RVG §§ 14 Abs. 1, 34 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; BORA §§ 3, 6 Abs. 1; BRAO § 43 b

Zulässigkeit der Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus

BVerfG, Beschl. v. 19.02.2008 – 1 BvR 1886/06
Fundstelle: RVGreport 2008, S. 159 f.

1.
Die Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus zielt auf die Gewinnung eines konkreten Mandats aus einem zuvor nicht bekannten Beratungsbedarf ab und ist deshalb nicht als unzulässige Werbung um ein Mandat im Einzelfall zu bewerten.

2.
Die Versteigerung einer anwaltlichen Beratung in einem Internet-
auktionshaus ist weder in gebührenrechtlicher Hinsicht (§ 14 RVG) noch wegen etwaiger Verletzung  berufsständischer Verbote berufsrechtswidrig.2

 

3.
Infolge der Freigabe der Vergütung für Beratung in § 34 RVG sind Internetauktionen über anwaltliche Beratungsleistungen nicht deshalb berufswidrig, weil der Rechtsanwalt sein Angebot wirksam nur an den Höchstbietenden richtet.

 

Leitsatz des Verfassers des RVGreport

 

Anmerkung:

Der RA bot Beratungen in dem Internetauktionshaus ebay an, nämlich

– 
zwei Beratungen bis 60 Minuten in familien- und erbrechtlichen Fragen mit Startpreisen von Ä 1,00 bzw. Ä 75,00,

– 
einen Exklusivberatungsservice
(5 Zeitstunden) mit einem Startpreis von Ä 500,00.

 

Die zuständige RAK erteilte dem RA eine Rüge, da sie die Versteigerung von anwaltlichen Dienstleistungen in der Form von Internetauktionen als marktschreierische Werbung für berufsrechtswidrig hielt.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat den RA darin in seinem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt gesehen.

 

a)
Das Angebot anwaltlicher Beratungsleistungen auf der Plattform eines Internetauktionshauses ist eine Werbemaßnahme. Das Verbot des § 43 b BRAO zur Werbung um ein Mandat im Einzelfall schließt aber nicht aus, einen potenziellen Mandanten zu umwerben, wenn noch kein konkreter, dem Rechtsanwalt bekannter Beratungsbedarf besteht. Eine Werbemaßnahme kann auch nicht deswegen unzulässig sein, weil sie sich an Personen richtet, zu denen zuvor kein mandantschaftliches Verhältnis besteht oder bestanden hat. Die Internet-
auktion dient vielmehr dazu, aus dem zuvor nicht bekannten Beratungsbedarf ein konkretes Mandat zu gewinnen. Somit kann die Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus nicht als Werbung um ein Mandat im Einzelfall behandelt werden.

 

b)
Die Versteigerung anwaltlicher Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus ist auch keine unsachliche Werbung.

 

c)
Die Wiedergabe der angebotenen Beratungsleistung mit einem niedrigen Startpreis oder dem aktuellen Höchstgebot ist nicht irreführend wegen der ausdrücklichen Angabe des Preises als „Startpreis“ oder „aktuelles Höchstgebot“.

 

d)
Einer Versteigerung steht auch nicht die gebührenrechtliche Bestimmung des § 14 RVG entgegen, wonach die Vergütung bei Rahmengebühren anhand gesetzlich festgelegter Kriterien vom Rechtsanwalt zu bestimmen ist. Denn dem Rechtsanwalt steht es frei, nach Maßgabe des § 4 RVG eine von den gesetzlichen Gebühren und damit auch eine von § 14 RVG abweichende Honorarvereinbarung zu treffen. Zudem fehlt es inzwischen in zahlreichen Fällen auch an einer Grundlage für die Anwendung des § 14 RVG, weil der Rechtsanwalt durch § 34 Abs. 1 RVG angehalten wird, für einen Rat oder eine Auskunft (Beratung) eine Gebührenvereinbarung mit dem Mandanten zu treffen.

 

e)
Eine Versteigerung von Beratungsleistungen in einem Internetauktionshaus verstößt auch nicht gegen das in § 49 b Abs. 3 S. 1 BRAO geregelte Verbot, dass dem Rechtsanwalt untersagt, für die Vermittlung von Aufträgen eine Provision zu zahlen. Denn die Provision bei Internetauktionen wird nicht für die Vermittlung eines Auftrags geschuldet, sondern lediglich an das Internetauktionshaus für die Zurverfügungstellung des Mediums für die Werbung der Anbieter gezahlt.