von RA Dr. Mirko Möller, LL.M., Dortmund

KammerReport 5/2015 vom 15.12.2015

I. Einführung

Die Schutzschrift ist ein Kind der (Rechts-) Praxis. Sie ist ein Mittel, um sich gegen einen zu erwartenden Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Wehr zu setzen und zu erreichen, dass ein entsprechender Antrag zurückgewiesen, jedenfalls aber nicht ohne mündliche Verhandlung beschieden wird. Dabei kann die Schutzschrift sowohl Rechts- als auch Tatsachenausführungen beinhalten. Nicht selten werden mit einer Schutzschrift auch Glaubhaftmachungsmittel (Beispiel: eidesstattliche Versicherungen) vorgelegt.

Die Verlagerung eines wesentlichen Teils des Geschäfts- und Privatlebens in das Internet führt dazu, dass wegen des Gerichtsstandes der unerlaubten Handlung bzw. des Begehungsortes (vgl. etwa §§ 32 ZPO, 14 UWG) in immer mehr Fällen gleich eine Vielzahl von Gerichten zuständig ist, wobei die Wahl des Gerichts gemäß § 35 ZPO dem Kläger bzw. dem Antragssteller obliegt. Dies hat wiederum dazu geführt, dass Schutzschriften heute nicht mehr jeweils nur bei einem Gericht, sondern meist bei einer Vielzahl von Gerichten hinterlegt werden, verbunden mit der Hoffnung, auf diese Weise auch das gegebenenfalls angerufene Gericht zu erreichen. Seit rund acht Jahren gibt es ein von der Europäischen EDV-Akademie des Rechts (EEAR) betriebenes privates Schutzschriftenregister, bei dem Schutzschriften digital hinterlegt und von den Gerichten bei Eingang eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgerufen werden können. Der Nachteil dieses Registers besteht darin, dass die Teilnahme für die Gerichte nicht verpflichtend ist und einige durchaus bedeutsamen Gerichte die Teilnahme verweigern.

Der Gesetzgeber hat sich nunmehr dazu entschieden, zum 1. 1. 2016 ein amtliches Schutzschriftenregister einzuführen, dessen Nutzung sowohl für die Gerichte wie auch für die Rechtsanwälte (für Letztere allerdings erst ab dem 1. 1. 2017) verpflichtend wird. Im Zusammenhang mit der nunmehr unmittelbar bevorstehenden Einführung des amtlichen Schutzschriftenregisters stellen sich jedoch noch verschiedene Fragen, die zum jetzigen Zeitpunkt nur aufgeworfen, nicht jedoch beantwortet werden können. Der Bundesrat hat nämlich erst am 6. 11. 2015 der vom BMJV beschlossenen Schutzschriftenverordnung zugestimmt, allerdings mit der Maßgabe, dass es noch zur Streichung einer Regelung der Verordnung kommt. Bis zur endgültigen technischen Umsetzung bleiben nur noch wenige Wochen. In dieser Zeit müssen auch die vorstehend erwähnten Fragen beantwortet werden.

II. Gesetzgebungsverfahren und normative Grundlagen

1. Mit dem Gesetz zur Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. 10. 2013 (BGBl. I S. 3786) hat der Gesetzgeber die Einführung des amtlichen zentralen Schutzschriftenregisters beschlossen und mit den neu eingefügten §§ 945a, 945b ZPO die gesetzlichen Grundlagen geschaffen. Während § 945a ZPO grundlegende gesetzgeberische Vorgaben zum Schutzschriftenregister trifft, wird die Regelung der Einzelheiten durch § 945b ZPO dem BMJV übertragen (Verordnungsermächtigung, Zustimmung des Bundesrates erforderlich). Noch vor dem vorgesehenen Inkrafttreten dieser Normen zum 1. 1. 2016 hat der Deutsche Bundestag in seiner Sitzung vom 15. 10. 2015 Änderungen derselben beschlossen. Diese sind indes bislang kaum wahrgenommen worden, weil sie über den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Unterhaltsrechts und des Unterhaltsverfahrensrechts in das Gesetzgebungsverfahren „eingeschleust“ wurden (BT-Drs. 18/6380). In der Neufassung des § 945a ZPO ist nunmehr klargestellt, dass die Führung des Registers entsprechend einer zuvor erfolgten Abstimmung der Landesjustizverwaltung Hessen obliegt. Ferner hat der Gesetzgeber nunmehr selbst Gebührenregelungen im Justizverwaltungskostengesetz JVKostG vorgesehen und in der Folge die Verordnungsermächtigung des § 945b ZPO insofern teilweise zurückgenommen. Die Hinterlegung einer Schutzschrift wird zukünftig mit 83 Euro zu Buche schlagen (Ziff. 1160 KV JVKostG). Gebührenschuldner ist gemäß § 15a JVKostG n.F. derjenige, der die Schutzschrift einreicht.

2. Bereits im Juli hatte das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz dem Bundesrat eine Schutzschriftenregisterverordnung – SRV – vorgelegt (BR-Drs. 328/15). Die Bundesrechtsanwaltskammer hatte zu dem vorausgegangenen Referentenentwurf eine ausführliche Stellungnahme abgegeben (BRAK-Stellungnahme Nr. 11/2015). Während in der Stellungnahme der BRAK vor allem kritisiert worden war, dass der Verordnungsgeber die in § 1 IV SRV-E vorgesehene Suchfunktionalität nicht im Einzelnen selbst definiert, sondern diese letztlich dem Betreiber des Schutzschriftenregisters überlässt, hat der Bundesrat in seiner Sitzung vom 6. 11. 2015 beschlossen, der Verordnung mit der Maßgabe zuzustimmen, dass mit § 1 IV 2 SRV die einzige Regelung, die auch nur ansatzweise eine Beschreibung der Suchfunktionalität enthält, ersatzlos gestrichen wird. Die Regelung hatte vorgesehen, dass im Rahmen der Ähnlichkeitssuche auch die Suche nach grammatischen und phonetischen Ähnlichkeiten, nach Wortkombinationen, Alternativen sowie gleichem Zeichen- und Wortstamm möglich sein müsse. Die Maßgabe der Streichung wurde vom Bundesrat damit begründet, dass die direkte gesetzliche (?) Definition von einzelnen Funktionalitäten der technischen Ähnlichkeitssuche zu weit gehend sei. Darüber hinaus – und dies dürfte der eigentliche Grund sein – sei nach der mit den Ländern und dem BMJV bereits im Juni besprochenen „Feinkonzeption“ lediglich eine phonetische Suche vorgesehen und eine Suche in der in § 1 IV 2 2 SRV-E vorgesehenen Form sei bis zum Start des Schutzschriftenregisters nicht mehr umsetzbar.

3. Das Projekt „Zentrales Schutzschriftenregister“ ist durch eine bemerkenswerte zeitliche Staffelung des Inkrafttretens der verschiedenen Regelungen geprägt. Diese erscheint wenig durchdacht: Während die § 945a und 945b ZPO ebenso wie der größte Teil der SRV am 1. 1. 2016 in Kraft treten werden, wird die in § 49c BRAO n.F. vorgesehene Nutzungspflicht für Rechtsanwälte erst ab dem 1. 1. 2017 gelten. Völlig unverständlich ist indes, warum auch erst zu diesem Stichtag die Regelung des § 2 IV 2 SRV in Kraft treten soll, wonach die Schutzschrift auch ohne qualifizierte elektronische Signatur eingereicht werden kann, wenn die Schutzschrift über einen sicheren Übermittlungsweg – wozu auch das besondere elektronische Anwaltspostfach beA zählen soll – eingereicht wird (die Regelung des § 2 V Nr. 1 SRV, wonach auch der Versand über ein De-Mail-Konto als sicherer Übermittlungsweg angesehen wird, soll sogar erst am 1. 1. 2018 in Kraft treten, § 10 II SRV).

 

III. Ausblick

Zu den einleitend angesprochenen Fragen, die sich zwar zum Zeitpunkt der Drucklegung durchaus stellen, jedoch aus den besagten Gründen noch nicht beantwortet werden können, gehören vor allem die Folgenden:

  • - Wird die Erreichbarkeit des zentralen Schutzschriftenregisters über das beA bereits vor dem 1. 1. 2017 möglich sein? Falls ja: Was geschieht mit Schutzschriften, die vor diesem Stichtag zwar über beA an das Schutzschriftenregister übermittelt werden, die jedoch nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind? Werden diese auch ungeachtet der dann noch nicht in Kraft getretenen Regelung des § 2 IV 2 SRV angenommen und in das Register eingestellt oder werden diese bis zum Inkrafttreten am 1. 1. 2017 gemäß § 2 VI SRV zurückgewiesen?
  • - Über welche Internet-Domain wird das zentrale Schutzschriftenregister erreichbar sein? Welche Kommunikationsmöglichkeiten stehen weiterhin zur Verfügung?
  • - Wie werden die nach § 2 I 1 SRV erforderlichen Strukturdaten (Bezeichnung der Parteien, Angabe des Gegenstandes) erfasst und übermittelt? Derzeit gibt es Pläne, hierzu ein Tool auf einer Justiz-Internetseite zur Verfügung zu stellen, wobei noch unklar ist, wie der solchermaßen generierte Datensatz mit der Schutzschrift verbunden und an das Register übermittelt wird. Unklar ist auch, ob das beA-System so erweitert wird, dass die Strukturdaten unmittelbar dort erfasst werden können und ab welchem Zeitpunkt dies möglich sein wird.
  • Wie lange wird die Nutzung des bestehenden Registers der EEAR noch möglich sein? Bis wann werden die dort teilnehmenden Gerichte dort noch Schutzschriften abrufen? Was geschieht mit den dort hinterlegten Schutzschriften, werden diese in das amtliche Register übertragen? Kann die Hinterlegungszeit für diese noch verlängert werden?

Die Kammer wird die Entwicklung beobachten und die Mitglieder zeitnah informieren. Eines allerdings ist gewiss: Wer ganz sicher gehen will, dass er auch ab dem 1. 1. 2016 Schutzschriften (zentral) hinterlegen kann, der sollte sich – soweit nicht bereits vorhanden – umgehend eine Signaturkarte besorgen.