FAO § 5 S. 3

Mindergewichtung von Fällen nach der FAO

BGH, Beschl. v. 20.04.2009 – AnwZ (B) 48/08 = BeckRS 2009, 12395 Fundstelle: NJW-Spezial 2009, S. 431 f.

Bei Fällen, die eine im Wesentlichen gleich gelagerte rechtliche Thematik haben, kann eine erhebliche Mindergewichtung gerechtfertigt sein. Hat die gleich gelagerte Problematik so geringes Gewicht, dass sie als Nachweis für die praktischen Fähigkeiten im Fachgebiet kaum dienlich ist, kann eine Mindergewichtung mit einem Faktor von höchsten 0,2 gerechtfertigt sein.

Leitsatz des Gerichts

BRAO §§ 43 c Abs. 1, 59 b Abs. 2; FAO §§ 1 S. 2, 2 Abs. 1, § 5

Fachanwaltsbezeichnung – Nachweis praktischer Erfahrungen während Kindererziehung

Die Regelung, dass zur Erlangung einer Fachanwaltsbezeichnung die nachzuweisenden praktischen Erfahrungen innerhalb der letzten drei Jahre vor Antragstellung gesammelt sein müssen, ist mit höherrangigem Recht vereinbar. Dies gilt auch hinsichtlich der besonderen Belange und Schutzwürdigkeit von im Anwaltsberuf tätigen Eltern, wenn insbesondere von der Rechtsanwaltskammer die Regelzeit um weitere neun Monate der Elternzeit verlängert wurde.

Leitsatz der Redaktion der NJW

 

a)      um Zeiten eines Beschäftigungsverbotes nach den Mutterschutzvorschriften;

b)      um Zeiten der Inanspruchnahme von Elternzeit;

c)      um Zeiten, in denen der Antragsteller wegen besonderer Härte in seiner anwaltlichen Tätigkeit eingeschränkt war. Härtefälle sind auf Antrag und bei entsprechendem Nachweis zu berücksichtigen.

Eine Verlängerung ist auf 36 Monate beschränkt. Sofern das Bundesministerium der Justiz diesen Beschluss nicht beanstandet, tritt dieser neu eingefügte § 5 Abs. 3 FAO mit dem 1. Tag des 3. Monats in Kraft, der auf die Veröffentlichung in den BRAK-Mitteilungen folgt.

 

Rechtsanwalt Benedikt Trockel

EMRK Art. 8, 35 Abs. 3, 41

Durchsuchung einer Anwaltskanzlei

EGMR (I. Sektion), Urt. v. 09.04.2009 – 19856/04 (Kolesnichenko/Russland)

1.      Der Begriff „Wohnung“ in Art. 8 EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) umfasst nicht nur die Privatwohnung, sondern auch Geschäftsräume, insbesondere die Kanzlei eines Rechtsanwalts.

2.      Die Verfolgung und Behinderung von Anwälten berührt den Kernbereich des Konventionssystems. Deswegen muss die Durchsuchung einer Anwaltskanzlei besonders sorgfältig geprüft werden.

3.      Die Durchsuchung ist ein Eingriff in das in Art. 8 EMRK geschützte Recht auf Wohnung. Bei der Prüfung, ob sie „in einer demokratischen Gesellschaft notwendig“ i. S. von Art. 8 Abs. 2 EMRK ist, stellt der Gerichtshof insbesondere darauf ab, ob es im staatlichen Recht wirksame Garantien gegen Missbrauch und Willkür gibt.

4.      Bei Durchsuchung einer Anwaltskanzlei müssen unabhängige Zeugen zugezogen werden, die beurteilen können, ob geschützte Unterlagen eingesehen und beschlagnahmt werden. Wenn sie keine juristische Ausbildung haben, sind sie keine geeigneten Zeugen.

5.      Bei der Beurteilung der Notwendigkeit berücksichtigt der Gerichtshof die Auswirkungen einer Durchsuchung auf die Arbeit und den Ruf eines Anwalts.

6.      Die Durchsuchungsanordnung muss, soweit das praktisch möglich ist, begrenzt und so gefasst sein, dass sie die Auswirkungen in angemessenen Grenzen hält.

 

Leitsatz des Bearbeiters der NJW

GG Art. 3 Abs. 1, 12 Abs. 1; BORA § 10 Abs. 1 S. 3

Kurzbezeichnung auf Briefbögen eines Rechtsanwalts

BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 24.03.2009 – 1 BvR 144/09 Fundstelle: NJW 2009, S. 2587 f.

Das Benennungsgebot in § 10 Abs. 1 S. 3 BORA ist mit Art. 12 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Leitsatz der Redaktion der NJW

BRAO § 6; VwVfG § 51

Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts mit ausländischem Hochschulabschluss

BGH, Beschl, v. 16.03.2009 – AnwZ (B) 31/08 (AnwGH Sachsen) Fundstelle: NJW 2009, S. 1822 ff.

 

 

1.    Die bestandskräftige Zurückweisung eines Antrags auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft durch eine Rechtsanwaltskammer steht auch einem erneuten Antrag an eine andere Rechtsanwaltskammer entgegen, wenn sich die Sach- und Rechtslage nicht verändert hat (Fortführung von Senat, NJW-RR 2009, 138).

2.    Der Zugang zum Beruf des Rechtsanwalts richtet sich nicht nach der Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 07.09.2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen (ABIEU Nr. L 255, S. 22), sondern nach den besonderen EG-Richtlinien über den freien Dienstleistungsverkehr der Rechtsanwälte und die ständige Ausübung des Rechtsanwaltsberufs in anderen Mitgliedsstaaten.

3.    Aus der Niederlassungsfreiheit kann sich zu Gunsten desjenigen, der in einem Mitgliedsstaat einen Hochschulabschluss erworben hat, unter bestimmten Bedingungen ein Anspruch auf Zugang zur Weiterqualifikation ergeben (vgl. EuGH, Slg. 2004, I-13467 = EuZW 2004, 61 – Morgenbesser). Demjenigen, der in einem Mitgliedsstaat einen der ersten juristischen Prüfung vergleichbaren Abschluss erworben hat, eröffnet diese Freiheit aber auch nach der genannten Entscheidung keinen unmittelbaren Zugang zum Rechtsanwaltsberuf.

Leitsatz des Gerichts

 

 

EStG §§ 19 Abs. 1 Nr. 1, 42 d I Nr. 1

Übernahme der Beiträge für die Mitgliedschaft im Deutschen Anwaltverein als Arbeitslohn

BFH, Urt. v. 12.02.2009 – VI R 32/08 (FG Sachsen)

Die Übernahme der Beiträge für die Mitgliedschaft einer angestellten Rechtsanwältin im Deutschen Anwaltverein führt zu Arbeitslohn, wenn der Arbeitgeber nicht im überwiegend eigenbetrieblichen Interessen handelt.

Leitsatz des Gerichts

BORA § 7 Abs. 2

„Rechtsanwalt für …“

 AnwGH Schleswig-Hostein, Beschl. v. 05.02.2009 - 2 AGH 6/07 Fundstelle: bisher nicht veröffentlicht

Die Bezeichnung „Rechtsanwalt für Arbeitsrecht“ ist gemäß § 7 Abs. 2 BORA unzulässig, da sie die Gefahr einer Verwechslung mit dem „Fachanwalt für Arbeitsrecht“ begründet und irreführend ist.

Leitsatz des Rezensenten des KammerReports

 

 

Rechtsanwalt Benedikt Trockel

 

 

 

UWG §§ 3, 5, 8

Anwaltszertifizierung

LG Köln, Urt. v. 03.02.2009 – 33 O 353/08 – nicht rechtskräftig Fundstelle: bisher nicht veröffentlich

Die Verwendung des DEKRA-Siegels „Zertifiziert im ….“ in der werblichen Präsentation von Rechtsanwälten ist irreführend.

Leitsatz des Bearbeiters des KammerReports

Anmerkung:

Seit November 2008 bietet die DEKRA Certification GmbH in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Anwalts Zentrum für Rechtsanwälte eine Zertifizierung für das Rechtsgebiet des Arbeitsrechts an. Die gegen die Versendung von Werbeschreiben zu dieser Zertifizierung erwirkte einstweilige Verfügung wurde nunmehr durch das LG Köln bestätigt, da das vergebene Zertifikat in der werblichen Präsentation von Rechtsanwälten irreführend sei. Denn das Zertifikat suggeriere den angesprochenen Verkehrskreisen, dass das DEKRA-Siegel dem damit werbenden Anwalt auf der Grundlage neutraler, allgemein anerkannter Prüfungsbedingungen unter Beteiligung der betroffenen Fachkreise (hier: der Anwaltschaft) erteilt worden sei. Tatsächlich aber seien die Prüfungsbedingungen, die Rechtsanwälte für den Erwerb des Zertifikats erfüllen müssen, allein von dem Antragsgegner unter fachlicher Beteiligung von Hochschullehrern nach eigenem Gutdünken aufgestellt worden. Dies offenbare das von den geprüften Rechtsanwälten zu verwendende Zertifikat in seiner konkreten Form nicht.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; es kann Berufung zum Oberlandesgericht Köln eingelegt werden. Zudem handelt es sich bei diesem Urteil um eine Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes; es kann also ggfls. noch ein Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Köln durchgeführt werden.

GVG § 176; BadWürttAGGVG § 21; BRAO § 59 b Abs. 2 Nr. 6 lit. c; BORA § 20

Zurückweisung des „krawattenlosen“ Nebenklägervertreters als sitzungspolizeiliche Maßnahme

LG Mannheim, Beschl. v. 27.01.2009 – 4 Qs 52/08 Fundstelle: NJW 2009, S. 1094 ff.

1.      Zur Frage des Krawattenzwangs in der Hauptverhandlung in Strafsachen.

Leitsatz des Gerichts

2.      Zur vollständigen Amtstracht eines Rechtsanwalts ist grundsätzlich Krawatte zu tragen.

Leitsatz der Redaktion der NJW

3.      Erscheint ein Rechtsanwalt in unvollständiger Amtstracht, ist bei einer sitzungspolizeilichen Entscheidung über das beanstandete Verhalten die insoweit bestehende, durch divergierende landes- und berufsrechtliche Vorschriften gekennzeichnete, mithin insgesamt unklare bzw. ungeklärte Rechtslage zu Gunsten des Betroffenen zu berücksichtigen.

Leitsatz der Redaktion der NJW

 

 

 

 

BGB § 667

Verwendung zweckbestimmter Gelder eines Dritten durch Rechtsanwalt

BGH, Urt. v. 08.01.2009 – IX ZR 229/07 (OLG Frankfurt a. M.) Fundstelle: NJW 2009, S. 840 ff.

Der Rechtsanwalt, der selbst oder über einen Dritten für seinen in Untersuchungshaft sitzenden Mandanten Gelder einwirbt zu dem Zweck, eine Kaution zu stellen, darf die ihm zu diesem Zweck zur Verfügung gestellten Mittel nicht anderweitig verwenden. Weitergehende Pflichten, etwa zur Sicherung der Rückführung dieser Mittel nach bestimmungsgemäßer Verwendung oder zur längerfristigen Verwaltung, treffen den Rechtsanwalt in der Regel nicht (Abgrenzung zu Senat, NJW 2004, 3630, und NJW-RR 2007, 267).

 

Leitsatz des Gerichts

 

 

BRAO § 43 c Abs. 1 S. 1; FAO §§ 14 a, 2, 4 Abs. 1, 5 Abs. 1 h, 6 Abs. 3, 7 Abs. 1, Abs. 2

Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen – „Fachanwalt für Versicherungsrecht“

AnwGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 08.12.2008 – AnwGH 14/08 Fundstelle: NJW 2009, S. 858 f.1.     Für den Nachweis der besonderen praktischen Erfahrungen ist unter anderem die persönliche und weisungsfreie Bearbeitung von mindestens zehn gerichtlichen Verfahren erforderlich. Dabei genügt nicht die schlichte Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs, die ausschließlich zum Bereich des Haftungsrechts gehört, sondern es muss eine spezifische versicherungsrechtliche Implikation und damit ein entsprechender Bearbeitungsschwerpunkt gegeben sein. Dies ist anzunehmen, wenn die privatversicherungsrechtliche Problematik den jeweiligen Streitgegenstand zumindest geprägt bzw. beeinflusst hat.

 

2.     Nicht gewonnene praktische Erfahrungen können nicht durch ein erfolgreiches Fachgespräch ersetzt werden. Dieses ist nur erforderlich, wenn die vorgelegten Unterlagen trotz ihrer Mangelhaftigkeit so viel an Nachweiskraft beinhalten, dass zu erwarten, jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, der Antragsteller könne durch Beantwortung diesbezüglicher Fragen die für den Ausschuss bestehenden Zweifel und Unklarheiten beheben.

 

Leitsatz des Gerichts

FAO § 24 Abs. 4 S. 3

Nachmeldung von Fällen im gerichtlichen Verfahren zur Fachanwaltsverleihung

AGH Berlin, Beschl. v. 24.11.2008 – 2 AGH 4/08
Fundstelle: noch nicht veröffentlicht

1.  Eine erstmalig im gerichtlichen Verfahren gegen einen abgelehnten Antrag auf Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung vorgelegte Fallliste kann keine Berücksichtigung finden, wenn der Antragsteller eine ihm im Antragsverfahren gem. § 24 FAO gesetzte Nachfrist mehrfach missachtet hat.5

2.  Etwas anderes könnte gelten, wenn der Antragsteller in der Zeit des gerichtlichen Verfahrens neue Fälle bearbeitet hat und diese in das Verfahren einführen möchte.5

 

Leitsatz des Bearbeiters des KammerReports

 

Anmerkung:

Der Antragsteller hatte einen Antrag auf Verleihung einer Fachanwaltsbezeichnung gestellt. Der zuständige Fachanwaltsausschuss teilte dem Antragsteller im Rahmen der Antragsprüfung mit, er beabsichtige, Fälle zu seinen Ungunsten zu gewichten und deshalb würden die erforderlichen Fallzahlen nicht mehr erreicht. Der Antragsteller wurde zur ergänzenden Stellungnahme und Vorlage von Arbeitsproben unter Fristsetzung aufgefordert. Ebenso wurde ihm Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist Fälle nachzumelden.

Nach erfolglosem Fristablauf erteilte der Fachanwaltsausschuss dem Antragsteller eine inhaltsgleiche Auflage unter erneuter Fristsetzung mit dem Zusatz, dass er nach Fristablauf dem Vorstand die Zurückweisung des Antrags empfehlen werde. Nach erfolglosem Ablauf auch dieser Frist wurde dem Antragsteller erneut die Möglichkeit einer Stellungnahme unter Fristsetzung gewährt. Der Antragsteller beantragte sodann eine Fristverlängerung, ohne allerdings innerhalb der verlängerten Frist Stellung zu nehmen. Der Antrag wurde daraufhin abgelehnt.

Hiergegen erhob der Antragsteller unter Beifügung einer erweiterten Fallliste einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der jedoch keinen Erfolg hatte. Der AGH stellt in den Gründen zwar nicht in Abrede, dass Falllisten, die nach Antragstellung vorgelegt werden, grundsätzlich Berücksichtigung finden können. In dem konkreten Fall könne dem Antragsteller aber nicht mehr die Möglichkeit zur Nachmeldung von Fällen eröffnet werden, da der Antragsteller die ihm mehrmals gesetzte Ausschlussfrist unter grobem Verstoß gegen seine Mitwirkungspflichten versäumt habe. Würde in einem solchen Fall anders verfahren, würde das Setzen einer Nachfrist gem. § 24 FAO überflüssig. Es sei aus diesem Grund nicht ersichtlich, weswegen vom gesetzlich geregelten Fall, dass der Nachweis der praktischen Erfahrungen gegenüber der Rechtsanwaltskammer bei Antragstellung erbracht werden müsse, abgewichen werden solle, wenn der Antragsteller eine Ausschlussfrist mehrfach missachte. Etwas anderes könne aber gelten, wenn der Antragsteller in der Zeit des gerichtlichen Verfahrens neue Fälle bearbeitet habe und diese einführen möchte. Dies war vorliegend aber nicht der Fall.

Unterkategorien

Seite 35 von 54