1. Die Bundesrechtsanwaltsordnung verleiht dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer nicht das Recht, festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen.
...

BGH, B. v. 25. November 2002, AnwZ (B) 8/02

1.
Die Bundesrechtsanwaltsordnung verleiht dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer nicht das Recht, festgestellten Verstößen gegen berufsrechtliche Bestimmungen mit einer Unterlassungsverfügung zu begegnen.

2.
Die Verwendung des Domainnamens „www.rechtsanwaelte-notar.de“ durch eine aus einem Rechtsanwalt und einem Anwaltsnotar bestehende Kanzlei verstößt nicht gegen § 43 b BRAO, § 6 Abs. 1 BORA.

  Der Antragsteller betreibt zusammen mit einem anderen Rechtsanwalt eine Anwaltskanzlei und ist zugleich als Notar tätig. Im Internet unterhält er eine Homepage unter dem Domainnamen „www.rechtsanwaelte-notar.de“. Seitens der Antragsgegnerin wurde er aufgefordert, die Verwendung dieses Domainnamens „mit sofortiger Wirkung zu unterlassen“. Dem hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung gab der zuständige AGH statt. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin blieb ohne Erfolg.

Grundsätzlich, so der BGH, sei es nicht zu beanstanden, einen Rechtsanwalt auf die Rechtsauffassung der Kammer hinzuweisen und dies mit der Mitteilung zu verbinden, dass er das beanstandete Verhalten zu unterlassen habe, da anderenfalls mit der Einleitung eines Rügeverfahrens oder eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens zu rechnen sei. Der Vorstand der Rechtsanwaltskammer könne von einem kammerangehörigen Rechtsanwalt jedoch kraft Berufsrechts nicht die Vorname oder Unterlassung eine bestimmten Handlung verlangen. Nach § 73 Abs. 2 Nr. 1 BRAO obliege es dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer, die Kammermitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren. Des Weiteren habe er nach § 73 Abs. 2 Nr. 4 BRAO die Erfüllung der den Kammermitgliedern obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben. Darüber hinaus sei in § 57 BRAO bestimmt, dass der Kammervorstand einen Rechtsanwalt zur Einhaltung der in § 56 Abs. 1 S. 1 BRAO genannten besonderen Pflichten, insbesondere Auskunftspflichten, durch Festsetzung der eines Zwangsgeldes anhalten kann. Diesem Normgefüge sei insgesamt zu entnehmen, dass die BRAO dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer keine Rechtsgrundlage dafür gibt, Pflichtverletzungen aller Art, die ein Rechtsanwalt gegenüber einem Mandanten oder dem sonstigen rechtssuchenden Publikum gegenüber begangen hat oder deren Begehung unmittelbar bevorsteht, durch den Erlass mit Verwaltungszwang durchsetzbarer Ge- und Verbote zu begegnen. Derart weitgehende, einschneidende Eingriffsmöglichkeiten würden der Stellung des Rechtsanwalts nicht gerecht. Dieser sei unabhängiges Organ der Rechtspflege (§ 1 BRAO) und stehe als solches nicht in einem allgemeinen Abhängigkeits- oder Unterordnungsverhältnis zum Kammervorstand.

Auch in der Sache selbst sei die in Form einer Untersagungsverfügung gekleidete Beanstandung der Antragsgängerin nicht gerechtfertigt. Die Verwendung des Domainnamens „www.rechtsanwaelte-notar.de“ durch eine aus einem Rechtsanwalt und einem Anwaltsnotar bestehende Kanzlei sei zulässig. Dass sich der Antragssteller durch die Auswahl des seine beruflichen Tätigkeiten kennzeichnenden Domainnamens gegenüber anderen Rechtsanwälten und Notaren insoweit einen Vorteil verschafft hat, dass diese daran gehindert sind, den selben Domainnamen zu verwenden, sei unbedenklich. Die mit einem Bindestrich versehene Kombination der Begriffe sei zudem durchaus ungewöhnlich, so dass die Gefahr einer Kanalisierung von Kundenströmen durch die Verwendung des beanstandeten Domainnamens bei Direkteingabe der Gattungsbegriffe sehr gering sei. Die Verwendung des Domainnamens sei auch nicht irreführend unter dem Aspekt einer unzutreffenden Alleinstellungsbehauptung. Der durchschnittlich informierte und verständige Internetnutzer wisse von vornherein, dass die unter Verwendung der Gattungsbegriffe gefundene Homepage eines Anbieters nicht das gesamte Angebot anwaltlicher und notarieller Dienstleistungen repräsentiert. Letztlich werde auch nicht über die tatsächliche Bedeutung und Größe der Kanzlei des Antragsstellers durch die Verwendung des Begriffs „Rechtsanwalt“ in der Mehrzahl irregeführt. Durch die Pluralform werde lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die unter diesem Begriff am Internet-Verkehr teilnehmende Kanzlei mindestens zwei Mitglieder hat, die zur Rechtsanwaltschaft zugelassen sind. Dies sei der Fall. Der Ansicht, dass selbst derjenige, der weiß, dass es in einigen Bundesländern Anwaltsnotare gibt, mit mindestens drei Sozietätsmitgliedern – zwei Rechtsanwälten und einem Notar – rechne, könne nicht gefolgt werden.

(Fundstelle: NJW 2003, 504)