OLG Nürnberg, Urteil vom 10. Juni 2003 – 3 U 588/03 (nicht rechtskräftig) AG Paderborn, U. v. 23. Mai 2003 – 53 C 347/03 (rk)
Anmerkung, mitgeteilt von RA Michael Albers, Paderborn
Ein ewiger Zankapfel zum Thema „Gebühren“ zwischen Anwaltschaft und Rechtsschutzversicherern: Im Rahmen der Verfolgung einer Verkehrsstraftat stellt die Staatsanwaltschaft das strafrechtliche Ermittlungsverfahren ein und verweist die Sache zu einer evt. Verfolgung einer Verkehrsordnungswidrigkeit an die zuständige Verwaltungsbehörde. Handelt es sich im gebührenrechtlichen Sinn um eine Angelegenheit oder sind es solcher zwei? Die Rechtsprechung ist gespalten (vgl. Gerold / Schmidt / v. Eicken / Madert § 105 BRAGO, Anm. 20). Der Verfasser hatte nun mit einem Rechtsschutzversicherer zu tun, der sich diesen Streit wie folgt zu Nutze machen wollte: Im konkreten Fall war das Verfahren zwar an die Ordnungsbehörde weitergeleitet worden, dort jedoch in Vergessenheit geraten. Das Strafverfahren wurde abgerechnet und zwar gem. § 84 Abs. II Nr. 1 BRAGO. Der Versicherer wollte lediglich nach § 84 I BRAGO abrechnen mit dem Argument, wenn doch nach Auffassung eines Teils der Gerichte beide Verfahren eine einheitliche Angelegenheit darstellen, dann kann § 84 II BRAGO auch nur im Fall einer einheitlichen Einstellung sowohl durch StA als auch durch die Verwaltungsbehörde angewandt werden und daran fehle es vorliegend. Jenes wird zwar in der Tat vertreten (vgl. Gerold / Schmidt / v. Eicken / Madert § 105 BRAGO, Anm. 20), jedoch nach Auffassung des Unterzeichners ohne überzeugende Begründung: Einstellungen nach der StPO unterscheiden sich grundsätzlich von Einstellungen nach dem OWiG. Dem rechtspolitischen Ziel des § 84 II BRAGO (Entlastung der Gerichte) wird bereits Rechnung getragen, indem über den Strafvorwurf nicht mehr entschieden werden muß, unabhängig davon, ob ein etwaiger Bußgeldbescheid rechtskräftig wird oder nicht (was häufig der Fall sein wird). Es ist bereits fraglich, ob überhaupt ein einheitlicher Verteidigungsauftrag in Bezug auf ein etwa nachfolgendes verwaltungsbehördliches Verfahren angenommen werden darf. Der Fall kam so zum AG Paderborn, wo der Verfasser aus abgetretenem Recht Klage erhob. Der Versicherer erhob den dargestellten Einwand und berief sich ergänzend auf das Abtretungsverbot des § 17 IV ARB. In seiner Entscheidung [AG Paderborn, Urteil v.23. Mai 2003, 53 C 347/03 (rk.)] führt das Amtsgericht aus, die Abrechnung wäre schon deshalb nicht zu beanstanden weil von zwei Angelegenheiten ausgegangen werden müsse. Gerade der vorliegende Fall belege den Unterschied in den Verfahrensordnungen und damit fehle es an einem einheitlichen Rahmen bei der Verfolgung der Vorwürfe, der für die Annahme einer Angelegenheit erforderlich sei. Auch der Einwand der mangelnden Passivlegitimation fand kein Gehör, da der Rechtschutzversicherer keine Einwände gegen den Versicherungsschutz dem Grunde nach erhoben hat, sondern lediglich wegen der Höhe der Forderung. Die rechtskräftige Entscheidung wird die Kollegen im Gerichtsbezirk freuen. Sie beendet ein altes Streitthema und erleichtert die Durchsetzung von Ansprüchen, wenn der Versicherer lediglich wegen der Gebührenhöhe Beanstandungen erhebt.
OLG Stuttgart, B. v. 20. Mai 2003 – 8 W 130/03 Ohne dass es zu einem Verhandlungstermin gekommen war, stellte das Gericht, nachdem von den Parteivertretern das Einverständnis mit dem gerichtlichen Vergleichsvorschlag erklärt worden war, durch Beschluss fest, dass gem. § 278 Abs. 6 ZPO der Vergleich zustande gekommen sei. In anschließendem Kostenfestsetzungsverfahren wurde dann eine beantragte Verhandlungsgebühr nicht festgesetzt. § 278 Abs. 6 ZPO sei, so das OLG Stuttgart, in § 35 BRAGO nicht als eine der Verfahrenssituationen aufgeführt, die auch ohne mündliche Verhandlung eine Verhandlungs- (oder Erörterungs-)gebühr auslösen würden. § 278 Abs. 6 ZPO sei bewusst nicht in § 35 BRAGO aufgenommen worden, weil diese Vorschrift einen weiteren Weg zu einem vollsteckbaren Titel eröffne und damit eine gerichtliche Entscheidung gerade vermeiden wolle. Eine „Entscheidung“ sei aber die gesetzliche Voraussetzung des Anfalls eine Gebühr nach § 35 BRAGO. Auch für eine entsprechende Anwendung des § 35 BRAGO sei deshalb kein Raum.
(Fundstelle: RVG-Letter 2004, S. 4 f.)
(Fundstelle: NJW 2003, 2027 f.)