BGH, B. v. 02.04.01, AnwZ (B) 97/00
(Fundstelle: ZAP 11/2001, S. 717) In einer aktuellen Entscheidung hat sich der Bundesgerichtshof mit Ermessenserwägungen bei dem Widerruf der Fachanwaltserlaubnis wegen unterlassener Fortbildung befaßt. Die Entscheidung darüber, ob die Erlaubnis zum Führen der Fachanwaltsbezeichnung zu widerrufen ist, trifft der Vorstand der Rechtsanwaltskammer nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Fortbildungspflicht gem. § 15 FAO trifft alle Rechtsanwälte, unabhängig von Alter und Erfahrung. § 15 FAO schreibt zwingend eine formalisierte Art der Fortbildung und einen jährlichen Nachweis hierüber vor. Gleichwohl müsse nach Ansicht des BGH die einmalige Versäumnis der Fortbildungspflicht nicht zwangsläufig zum Widerruf der Fachanwaltsbezeichnung führen. In diesem Zusammenhang vertritt der BGH die Ansicht, daß eine Auslegung des § 15 FAO als "Muß-Vorschrift" gegen Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG verstoßen würde.
Bei einem beabsichtigten Widerruf wegen Fehlens des Nachweises nach § 15 FAO könne es im Einzelfall zulässig und geboten sein, weitere Umstände zu berücksichtigen und abzuwägen, die nach dem Zweck der Ermächtigung für die Widerrufsentscheidung relevant sein könnten. Das gilt nach Ansicht des BGH vor allem für solche Umstände, die – ähnlich wie die Teilnahme an einer 10stündigen Fortbildungsveranstaltung – eine Qualitätssicherung gewährleisten. Das sei, so der BGH, beispielsweise bei einer zeitnahen wissenschaftlichen Betätigung der Fall.
Im konkreten Fall war der 70 Jahre alte Rechtsanwalt (emeritierter) ordentlicher Professor im Steuerrecht und seit über 30 Jahren Fachanwalt für dieses Gebiet. Leider macht der BGH keine Ausführungen dazu, was er unter einer "zeitnahen wissenschaftlichen Betätigung" versteht.