von RA Christoph Sandkühler, Hamm
Vorsitzender des BRAK-Ausschusses Elektronischer Rechtsverkehr
Der Elektronische Rechtsverkehr nehme Fahrt auf, heißt es in letzter Zeit immer häufiger und immer eindringlicher. Richtig daran ist, dass die elektronische Kommunikation zwischen der Anwaltschaft und den Gerichten auf der Grundlage des § 130 a ZPO über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) nicht mehr als exotische Randerscheinung wahrgenommen, sondern dass sie mehr und mehr Teil des anwaltlichen Alltags wird. Die Digitalisierung der Welt macht vor der Juristerei nicht Halt. Andererseits macht das nicht rechtskräftige Urteil des OLG Düsseldorf vom 24.07.2013, AnwBl 2014, 91 eindrucksvoll deutlich, welche (Haftungs-)Fallen drohen, wenn die elektronischen Verfahren und Zugänge zu den Gerichten nach dem Muster eines Flickenteppichs eröffnet werden. Ein Rechtsanwalt kann sich eben nicht darauf verlassen, dass das elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach eines OLG dafür geeignet ist, bestimmende Schriftsätze fristwahrend in Empfang zu nehmen. Anders als z.B. in Hessen, wo mittlerweile alle Gerichte rechtswirksam elektronisch erreichbar sind, gilt dies für Nordrhein-Westfalen und für etliche andere Bundesländer nicht. Man muss daher den Bundesländern dankbar sein, die im Jahr 2012 die Initiative ergriffen haben, um auf eine Vereinheitlichung dieses Rechtsstandes hinzuwirken. Das Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10.10.2013 (BGBl. I 2013, 3786 ff., vgl. dazu auch www.brak.de) ist das Ergebnis dieses Prozesses, in den die Anwaltschaft von Anfang an eng eingebunden war.
Nach § 31 a BRAO n. F. wird die Bundesrechtsanwaltskammer bereits zum 01.01.2016 für jede Rechtsanwältin und für jeden Rechtsanwalt ein besonderes elektronisches Anwaltspostfach einrichten. Über dieses Postfach werden zukünftig Zustellungen erfolgen sowohl von Gerichtsseite als auch die Zustellung von Anwalt zu Anwalt. Zugleich ermöglicht es die sichere verschlüsselte Kommunikation mit den Gerichten, die den elektronischen Rechtsverkehr bereits zugelassen haben. Ab dem 01.01.2018 soll der elektronische Zugang zu allen deutschen Gerichten eröffnet sein. Da einzelne Länder für die Einrichtung der notwendigen IT-Infrastruktur mehr Zeit benötigen, haben sie die Möglichkeit, die elektronische Erreichbarkeit der Gerichte bis zum 01.01.2020 hinauszuschieben. Spätestens ab dem 01.01.2020 muss der elektronische Zugang zu allen Gerichten bundeseinheitlich gewährleistet sein. Beginnend ab dem 01.01.2020 können die Bundesländer eine Pflicht zur Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs für Rechtsanwälte vorsehen. Bundesweit tritt die Nutzungspflicht für die Anwaltschaft zum 01.01.2022 in Kraft.
Die bereits erwähnt Initiative der Bundesländer sah ursprünglich vor, dass jeder Rechtsanwältin und jedem Rechtsanwalt die Einrichtung eines elektronischen Postfachs als individuelle Berufspflicht auferlegt werden sollte. Diese Individuallösung hat die Bundesrechtsanwaltskammer von vornherein abgelehnt. Die Erfahrungen der Notarinnen und Notare im Zusammenhang mit der Einführung des verpflichtenden elektronischen Rechtsverkehrs mit den Handelsregistern waren ein warnendes Beispiel. Die Integration dieser neuen Verfahren in die Kanzleiabläufe bargen für die einzelnen Berufsträger erhebliche Herausforderungen, die oftmals nur mit großem Aufwand und unter Einsatz von erheblichen finanziellen Mitteln gemeistert werden konnten. Zudem bot die individuelle Lösung für die Anbieter von Kanzleisoftware im Notariat wenig Anreize, gute Verfahren zu entwickeln.
Die Bundesrechtsanwaltskammer wird deshalb die besonderen elektronischen Anwaltspostfächer zentral einrichten. Sie wird in dem von der Justiz bereitgestelltem System „Elektronisches Gerichts- und Verwaltungspostfach“ hochsichere Übermittlungswege schaffen, die die Berufsverschwiegenheit der Anwaltschaft und den notwendigen Datenschutz auf dem jeweiligen Stand der Technik wahren. Das hinter der Anwendung stehend amtliche Anwaltsverzeichnis wird die Möglichkeit eröffnen, bundesweiten Zugang z. B. zu Registern zu erlangen. Durch Schnittstellen wird für die Anbieter von Anwaltssoftware die Möglichkeit bestehen, die Kommunikationswege über die elektronischen Anwaltspostfächer in die Arbeitsumgebung der Kanzleien einzupassen. Für diejenigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte, die keine Anwaltssoftware nutzen – und das sind schätzungsweise 50 % -, wird die Bundesrechtsanwaltskammer eine Kommunikationsplattform errichten, die als so genannte Web-Anwendung ausgestaltet sein wird. Der Einsatz des fehleranfälligen und sperrigen EGVP-Client der Justiz wird dadurch obsolet.
Das System, auf das die Bundesrechtsanwaltskammer setzt, wird qualifizierte elektronische Signaturen beinhalten. Diese Signaturen werden mit Hilfe von Signaturkarten erzeugt, deren Distribution über Drittanbieter die Bundesrechtsanwaltskammer in ihr Konzept eingeplant hat. Ab dem 01.01.2018 kann auf die qualifizierte elektronische Signierung zu übermittelnder Schriftsätze etc. verzichtet werden, wenn sie über einen sicheren Übermittlungsweg an das jeweilige Gericht versandt werden. Als sicherer Übermittlungsweg wird zukünftige das besondere elektronische Anwaltspostfach unter der Voraussetzung dienen, dass ein sicherer Zugang gewährt wird. Der sichere Zugang kann z.B. auch über eine Signaturkarte bewerkstellig werden. Alternativ dazu kommen andere Sicherungsmittel in Betracht, über die die letzte Entscheidung noch nicht gefallen sind. Klar ist, dass sich die Abläufe in den Kanzleialltag einpassen müssen. Das bedeutet auch, dass die Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte wie bisher die Möglichkeit haben müssen, bestimmte, nicht der Anwaltschaft vorbehaltene Aufgaben auf Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter zu delegieren.
Begleitet werden die elektronisch zu übermittelnden Dokumente von maschinenlesbaren Strukturdaten – insbes. die Namen der Beteiligten und das Aktenzeichen -, die es den Gerichten ermöglichen, den übersandten Vorgang automatisiert einer elektronischen Gerichtsakte zuzuordnen. Im Gegenzug fordert die Anwaltschaft, dass auch ihr seitens der Gerichte elektronische Strukturdaten zur Weiterverarbeitung in der Fachsoftware zur Verfügung gestellt werden. Eine solche gleichberechtigte Kommunikation haben die Bundesländer zugesagt.
Letztlich wird das Kommunikationssystem der Bundesrechtsanwaltskammer zukunftsoffen angelegt sein. Es wird nicht nur die Zustellung von Anwalt zu Anwalt und die sichere Kommunikation mit der Rechtsanwaltskammer und der BRAK ermöglichen, sondern könnte auch bei der Kommunikation mit sonstigen Dritten wie z.B. Behörden, eventuell Versicherungen, bis hin zu den Mandanten hilfreich sein. Auch technisch wird das System zukunftsoffen und erweiterbar sein, um den Anforderungen an die Sicherheit und das zukünftige Nutzerverhalten gerecht zu werden.
Die Errichtung eines solch komplexen EDV-Systems kostet naturgemäß viel Geld. Der finanzielle Aufwand für jeden einzelnen Berufsträger ist aber mit Sicherheit geringer, als wenn er oder sie selbst für den Anschluss an das System EGVP und die Pflege dieses Kommunikationsweges sorgen müsste.