Miszellen zum Vereinsrecht

RA Dr. Marcus Kreutz, LL.M., Essen

KammerReport Nr. 3/2015

 

  1. Das Groucho-Marx-Paradoxon und das Phänomen des Vereinswesens in Deutschland

Groucho Marx, der bekannteste der Marx Brothers[1], schuf mit folgender Sentenz, die sich in einem Telegramm an den Friars Club wiederfindet, das nach ihm benannte Groucho-Marx-Paradoxon: „I don’t care to belong to any club that will have me as a member.“[2]

In Deutschland hätte er mit dieser Aussage wohl ein weit geringeren humoristischen Erfolg erzielt, als dies in den USA der Fall war. Denn zum einen ist Deutschland nicht dafür bekannt, Paradoxien als Gegenstand gedanklicher Auseinandersetzung zu lieben[3], noch dafür, dass Humor auf Kosten eines Vereins gemacht wird. Denn obgleich es die abschätzigen Begriffe des Vereinmeiers und der Vereinsmeierei gibt, so kann gleichwohl nicht davon gesprochen werden, dass die deutsche Bevölkerung dem Vereinswesen distanziert gegenüberstünde. Das Gegenteil dürfte vielmehr der Fall sein. Denn nach einer im Jahr 2008 durchgeführten Auswertung der Vereinsregister gibt es in Deutschland eine Zahl von 554.401 Vereinen.[4] Und obzwar die gesellschaftliche Bindungswirkung von Parteien und Gewerkschaften in den letzten Jahrzehnten nachgelassen hat, wird man dies für Vereine nicht unbedingt behaupten können. Möglicherweise ist sogar mit dem verstärkten Trend zur „Flucht ins Private“ der gegenteilige Effekt feststellbar. Zwar wird man wohl konstatieren müssen, dass die Zahl derjenige, die sich ehrenamtlich in Wahlämtern von Vereinen engagieren, ebenfalls nachgelassen hat. Ob die eigentlichen Mitgliederzahlen im deutschen Vereinswesen zurückgegangen sind, ist eine noch zu beantwortende Frage. Viel eher besteht auch die Möglichkeit, dass die deutsche Bevölkerung das Bild der immer weiteren gesellschaftlichen Auffächerung durch Gründung weiterer Vereine vorantreibt.

Wie es auch immer sein mag – das Vereinsrecht ist ein Rechtsgebiet, welches in seiner forensischen Bedeutung in einem auffälligen Kontrast zur Zahl der Vereine und Vereinsmitglieder steht. Dies belegt auch der Umstand, dass trotz der immensen Zahl juristischer Fachzeitschriften zu den entlegensten Rechtsgebieten nur eine Fachzeitschrift existiert, die sich in ihrem Titel explizit mit dem Vereinsrecht beschäftigt.[5] Daher sollen im Folgenden einige vermischte rechtliche Tatsachen und aktuelle Urteile aus dem Bereich des Vereinsrechts präsentiert werden.

Heft 02/2015 Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung der Korruption

– ein Bericht

von Rechtsanwalt Dr. Wilhelm Krekeler, Dortmund

Mit dem Hinweis, die Korruption mache heute nicht mehr vor den Grenzen von Staaten halt, hat sich die Bundesregierung veranlasst gesehen, unter dem 23.01.2015 (BR-Drucks. 25/15) einen Gesetzesentwurf für ein Gesetz zur Bekämpfung der Korruption vorzulegen.

Durch dieses Gesetz soll das deutsche Strafrecht an die verbindlichen Vorgaben aus den einschlägigen Rechtsinstrumenten des Europarats und dem EU-Rahmenbeschluss zur Bekämpfung der Bestechung im privaten Sektor vom 22.07.2003 angepasst und dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 30.10.2013 Rechnung getragen werden.

Heft 02/2015 Unternehmensjuristen und ihre Rente

Zur berufs- und sozialversicherungsrechtlichen Stellung der Syndikusanwälte 

von Prof. Dr. Reinhard Singer, Humboldt-Universität zu Berlin

Selten haben Urteile der höchsten Fachgerichtsbarkeit so viel Widerspruch provoziert wie die Urteile des 5. Senats des Bundessozialgerichts vom 3.4.2014[1]. Die Revisionsurteile in drei parallel gelagerten Verfahren kommen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass Syndikusanwälte, die bei einem nicht-anwaltlichen Arbeitgeber angestellt sind, nicht mehr - wie dies bislang einer verbreiteten, aber zunehmend uneinheitlichen Praxis[2] entsprach - von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreit werden können. Die Aufregung entzündet sich nicht nur an den ökonomischen Konsequenzen, die diese Entscheidungen nach sich ziehen, sondern berührt im Kern das Berufsbild des Rechtsanwalts. Wenn man freilich um der "Einheit der Anwaltschaft"[3] willen bereit ist, sich vom Leitbild der beruflichen Unabhängigkeit zu verabschieden, gerät das System der Regulierung, das der Bundesrechtsanwaltsordnung im Interesse der Mandanten und einer vertrauenswürdigen Rechtspflege zugrunde liegt, ins Wanken. Insofern ist sehr sorgfältig zu prüfen, an welchen Stellschrauben gedreht werden sollte, um den status quo wiederherzustellen und Syndikusanwälten den Zugang zu den beruflichen Versorgungswerken der Anwälte zu ermöglichen.

Anwaltliche Äußerungen – Sachlichkeitsgebot und Ehrverletzungsdelikte

von Rechtsanwältin Elke Werner, Fachanwältin für Strafrecht, Dortmund


Zu den Grundpflichten des Rechtsanwalts gehört nach § 43 a Abs. 3 BRAO das Gebot der Sachlichkeit. Ein anwaltsgerichtlich oder mit einer Rüge zu ahndendes unsachliches Verhalten des Rechtsanwalts liegt dann vor, wenn eine strafbare Beleidigung gegeben ist. Da der Verstoß gegen die allgemeinen Strafgesetze im Zusammenhang mit der anwaltlichen Berufsausübung auch eine anwaltsgerichtlich zu ahndende Pflichtverletzung ist, ist der Rechtsanwalt, der bei der Ausübung seines Berufs in strafbarer Weise beleidigt, nicht nur strafrechtlich, sondern nach Maßgabe des § 115 b BRAO auch berufsrechtlich zur Verantwortung zu ziehen.

Haftungsbescheide gegen Rechtsanwälte und Steuerberater[1]

von Rechtsanwältin Elke Werner, Dortmund

 

Beabsichtigt die Finanzbehörde, gegen einen Berufsträger, nämlich gegen einen Rechtsanwalt, Patentanwalt, Notar, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer, wegen einer Handlung, die dieser in Ausübung seines Berufs vorgenommen hat, einen Haftungsbescheid (§ 191 Abs. 1 AO) zu erlassen, hat sie der zuständigen Berufskammer Gelegenheit zu geben, die Gesichtspunkte vorzubringen, die von ihrem Standpunkt für die Entscheidung von Bedeutung sind (§ 191 Abs. 2 AO i. V. m. § 69 AO).

Israel – eine besondere Freundschaft

Delegationsreise 2014 der BRAK nach Israel

von RA Jan Schaeffer, Essen

 

„Israel und Deutschland verbindet eine langjährige, auf gegenseitiges Vertrauen gegründete, besondere Freundschaft. Beide Länder fühlen sich den Prinzipien von Recht und Gesetz, insbesondere der Wahrung der Menschenrechte, verpflichtet.“

So lautet es in der Präambel des im Jahre 2006 beschlossenen Freundschaftsvertrages der israelischen Rechtsanwaltskammer (Israel Bar) und der BRAK.

von Rechtsanwalt Dirk Hinne, Dortmund

Rechtsanwälte sind mit dieser Tätigkeit versicherungspflichtig in den jeweiligen Versorgungswerken der Länder. Dabei werden der Beitragsbemessung sämtliche Einnahmen des Rechtsanwalts aus allen Nebentätigkeiten zugrunde gelegt. Neben dieser Versicherungspflicht im Versorgungswerk kann eine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung bestehen.

von RA Christoph Sandkühler, Hamm

Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Elektronischer Rechtsverkehr

Der Elektronische Rechtsverkehr nehme Fahrt auf, heißt es in letzter Zeit immer häufiger und immer eindringlicher. Richtig daran ist, dass die elektronische Kommunikation zwischen der Anwaltschaft und den Gerichten auf der Grundlage des § 130 a ZPO über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) nicht mehr als exotische Randerscheinung wahrgenommen, sondern dass sie mehr und mehr Teil des anwaltlichen Alltags wird. Die Digitalisierung der Welt macht vor der Juristerei nicht Halt. Andererseits macht das nicht rechtskräftige Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.07.2013, AnwBl 2014, 91 eindrucksvoll deutlich, welche (Haftungs-)Fallen drohen, wenn die elektronischen Verfahren und Zugänge zu den Gerichten nach dem Muster eines Flickenteppichs eröffnet werden. Ein Rechtsanwalt kann sich eben nicht darauf verlassen, dass das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach eines OLG dafür geeignet ist, bestimmende Schriftsätze fristwahrend in Empfang zu nehmen. Anders als z.B. in Hessen, wo mittlerweile alle Gerichte rechtswirksam elektronisch erreichbar sind, gilt dies für Nordrhein-Westfalen und für etliche andere Bundesländer nicht. Man muss daher den Bundesländern dankbar sein, die im Jahr 2012 die Initiative ergriffen haben, um auf eine Vereinheitlichung dieses Rechtsstandes hinzuwirken. Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl. I 2013, 3786 ff., vgl. dazu auch www.brak.de) ist das Ergebnis dieses Prozesses, in den die Anwaltschaft von Anfang an eng eingebunden war.

von Rechtsanwalt Dr. Dieter Finzel, Hamm
Ehrenpräsident der Rechtsanwaltskammer Hamm                    

Zu diesem Thema möchte ich mich auf vier, zurzeit in der Satzungsversammlung, in der BRAK-Hauptversammlung und im BRAO-Ausschuss diskutierte Probleme beschränken, nämlich:

1. Die Anwendung des § 73 Abs. 3 BRAO

2. Fremdgeld und Abrechnungsverhalten des Rechtsanwalts nach § 23 BRAO

3. Syndikusanwalt und

4. Sanktionierte Pflichtfortbildung.

Bevor ich hierzu im Einzelnen Stellung nehme, möchte ich Ihnen eine interessante Überlegung der Kammer München nicht vorenthalten. Herr Präsident Staehle teilte mir kürzlich mit, der dortige Vorstand habe die Frage diskutiert, ob das anwaltsgerichtliche Vertretungsverbot nach § 114 Abs. 1 Nr. 4 BRAO, also das Verbot, „auf bestimmten Rechtsgebieten als Vertreter und Beistand für die Dauer von einem Jahr bis zu fünf Jahren tätig zu werden“, zur Bewährung ausgesetzt werden könnte.

Ich bin kein Strafrechtler. Wenn man aber bedenkt, dass unter den Voraussetzungen des § 56 StGB Strafen auf Bewährung ausgesetzt werden können, wäre es jedenfalls eine Überlegung wert, dieses Institut auch bei der Sanktionierung eines Rechtsanwalts anzuwenden. Ich habe es noch nicht zu Ende gedacht. Es sollte für Sie lediglich ein Denkanstoß sein.

Und nun zu den Einzelthemen.

von Rechtsanwalt Peter Bohnenkamp, Borken

Im KammerReport 3/2012 hatte Herr Rechtsanwalt Teubel am Beispiel des Rahmenabkommens der HUK-Coburg-Rechtsschutzversicherung-AG die Problematik der Rationalisierungsabkommen aus berufsrechtlicher und berufspolitischer Sicht dargelegt. Er hatte einzelne problematische Klauseln zitiert und in ihrer berufsrechtlichen und gebührenrechtlichen Einordnung bewertet.

Zwischenzeitlich haben die Rechtsanwaltskammern für die Oberlandesgerichtsbezirke Köln, Düsseldorf und Hamm die Problematik des Rationalisierungsabkommens offen mit der HUK-Coburg-Rechtsschutzversicherung besprochen und eine Änderung des Abschnitts II des Abkommens betreffend die Abrechnungsvereinbarung für außergerichtliche Tätigkeiten im Einzelnen erörtert. Die nunmehr von der HUK-Coburg-Rechtsschutzversicherung zu veröffentlichende Mustergebührenvereinbarung wird in diesem Abschnitt die berufsrechtlichen Bedenken der Kammern berücksichtigen und durch eine Änderung der Gebührenregelungen den vorgetragenen berufsrechtlichen Bedenken Rechnung tragen.

 

von Rechtsanwalt Prof. Dr. Dieter Leuze, Essen

Anmerkungen zur vorläufigen Festnahme eines Strafverteidigers in der laufenden Verhandlung*

A. Ausgangspunkt

In der Presse "Westfälischer Anzeiger" vom 20. Juni 2012 findet sich folgender Beitrag

"Ziehen Sie Ihre Robe aus!"

Verteidiger im Gerichtssaal festgenommen

Münster: Rechtsanwalt in Handschellen: Mitten im Gerichtssaal ist der Pflichtverteidiger eines Angeklagten bei einem Steuerprozess in Münster festgenommen worden. Der Rechtsanwalt soll einem Zeugen nach dem letzten Verhandlungstag € 50.000,00 für eine Falschaussage angeboten haben. Der Zeuge hat sich daraufhin an die Staatsanwaltschaft gewandt. "Es besteht der dringende Verdacht der versuchten Anstiftung zur Falschaussage" sagte Oberstaatsanwalt Rainer Neuschmelting. Die Verhandlung lief gestern bereits, als sich der Staatsanwalt plötzlich an den Rechtsanwalt wandte und sagte: "Ich nehme Sie vorläufig fest. Ziehen Sie bitte Ihre Robe aus!". Außerdem musste der Anwalt sein Mobiltelefon abgeben. Seine im Zuschauerraum anwesende Ehefrau musste zusehen, wie Wachtmeister ihren Mann in Handschellen abführten. Er wurde vom Gericht umgehend entpflichtet und durch einen anderen Verteidiger ersetzt. In dem Prozess geht es um den Vorwurf illegaler Machenschaften auf einem Schrottplatz in Münster. Drei Angeklagten werden umfangreiche Schwarzgeldgeschäfte vorgeworfen. Der Steuerschaden soll in die Millionen gehen." dpa

von Thomas Vogt, Vizepräsident des OLG Hamm

Mit dem Gesetz zur Förderung der Mediation und anderer Verfahren der außergerichtlichen Konfliktbeilegung vom 21.07.2012 (BGBl. I, S. 1577) hat der Gesetzgeber die gesetzliche Grundlage für die bereits an vielen Gerichten des Oberlandesgerichtsbezirks Hamm praktizierte konsensuale Konfliktlösung durch nicht entscheidungszuständige Richter geschaffen. Das bislang als gerichtsinterne Mediation bezeichnete Modell wird nach dem Willen des Gesetzgebers durch die fakultative Güteverhandlung vor einem hierfür im Geschäftsverteilungsplan bestimmten nicht entscheidungsbefugten Güterichter abgelöst, der in richterlicher Unabhängigkeit alle Methoden der Konfliktbeilegung einschließlich der Mediation einsetzen kann (§ 278 Abs. 5 ZPO nF).

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