Verantwortung für Äußerungen eines Rechtsanwalts im Rahmen eines Mandats
BVerfG, (2. Kammer des Ersten Senats), B. v. 16. Juli 2003 – 1 BvR 801/03 Eine regelmäßige Kontrolle der vom Mandanten mitgeteilten Tatsachen (hier: mit einer Zahlung des Hauptschuldners sei mangels Zahlungsfähigkeit nicht zu rechnen) kann von einem Rechtsanwalt berufsrechtlich nicht verlangt werden.
Als Rechtsanwalt, der mit der Durchsetzung einer Forderung beauftragt und vom Mandanten informiert worden war, die Schuldnerin sei zahlungsunfähig, nahm der Beschwerdeführer eine Bank im Namen seines Mandanten aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft in Anspruch und führte dieser gegenüber aus: „... für den Fall, dass widererwartend die Hauptschuldnerin die Zahlung leistet, werden wir Ihnen den Betrag unvermittelt zurückerstatten. Mit einer solchen Zahlung der Hauptschuldnerin ist jedoch nach Auskunft unserer Mandantschaft mangels Zahlungsfähigkeit nicht zu rechnen ...“. Die Schuldnerin, die nicht zahlungsunfähig war, nahm den Beschwerdeführer in eigener Person auf Unterlassung dieser Äußerung – zum Teil erfolgreich – in Anspruch.
Die Verfassungsbeschwerde, in der die Verletzung von Artikel 5 und 12 GG gerügt wurde, hat das BVerfG nicht zur Entscheidung angenommen, da die Voraussetzungen des § 93 a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegen würden. Allerdings sei das Urteil des OLG verfassungsrechtlich bedenklich, da die Argumentation des OLG, der Beschwerdeführer habe sich den Sachverhalt, den ihm sein Mandant unterbreitet habe, in seinen Schriftsätzen als persönliche Behauptung zu eigen gemacht, auf eine Verkennung der Bedeutung der Berufsfreiheit beruhe. Würde diese Auffassung zutreffen und, müsste ein Rechtsanwalt befürchten, regelmäßig persönlich belangt zu werden, wenn er in seiner beruflichen Funktion Informationen seines Mandanten in gehöriger Form weitergibt, würde die ordnungsgemäße Interessenvertretung und damit ein wesentlicher Teil anwaltlicher Berufsausübung unterbunden. Nur im Ausnahmefall könne die Berücksichtigung der Gesamtumstände eine persönliche Verantwortung nahe legen. Werde ein Rechtsanwalt indessen für seinen Mandanten tätig und führt er dazu wörtlich „nach Auskunft unserer Mandantschaft“ aus, gehe es nicht um einen Quellennachweis, sondern um die Durchsetzung eben dieser Mandantenposition im Namen des Mandanten. Einem Rechtsanwalt als berufenen Berater und Vertreter müsse in allen Rechtangelegenheiten die unerlässliche Äußerungsfreiheit zukommen, die seine Stellung als unabhängiges Organ erfordere. Eine regelmäßige Kontrolle der vom Mandanten mitgeteilten Tatsachen könne berufsrechtlich nicht verlangt werden. Eine solche Verpflichtung würde das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant zerstören.
(Fundstelle: NJW 2003, 3263 f.)