnungsgemäßen Geschäftsgangs verpflichtet, die Partei darauf hinzuweisen und ihr gegebenenfalls Gelegenheit zu geben, den Fehler vor Ablauf der Berufungsfrist zu beheben. § 130a VI ZPO gilt für Signaturfehler nicht.

Leitsatz des Autors der NJW

 

ZPO § 569 Abs. 2 i. V. m. ZPO § 130 d
Pflicht zur Nutzung des beA für anwaltlichen Insolvenzverwalter
BGH, Beschluss vom 24.11.2022
Fundstelle: NJW-Spezial 2023, S. 94


Legt ein zur Rechtsanwaltschaft zugelassener Insolvenzverwalter Rechtsmittel im Insolvenzverfahren ein, ist dieser zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet.


Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

ZPO § 130d S. 1; InsO § 4 S. 1
Elektronische Übermittlung durch anwaltlichen Insolvenzverwalter – Rechtsmittel
BGH Beschluss vom 24.11.2022 - IX ZB 11/22
Fundstelle: NJW 2023, S. 525 ff.


Ein anwaltlicher Insolvenzverwalter ist jedenfalls dann zur elektronischen Übermittlung von Schriftsätzen an das Gericht verpflichtet, wenn er Rechtsmittel im Insolvenzverfahren einlegt.


Leitsatz der Redaktion der NJW

GmbHG § 37 Abs. 1, BRAO § 46 Abs. 2 bis 5
Tätigkeit eines Verbandsgeschäftsführers als Syndikusanwalt
BGH, Urteil vom 24.10.2022
Fundstelle: NJW-Spezial 2023, S. 30

Der Geschäftsführer eines Verbands kann nur dann als Syndikusrechtsanwalt zugelassen werden, wenn ihm die erforderliche Weisungsunabhängigkeit in der Satzung garantiert wird.


Leitsatz des Autors der NJW-Spezial

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