Ein Verstoß gegen das in § 12 Abs. 1 BORA bestimmte Verbot führt weder zur Nichtigkeit eines verbotswidrig zu Stande gekommenen Vertrages nach § 134 BGB noch ohne weitere Umstände zu seiner Nichtigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB.
BGH, U. v. 17.10.2003 – V ZR 429/02 (OLG Karlsruhe – 14 U 73/01; LG Offenburg) Zu Grunde lag ein Fall, in dem über einen Anspruch aus § 463 S. 2 BGB a. F. zu entscheiden war. Die anwaltlich vertretenen Beklagten hatten sich unmittelbar schriftlich an den Prozessbevollmächtigten der Kläger gewandt, ihre Verantwortlichkeit für den entstandenen Schaden anerkannt und vereinbart, zur Behebung des Schadens an die Kläger in drei gleichen Raten insgesamt 48.000,00 DM zu zahlen.
Dieser Vertrag, so der BGH, sei nicht deshalb nichtig, weil er ohne Mitwirkung des Prozessbevollmächtigen des Beklagten abgeschlossen worden sei. Zwar verbiete § 12 BORA einem Rechtsanwalt grundsätzlich ohne Einwilligung des gegnerischen Rechtsanwalts mit dessen Mandanten Verhandlungen aufzunehmen oder zu verhandeln; ein Verstoß gegen das Verbot führe jedoch nicht dazu, dass ein verbotswidrig abgeschlossene Vertrag nichtig sei. § 134 BGB greife nicht ein. § 12 Abs. 1 BORA wende sich nicht gegen den Inhalt des Rechtsgeschäfts, sondern gegen die Umstände seines Abschlusses. Zweck des Verbots sei der Schutz des gegnerischen Rechtsanwalts vor Eingriffen in dessen Mandatsverhältnis, der Schutz des gegnerischen Mandanten und der Schutz der Rechtssprechung vor der Belastung mit Auseinandersetzung, die ihren Grund in Einlassungen der von ihrem Rechtsanwalt nicht beratenen Partei finden. Diese Zwecke würden es nicht gebieten, ein unter Verstoß gegen § 12 Abs. 1 BORA zu Stande gekommenes Rechtsgeschäft als nichtig zu bewerten. Gegen eine Nichtigkeit spreche zudem, dass sich das Verbot nicht an die Beteiligten des Rechtsgeschäfts richtet, sondern an ihre Rechtsanwälte.
Die Einigung der Parteien sei auch nicht gem. § 138 BGB nichtig. Das Handeln der Beteiligten oder die Umstände beim Abschluss eines Rechtsgeschäfts könnten nur dann zur Nichtigkeit führen, wenn sie dem Rechtsgeschäft trotz indifferenten Inhalts ein sittenwidriges Gesamtgepräge geben. Voraussetzung hierfür sei, dass der Vertrag die Interessen der durch das Verbot gem. § 12 Abs. 1 BORA geschützten Vertragspartei missachtet. Dies sei vorliegend nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen.
(Fundstelle: MDR 2004, 117 ff.)