Für die Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens hat die BRAK Mindestanforderungen formuliert, um das Berufsgeheimnis bestmöglich zu schützen. Anlass dazu gab ein Verfassungsbeschwerdeverfahren, zu dem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die BRAK um Stellungnahme gebeten hatte.

In dem zugrundeliegenden Verfahren hatte ein Rechtsanwalt gegen seine frühere Mandantin eine Klage auf Zahlung (anteiligen) Honorars erhoben. Dagegen wehrte diese sich vor dem LG Augsburg mit der Behauptung, es habe eine Absprache gegeben, dass eine GmbH als „Prozessunterstützerin“ das Honorar zahlen solle und dies auch bereits getan habe. Während des Rechtsstreits erstattete die Mandantin Strafanzeige wegen Parteiverrats und Prozessbetrugs. Die zuständige Staatsanwaltschaft beantragte einen Durchsuchungsbeschluss, den das AG Hamburg ausstellte; die Kanzleiräume wurden sodann durchsucht.

Gegen den Durchsuchungsbeschluss legte der Rechtsanwalt Beschwerde beim LG Hamburg ein. Während des noch laufenden Beschwerdeverfahrens verurteilte das LG Augsburg die Mandantin zur Zahlung des begehrten Honorars, weil sich die behauptete entgegenstehende Absprache mit der „Prozessunterstützerin“ nicht nachweisen ließ. Die Beschwerde gegen den Durchsuchungsbeschluss verwarf das LG Hamburg später als unbegründet, weil der Durchsuchungsbeschluss zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtmäßig gewesen sei. Hiergegen wendet der Rechtsanwalt sich mit seiner Verfassungsbeschwerde.

In ihrer Stellungnahme hält die BRAK die Verfassungsbeschwerde für begründet; der Beschwerdeführer sei in seinem Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 I, II GG) verletzt. Bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen von Berufsgeheimnisträgern bestehe regelmäßig die Gefahr, dass geschützte Informationen von Nichtbeschuldigten den Behörden zugänglich gemacht werden. Der Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant, die für eine wirksame und geordnete Rechtspflege von allgemeinem Interesse ist, werde dadurch beeinträchtigt. Eine solche Maßnahme berühre nicht nur die Grundrechte des Mandanten, sondern auch die des Rechtsanwalts. Zudem stellt das Mandatsgeheimnis aus Sicht der BRAK auch eine subjektive Rechtsposition der Anwältin bzw. des Anwalts dar.

Aus der Rechtsprechung des BVerfG ergeben sich nach Ansicht der BRAK die folgenden Mindestanforderungen für die Durchsuchung von Kanzleiräumen:

  1. Eine besonders sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen, insbesondere hinsichtlich des Vorliegens und Grads des Tatverdachts sowie einer hinreichend konkreten Auffindevermutung für tatbezogene Beweismittel,
  2. eine strenge Erforderlichkeitsprüfung, die den hohen Anforderungen an den Schutz des Mandatsgeheimnisses genügt, insbesondere im Hinblick auf alternative, grundrechtsschonendere Ermittlungsmaßnahmen,
  3. die Prüfung der besonderen Anforderungen an die Angemessenheit von Durchsuchungen bei Berufsgeheimnisträgern im Hinblick auf die Schwere der Straftat, die Stärke des Tatverdachts und die Bedeutung des potenziellen Beweismittels für das Strafverfahren sowie den Grad des Auffindeverdachts, und
  4. eine möglichst präzise Eingrenzung und Bezeichnung der gesuchten Beweismittel sowie eine gegenständliche Beschränkung, um das Mandatsgeheimnis hinsichtlich unbeteiligter Dritter bestmöglich zu schützen.


Diesen Anforderungen genügten die mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Durchsuchungsbeschlüsse nach Ansicht der BRAK nicht. Eine hinreichende Abwägung des Schutzes des Mandatsgeheimnis im Rahmen einer besonders sorgfältigen Verhältnismäßigkeitsprüfung suche man in den Beschlüssen vergeblich.


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Stellungnahme Nr. 42/2024