BRAGO § 3 Abs. 3; GG Art. 2 Abs. 1, 3 Abs. 1, 12 Abs. 1Vermutung unangemessener Höhe einer Vergütungsvereinbarung BVerfG, Beschl. v. 15.06.2009 – 1 BvR 1342/07 Fundstelle: RVGreport 2009, S. 299 ff.
Die Rechtsprechung, nach der eine tatsächliche Vermutung dafür spricht, dass eine von einem Rechtsanwalt bei Strafverteidigungen vereinbarte Vergütung, die mehr als das 5-fache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, unangemessen hoch und damit zu kürzen ist, verstößt gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit und ist deshalb verfassungswidrig.Leitsatz des Verfassers des RVGreports Anmerkung: Nach der bisherigen Rechtsprechung des BGH spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass eine Vergütung eines Rechtsanwalts für Strafverteidigungen, die mehr als das 5-fache über den gesetzlichen Höchstgebühren liegt, unangemessen hoch ist und deshalb gegen das Mäßigungsverbot des § 3 Abs. 3 BRAGO (jetzt § 3 a Abs. 2 RVG) verstößt. Das Bundesverfassungsgericht stellt nunmehr fest, dass diese Rechtsprechung zu einer unverhältnismäßigen Beschränkung der Berufsfreiheit des Rechtsanwalts führt. Die Garantie der freien Berufsausübung schließt nach den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vielmehr die Freiheit ein, dass Entgelt für berufliche Leistungen frei mit den Interessenten auszuhandeln. Diese Berufsausübungsfreiheit wäre sei aber begrenzt durch wichtige Belange des Gemeinwohls, die sich zum Schutz des Mandanten in einem Mäßigungsgebot für den Rechtsanwalt manifestieren. Dieses, auch vom BGH, herangezogene Mäßigungsgebot rechtfertige allerdings nicht die strikte Beschränkung der vereinbarten Vergütung für Strafverteidigungen. Die Entkräftung der tatsächlichen Vermutung der Unangemessenheit einer vereinbarten Vergütung werde vom BGH von überzogenen Voraussetzungen abhängig gemacht, die, so das BVerfG weiter, das Regel-Ausnahme-Verhältnis von Freiheitsausübung und Freiheitsbeschränkung in verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigender Weise in sein Gegenteil verkehren würde. Die Rechtsprechung des BGH führe vielmehr dazu, dass die Vermutung der Unangemessenheit einer vereinbarten Vergütung nur bei „ganz ungewöhnlichen, geradezu extremen einzelfallbezogenen“ Umständen erschüttert werden könne. Nach Auffassung des BVerfG müsse dagegen im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere der Leistungen und des Aufwands des Rechtsanwalts, aber auch der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers, geprüft werden, ob die vereinbarte Vergütung auch bei einer mehrfachen Überschreitung der gesetzlichen Vergütung gleichwohl angemessen sei. Rechtsanwalt Benedikt Trockel