RAuN Wolfgang Ehrler, Herdecke

Vizepräsident des Versorgungswerks der Rechtsanwälte NRW


Kartell der Geheimniskrämer 

Unter diesem Titel befasst sich die Zeitschrift „Capital“ in ihrer Ausgabe vom 20.09.2012 mit der Situation der berufsständischen Versorgungswerke. Der Autor des Artikels, Matthias Thieme, stellt Behauptungen auf, die zu besorgten Fragen von Mitgliedern des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen an Geschäftsführung und Vorstand geführt haben. Als Vizepräsident des Versorgungswerks möchte ich zu den einzelnen Behauptungen Stellung nehmen. 

1.These: Ärzte, Apotheker, Rechtsanwälte und Steuerberater müssen sich auf drastische Kürzungen ihrer Altersvorsorge einstellen, weil die rund 90 berufständischen Versorgungswerke auf Grund niedriger Zinsen an den Kapitalmärkten gravierende Finanzierungsprobleme hätten. Bei 1,3 % Zinsen für deutsche Staatsanleihen können die Versorgungswerke ihr Leistungsversprechen nicht einhalten.

Für das Versorgungswerk der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen (im weiteren Versorgungswerk) trifft diese Aussage in keiner Weise zu. Richtig ist zwar, dass alle institutionellen Anleger in der gegenwärtigen Niedrigzinsphase vor große Herausforderungen gestellt sind. Seit drei Jahren sind mit Rentenpapieren des Bundes, der Länder, sowie der stabilen Euroländer nur geringe Zinsgewinne zu erzielen. Aus diesem Grund sind Vorstand und Geschäftsführung des Versorgungswerks ständig auf der Suche nach einerseits sichereren und anderseits ertragreicheren Anlagemöglichkeiten in der ganzen Welt. Strategie des Versorgungswerks ist eine möglichst breite Streuung (Diversifikation) der Anlagen zur nachhaltigen Sicherung der satzungsgemäß festgelegten Leistungen. Dieses Engagement zahlt sich aus: Die Anlagen unseres Versorgungswerkes erzielen weltweit stabile Erträge aus festverzinslichen Wertpapieren, Aktienfonds, Anleihen und Immobilien(fonds). 

2. These: Die berufsständischen Versorgungswerke unterliegen weder der Aufsicht der Bundesbank noch der Finanzaufsicht. Deshalb werden Ärzte, Apotheker, Steuerberater und Rechtsanwälte zunehmend nervös und verlieren das Vertrauen in ihre Versorgungswerke. 

Ein Blick ins Gesetz hilft hier weiter. Das Versorgungswerk unterliegt  der Aufsicht durch das Land NRW. Diese wird gemäß § 3 Abs. 1 VAG NRW durch das Finanzministerium wahrgenommen. Es handelt sich um eine echte materielle Versicherungsaufsicht (§3 Abs.1 S.1 VAG NRW). Gesetzlich definierte Aufgabe der Aufsichtsbehörde ist die Kontrolle über die ordnungsgemäße Durchführung des Geschäftsbetriebes und die ausreichende Wahrung der Belange der Mitglieder. Der Schwerpunkt liegt in der Überprüfung der dauerhaften Erfüllbarkeit der Leistungsverpflichtung des Versorgungswerks gegenüber seinen Mitgliedern, der ausreichenden Bildung versicherungstechnischer Rückstellungen, der Anlage des Vermögens nach den gesetzlichen Vorgaben, insbesondere die Beachtung der in der Anlageverordnung festgelegten Grenzen der einzelnen Anlageklassen (Risikokapitalquote). So sieht die Anlageverordnung eine Maximalquote bei Aktien von 35 % vor. Unser  Versorgungswerk hat seine Aktienquote wegen der stark schwankenden (volatilen) Märkte auf rund 6 % heruntergefahren und erfreut sich wegen seiner soliden Anlagepolitik einer großen Wertschätzung  bei der Aufsicht. 

Obwohl für Versorgungswerke keine gesetzliche Verpflichtung besteht, werden der Geschäftsbetrieb, der Mitglieder- und Rentnerbestand sowie die Vermögensanlagen einem regelmäßigen Stresstest unterzogen.

3. These: Die berufständischen Rentenkassen kompensieren ihre Ertragsprobleme damit, dass sie bei den Neuzugängen den Rechnungszins eindampfen. Es finde eine klammheimliche Umverteilung zu Lasten der jüngeren Mitglieder statt. 

Für unser Versorgungswerk steht eine Absenkung des Rechnungszinses weder allgemein noch  für Neumitglieder zur Diskussion. Mit uns gibt es keine Zweiklassengesellschaft. Richtig ist zwar, dass einige berufsständische Versorgungswerke ihren Rechnungszins gesenkt und andere eine Aufsplittung des Zinses für den Altbestand und den Neuzugang vorgenommen haben. Eine Verallgemeinerung kann jedoch keinesfalls hingenommen werden. 

4. These: Einige Versorgungswerke wackeln – Insolvenz nicht ausgeschlossen.
Diese Aussage ist falsch. Eine Insolvenz der Versorgungswerke findet nicht statt. Für die Versorgungswerke in NRW ergibt sich das aus § 12 Abs. 1 S.2 InsO  i.V.m. § 78 Abs. 3 S.2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW. Die Versorgungswerke sind insolvenzunfähig.

Auch die Zahlungsunfähigkeit der Versorgungswerke ist nicht zu befürchten. Sie würde den völligen Wegfall aller Beitrags- und Kapitalerträge voraussetzen. Ein solches Szenario wäre nur bei einem vollständigen Zusammenbruch des gesamten Wirtschafts- und Sozialsystems der Bundesrepublik vorstellbar. Die gegenwärtige Niedrigzinsphase bringt die berufsständischen Versorgungseinrichtungen nicht in eine bedrohliche Lage. Sollte sie jedoch länger andauern, müssen vielleicht Rentenerhöhungen zurückgestellt werden; eine Existenzgefährdung der Versorgungswerke – insbesondere unseres Versorgungswerks- ist nach heutigem Stand ausgeschlossen. 

Das Versorgungswerk hat im Übrigen seit Jahren eine Zinsschwankungsreserve gebildet, um für Zeiten mit Niedrigzinsen gerüstet zu sein. Absicherung und Vorsorge gehören zu den Grundprinzipien unseres Versorgungswerks. 

5. These:  Für die Schweizer Pensionsfonds haftet der Staat Schweiz – für deutsche Versorgungswerke gibt es keine Staatshaftung.

Auf den ersten Blick vielleicht beruhigend, fragt man sich beim genaueren Hinsehen, was die Staatshaftung der Schweiz tatsächlich wert ist. Das Gesamtvermögen aller Schweizer Pensionsfonds beträgt knapp 618 Milliarden Schweizer Franken (SFr). Dem steht ein Bruttoinlandsprodukt der Schweiz im Jahr 2010 von 608 Milliarden SFr und ein staatliches Sach- und Anlagevermögen von 1.100 Milliarden SFr gegenüber. Damit ist das Vermögen der Versorgungseinrichtungen höher als das Bruttoinlandsprodukt und macht mehr als 50 % des Sach- und Anlagevermögens der Schweiz aus. In Deutschland gibt es tatsächlich keine Staatshaftung für die berufsständische Versorgung. Wegen der gesetzlich normierten Aufsicht sollte sie aber auch entbehrlich sein. Die Länderaufsichten haben die gesetzliche Verpflichtung, schon bei geringen Schieflagen zu intervenieren und Maßnahmen zu veranlassen, die eine eventuell aufgetretene Unterdeckung schnellstmöglich beseitigen. 

Beiträge, Leistungen und Anwartschaften werden jährlich von einem Versicherungsmathematiker untersucht. Auf der Basis der erwirtschafteten Erträge wird unter Berücksichtigung der bestehenden und zukünftigen Verpflichtungen berechnet, ob und wie die Renten gesteigert werden können. Dabei hat unser Versorgungswerk schon als eines der ersten dem Demographiefaktor Rechnung getragen und aktualisierte Sterbetafeln angewendet. Die Berechnungen des Versicherungsmathematikers fließen in die Beschlussfassung der Vertreterversammlung ein und werden anschließend der Aufsicht zur Prüfung und Genehmigung vorgelegt.Stresstest
Es besteht folglich ein mehrstufiges Kontrollsystem, das eine Staatshaftung entbehrlich macht.

Fazit:  Die Mitglieder des Versorgungswerks der Rechtsanwälte im Lande Nordrhein-Westfalen sollten sich durch den Artikel nicht verunsichern lassen. Capital ist ein Blatt, das von Anzeigen der Versicherungswirtschaft und von Finanzdienstleistern abhängig ist. Unser Versorgungswerk ist auch unter den derzeit schwierigen Bedingungen gut aufgestellt. Vorstand und Geschäftsführung arbeiten mit großem Engagement  dafür, dass Ihre Alters- und Hinterbliebenenversorgung bei dem Versorgungswerk dauerhaft in guten Händen ist.