RA Dirk Hinne, Dortmund

KammerReport Nr. 5/2015 vom 15.12.2016

 

In vielen Fällen ist der Mandant nicht zur Zahlung der durch die Beauftragung des Rechtsanwalts entstehenden Vergütungsanspruchs in der Lage. In diesen Fällen ist eine Mandatsbearbeitung nur im Hinblick auf den im Erfolgsfall entstehenden Kostenerstattungsanspruch möglich. In der letzten Zeit mehren sich die Fälle, in denen die Kostenerstattung durch den Erstattungspflichtigen oder durch gerichtliche Entscheidungen verhindert worden ist. Der nachstehende Aufsatz zeigt die Problematik und Lösungsansätze auf.

I. Strafrecht

Im Strafrecht entstehen im Falle eines Freispruches Kostenerstattungsansprüche in Höhe der gesetzlichen Gebühren des Verteidigers gemäß §§ 467 oder 473 StPO. Diesen stehen in vielen Fällen Zahlungsansprüche der Staatskasse entgegen (z.B. Geldstrafen, Gerichtskosten aus anderen Verfahren). Grundsätzlich stehen sich diese Zahlungsansprüche in aufrechenbarer Form gegenüber, so dass die Staatskasse den Kostenerstattungsanspruch durch Aufrechnung gemäß §§ 387 ff. BGB zum Erlöschen bringen könnte.

Hiergegen kann sich der Rechtsanwalt schützen, indem er sich die Kostenerstattungsansprüche von dem Auftraggeber abtreten lässt. Eine solche Abtretung ist auch im Vorhinein, also noch vor dem Entstehen des abzutretenden Kostenerstattungsanspruchs möglich. Liegt eine Abtretung vor, so ist gemäß § 43 S.1 RVG eine Aufrechnung der Staatskasse gegenüber dem Rechtsanwalt unwirksam. Insbesondere gelten in diesem Fall auch die Schuldnerschutzvorschriften der §§ 406 f. BGB nicht.

Voraussetzung ist jedoch eine wirksame Abtretung, die zudem gemäß § 43 S.2 RVG zum Zeitpunkt der Aufrechnung zur Akte angezeigt sein muss. Viele Rechtsanwälte versuchen hier, sich möglichst einfach und vor allem rechtzeitig zu schützen, indem sie sich die Kostenerstattungsansprüche in der Vollmachtserteilung bereits abtreten lassen und die Vollmacht mit der in ihr erhaltenen Abtretungserklärung zur Akte reichen.

Dieser Versuch ist vergeblich. Mit dem OLG Nürnberg hat ein weiteres Obergericht entschieden, dass eine solche Abtretungserklärung unwirksam ist, weil eine die Abtretungserklärung enthaltende Vollmachtsklausel gegen § 305c BGB verstößt.[1]

Es ist deshalb dringend erforderlich, die Abtretung in einer gesonderten Urkunde zu verkörpern. Damit wird zugleich auch das Problem vermieden, dass Streit darüber entsteht, ob und wann der Abtretungsvertrag durch die Annahmeerklärung des Rechtsanwalts zustande gekommen ist. Zudem spricht § 43 S.2 RVG davon, dass eine Urkunde zur Akte gereicht werden soll. Eine solche ist nur entbehrlich, wenn der Beschuldige oder Betroffene die Abtretung angezeigt hat.

II.Sozialrecht

Eine nur teilweise vergleichbare Problematik besteht im Sozialrecht. Im Falle eines erfolgreichen Widerspruchs besteht ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 63 SGB X; im Falle einer erfolgreichen Klage besteht ein solcher nach § 193 SGG i.V.m. § 91 ZPO.

Dadurch, dass viele Sozialleistungen nur als Darlehen gegeben werden und vielfach Rückforderungsansprüche für Sozialleistungen bestehen, schlummert in jedem sozialrechtlichen Mandat die Gefahr einer Vernichtung von Kostenerstattungsansprüchen durch Aufrechnungen des Erstattungsverpflichteten.

Die Leistungsträger im Sozialrecht haben die Aufrechnung als Gestaltungsmöglichkeit erkannt. Das „Praxishandbuch für das Verfahren nach dem Sozialgerichtsgesetz“ der Bundesagentur für Arbeit als Kostenträgerin der ARGEn und JobCenter sieht ausdrücklich die Aufrechnung als Regelfall vor.

Die Frage ist, wie man sich vor dem Verlust der einzig realistischen Honorierung schützen kann. Grundsätzlich kommt auch im Sozialrecht eine Abtretung der Kostenerstattungsansprüche in Betracht. Im sozialrechtlichen Bereich fehlt jedoch eine Vorschrift wie § 43 RVG, so dass die Schuldnerschutzvorschriften des BGB anwendbar bleiben.

Bei bestimmten Fallkonstellationen ist auch ohne Abtretung der Kostenerstattungsansprüche eine Sicherung zu erreichen. Soweit das nicht der Fall ist, muss einstweilen mit dem Institut der Abtretung versucht werden, eine größtmögliche Sicherheit für den Vergütungsanspruch zu erreichen. Es sind deshalb verschiedene Sachlagen zu unterscheiden.

1.Außergerichtliche Vertretung auf der Basis der Bewilligung von Beratungshilfe

Soweit Beratungshilfe bewilligt ist, tritt gemäß § 9 S.2 BerHG ein Forderungsübergang auf den Rechtsanwalt ein, der alleiniger Gläubiger des Erstattungsanspruchs wird. Deshalb handelt es sich nicht um gegenseitige Forderungen; eine Aufrechnungslage ist nicht gegeben. Der Anspruch des Rechtsanwalts kann deshalb nicht durch Aufrechnung des Erstattungspflichtigen gegen eine ihm gegen den Auftraggeber bestehende Geldforderung vernichtet werden (LSG Mainz, Urteil vom 06.05.2015 – L 6 AS 34/15).

Ausnahmsweise stellt die Beratungshilfe hier einen Vorteil dar. Es ist deshalb unverzichtbar, den Berechtigungsschein als Voraussetzung für die anwaltliche Tätigkeit zu verlangen, denn § 9 BerHG geht davon aus, dass Beratungshilfe bewilligt worden ist. Das ist nach der aktuellen Praxis der Amtsgerichte bei der nachträglichen Beantragung von Beratungshilfe nicht der Fall; hier wird zumeist erst mit der Liquidation über die Bewilligung entschieden

2. Außergerichtliche Vertretung ohne Vorschuss und Schlusszahlung des Mandanten

Soweit der Gebührenanspruch des Rechtsanwalts von dem Mandanten nicht erfüllt worden ist, steht dem Mandanten gegenüber dem Erstattungspflichtigen kein Zahlungsanspruch, sondern nur ein Freistellungsanspruch zu.[2] Bei einer solchen Lage fehlt es zwischen dem Freistellungsanspruch und der zur Aufrechnung gestellten Geldforderung an der nach § 387 BGB erforderlichen Gleichartigkeit (Konnexität) der gegenseitigen Forderungen.[3]

Wird also die Aufrechnungserklärung zu einem Zeitpunkt abgegeben, in dem nur der Freistellungsanspruch besteht, ist sie unwirksam.[4]

Der Erstattungspflichtige kann auch keinen Zurückbehaltungsanspruch geltend machen, weil dieser gemäß § 273 BGB erfordert, dass nicht nur zwischen beiden Ansprüchen ein natürlicher wirtschaftlicher Zusammenhang aufgrund eines innerlich zusammenhängenden, einheitlichen Lebensverhältnisses besteht, sondern auch, dass es dem Gebot von Treu und Glauben widerspräche, würde der eine Anspruch ohne Beachtung des anderen durchgesetzt werden können.[5] Ein solch enger Zusammenhang, dass die Durchsetzung des Freistellungsanspruchs ohne Rücksicht auf die Forderung des Erstattungspflichtigen unbillig erschiene, besteht nicht.[6]

Für den Freistellungsanspruch ist es nicht erforderlich, dass die Gebührenforderung gegenüber dem Auftraggeber formell gemäß § 10 RVG abgerechnet worden ist.[7]

Auch hier ist der Rechtsanwalt vergleichsweise gut geschützt.

3. Gerichtliche Vertretung auf der Basis von Prozesskostenhilfe

Soweit Prozesskostenhilfe bewilligt ist, kann der Rechtsanwalt gemäß §§ 202 SGG, 126 Abs.1 ZPO die Gebühren gegenüber dem Gegner im eigenen Namen geltend machen. Davon sollte unbedingt Gebrauch gemacht werden, denn so besteht keine Personenidentität zwischen dem Rechtsanwalt als Inhaber des Kostenerstattungsanspruchs gegenüber dem Gegner und dem etwa gegenüber dem Gegner rückzahlungsverpflichteten Auftraggeber. Eine Aufrechnungslage besteht deshalb nicht.

4.Außergerichtliche und gerichtliche Vertretung in anderen Fällen

Ansonsten bleibt bei der außergerichtlichen Vertretung nur die Möglichkeit, den Kostenerstattungsanspruch durch eine Abtretung zu sichern. Hier sollte beachtet werden, dass auch bei sozialrechtlichen Mandaten eine Abtretung in der Vollmacht von der Rechtsprechung als überraschende Klausel i.S.v. § 305c angesehen werden wird.

Es muss daher stets bei Mandatsübernahme ein gesonderter schriftlicher Abtretungsvertrag abgeschlossen werden. Der Kostenerstattungsantrag gemäß § 63 SGB X sollte stets bereits mit der Einlegung des Rechtsmittels gestellt werden. Zugleich sollte die Abtretung durch Vorlage der Abtretungsurkunde zur Akte bekanntgegeben werden.

Ebenso sollte der Kostenantrag bei der Klageerhebung oder Einlegung von Rechtsmitteln mit dem Hauptsacheantrag verbunden und zugleich die Abtretung durch Vorlage der Urkunde bekanntgemacht werden.

Nur durch die sofortige Bekanntgabe der Abtretung kann die Zahl der Fälle minimiert werden, in denen dem Kostenerstattungsverpflichteten die Aufrechnung gemäß § 406 BGB möglich bleibt. Bei zu diesem Zeitpunkt bereits entstandenen Gegenforderungen hilft das jedoch nicht.


[1] OLG Nürnberg, Beschluss vom 25.03.2015 – 2 WS 426/15

[2] BSG, Urteil vom 02.12.2014 – B 14 AS 60/13 R

[3] LSG Mainz, Urteil vom 06.05.2015 – L 6 AS 288/13, Rn.21

[4] BGH, Urteil vom 28.06.1983 – VI ZR 285/81; Beschluss vom 09.07.2009 – IX ZR 135/08

[5] BGH, Urteil vom 20.12.2012 – IX ZR 130/10

[6] LSG Mainz, Urteil vom 06.05.2015 – L 6 AS 288/13, Rn.32

[7] BSG, Urteil vom 02.12.2015 – B 14 AS 60/13 R