Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte, B. v. 6. Februar 2003 – Beschwerde-Nr.: 71630/01
1. Soweit die Beschwerde den Verlust zukünftigen Einkommens betrifft,
geht sie über den Rahmen des Art. 1 des Protokolls Nr. 1 hinaus, der nur
auf bestehenden Besitz anwendbar ist.
2.
Art. 1 erstreckt sich jedoch auf die Anwaltskanzlei als solche und
ihre Mandanten, da diese Einheiten einen gewissen Wert im Sinne eines Vermögenswertes
darstellen und daher Eigentum gemäß des ersten Satzes von Art. 1 sind1).
3.
Selbst wenn die Entscheidung des BVerfG einen Eingriff in den
Besitzstand gem. Art. 1 darstellte, wäre dieser Eingriff nach Abs. 2
gerechtfertigt1).
4.
Im Hinblick auf das vom BVerfG in diesem Fall verfolgte Ziel gilt,
dass die maßgeblichen nationalen Gerichte einen weiten Ermessensspielraum
bei der Entscheidung über die Notwendigkeit einer Kontrollmaßnahme genießen.
Ein Urteil wird insoweit respektiert, als es nicht offensichtlich willkürlich
und unbegründet ist1).
5.
In seiner Entscheidung hat das BVerfG sowohl das allgemeine
Interesse an einer ordnungsgemäßen Rechtspflege als auch die Interessen
des juristischen Berufsstandes und das individuelle Interesse der
betroffenen RAe berücksichtigt1).
6.
In Verfahren, die eine Entscheidung für eine kollektive Anzahl von
Einzelpersonen zum Gegenstand haben, ist es nicht immer erforderlich oder
sogar möglich, dass jede betroffene Einzelperson vor dem Gericht angehört
wird1).
Europäischer
Gerichtshof für Menschenrechte, B. v. 6. Februar 2003 –
Beschwerde-Nr.: 71630/01
(Fundstelle:
BRAK-Mitt. 2003, 70 ff.)