OLG Hamm, B. v. 26. November 2001 - 23 W 434/01
Anmerkung, mitgeteilt von RA Torsten Jannack, Dortmund:
Soweit ersichtlich, hat das OLG Hamm in seinem Beschluss vom 26. November 2001 erstmalig zur Frage der Erstattungsfähigkeit der Gebühren aus § 6 BRAGO bei einem im Aktivprozess geführten Rechtsstreit von GbR-Gesellschaftern Stellung genommen, nachdem der BGH in seinem Urteil vom 29. Januar 2001 (NJW 01, 1056 = DB 01, 374 = MDR 01, 459) seine Rechtsprechung zur Parteifähigkeit der GbR geändert hat. Wenngleich dem Beschluss im Ergebnis zuzustimmen ist, ist seine Begründung misslungen.
Bekanntlich erhöht sich gem. § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO insbesondere die Prozessgebühr, wenn der Rechtsanwalt hinsichtlich desselben Gegenstands mehrere Auftraggeber vertritt. Solange die GbR mangels eigener Rechtspersönlichkeit weder klagen noch verklagt werden konnte, nahm die herrschende Meinung eine Gebührenerhöhung entsprechend der Anzahl der auftraggebenden Gesellschafter vor (vgl. zum Streitstand Gerold / Schmidt, BRAGO, § 6 Rz 10 ff. m. w. N.). Dabei war es unerheblich, ob der Rechtsanwalt den Auftrag von allen Gesellschaftern persönlich oder nur von einzelnen Gesellschaftern auch für die anderen erhalten hatte (zu den durch Prozessordnungen bedingten Ausnahmen vgl. Gerold / Schmidt, a. a. O. Rz 12 a m. w. N.). Ihm stand im Innenverhältnis die erhöhte Gebühr zu.
Im Rahmen der Kostenfestsetzung stellte sich dann die Frage, ob es sich bei den nach § 6 BRAGO erhöhten Gebühren um notwendige Kosten der Rechtsverfolgung handelte. Während dies im Passivprozess meist bejaht wurde (Hansens, AnwBl. 01, 581, 583), herrschte im Aktivprozess eine differenzierte Auffassung vor. Jedenfalls bei der Honorarklage von in einer GbR zusammengefassten Rechtsanwälten ließen sich zahlreiche Obergerichte von Argumenten außerhalb der BRAGO leiten. Sie stellten sich auf den Standpunkt, die Anwalts-GbR sei aus dem nachwirkenden Anwaltsvertrag zur kostengünstigsten Durchsetzung ihrer Honorarforderung verpflichtet. Daher könne der mit allen Gesellschaftern klagenden Anwalts-GbR die erhöhte Gebühr nicht zugesprochen werden (OLG Hamm AnwBl. 81, 70; OLG Köln JurBüro 80, 613; OLG Düsseldorf JurBüro 81, 1514).
Da die GbR seit dem BGH-Urteil als in dem Umfang als partei- und rechtsfähig anzusehen ist, in dem sie als Träger von Rechten und Pflichten am Rechtsverkehr teilnimmt, stellt sich auch bezüglich aller anderen BGB-Gesellschaften mehr den je die Frage, ob der unterlegene Beklagte ihnen die von ihrem Rechtsanwalt berechnete Gebühr aus § 6 BRAGO erstatten muss. Denn wenn die (Außen-) Gesellschaft bürgerlichen Rechts ihre Ansprüche im gerichtlichen Verfahren selbst geltend machen kann, ist eine Beauftragung des Rechtsanwalts durch alle Gesellschafter kaum mehr als notwendig anzusehen. Die daraus resultierenden erhöhten Gebühren einer Klage sämtlicher Gesellschafter wären also ebenso zurückzuweisen wie es bei der Anwalts-GbR überwiegende Praxis ist.
Das OLG Hamm geht in seinem Beschluss mit keinem Wort auf diese Problematik ein. Es hält vielmehr die erhöhte Gebühr zugunsten der drei klagenden Gesellschafter einer Architekten-GbR für erstattungsfähig, weil deren Prozessbevollmächtigter im Rechtsstreit drei Gesellschafter vertreten habe. Denn diese und nicht die aus dem Architektenvertrag eigentlich berechtigte GbR hätten als Einzelpersonen den Anspruch im Mahn- und Streitverfahren geltend gemacht.
Damit legt das OLG die Entscheidung darüber, ob die Erhöhung nach § 6 BRAGO zu erstatten ist, scheinbar in die Hände des klägerischen Prozessbevollmächtigten. Trägt er im Mahnbescheid nur die GbR ein, erhält er die einfache Gebühr; trägt er die Gesellschafter ein, verdient er sich bei gleichem Aufwand die Erhöhungsgebühr.
Der Beschluss lässt mithin objektive und sachgerechte Kriterien für die Abgrenzung der Erstattungsfähigkeit vermissen. Der ergänzend erteilte Hinweis auf den Vergleich der Beklagten mit den drei klagenden Architekten beseitigt dieses Dilemma ebenfalls nicht. Denn insoweit übersieht das OLG, dass die Beklagten anders als durch einen Vergleich mit den drei Klägern das mit diesen bestehende Prozessrechtsverhältnis nicht beenden konnten.
Dem OLG hätte sich im Anschluss an Hansens (AnwBl. 01, 581, 583) die Möglichkeit geboten, den Streit mit demselben Ergebnis zu erledigen, ohne sich des Vorwurfs ausgesetzt zu sehen, das Problem nicht erkannt zu haben. Hansens muss zugestimmt werden, dass die durch das BGH-Urteil begründete neue Rechtslage zur Erstattungsfähigkeit der Gebührenerhöhung nicht rückwirkend anwendbar sein kann. Für sämtliche vor dem 29. Januar 2001 erhobenen Ansprüche darf demnach die BGH-Entscheidung keine Rolle spielen. Bis dahin einmal entstandene Gebührenansprüche können durch die Änderung der BGH-Rechtsprechung nicht rückwirkend entfallen, wie sich aus § 13 Abs. 4 BRAGO ergibt.
Ob darüber hinaus eine „Schonfrist“ einzuräumen ist, und wie lange diese zu gewähren wäre (das LG Berlin AnwBl. 02, 114, 115 geht mit Hansens von einer Änderung ab dem 30. April 2001 aus), muss der Rechtsprechung überlassen bleiben.
Das OLG Hamm hat eine Möglichkeit ausgelassen, zur Klärung dieser Fragen beizutragen. Es bleibt zu hoffen, dass es sein Versäumnis bei der nächsten Möglichkeit nachholt und seine grundlegende Haltung zu dem Streit offenbart.
(Mitgeteilt von RA Torsten Jannack, Dortmund)
AnwG Hamm, B. v. 22. November 2001 – AR 5/99
Derjenige, der sich in einem Rügeprüfungsverfahren oder anwaltsgerichtlichen Verfahren selbst verteidigt, erbringe, so das Anwaltsgericht Hamm, keine volle Verteidigerleistung und habe daher keinen Anspruch auf Erstattung von Verteidigergebühren wie bei Verteidigung durch einen anderen von ihm beauftragten Rechtsanwalt. Der Status des Verteidigers und die Stellung des Beschuldigten oder Betroffenen seien, auch in solchen Verfahren, miteinander unvereinbar. Der Verteidiger nehme nicht nur ein durch privatrechtlichen Geschäftsbesorgungsvertrag erteiltes Mandat wahr, sondern werde als unabhängiges – mit eigenen Rechten und Pflichte versehenes – Organ der Rechtspflege grundsätzlich gleichberechtigt neben dem Staatsanwalt tätig. Seine Position sei mit spürbarer Distanz zum Beschuldigten oder Betroffenen hin ausgestattet. Dem Verteidiger seien Beschränkungen auferlegt, die die StPO einem Beschuldigten nicht abverlange. Dies sei anders als im Zivilprozess, wo § 78 Abs. 4 ZPO dem sich selbst vertretenden Rechtsanwalt die vollen Rechte eines Verfahrensbevollmächtigten einräume.