Um besser gegen sexuellen Kindesmissbrauch vorgehen zu können, hat die Europäische Kommission bereits im Mai 2022 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Bekämpfung von Online-Kindesmissbrauch („Chatkontrolle“, CSAM) vorgelegt. Im Kern sollen danach Messenger- und Hostingdienstleister dazu verpflichtet werden, sämtliche Kommunikation über ihre Dienste darauf zu durchleuchten, ob sie Material enthalten, das sexuellen Kindesmissbrauch zeigt (CSA-Material), oder sog. Grooming, also Annäherungsversuche von Erwachsenen gegenüber Kindern in sexueller Missbrauchsabsicht.

Die geplante umfassende Aufdeckungs- und Meldepflicht privater Kommunikationsinhalte war auf massive Kritik gestoßen, unter anderem durch das Europäische Parlament (EP) und den Europäischen Datenschutzbeauftragten. Auch die BRAK hatte sich wegen der inakzeptabel weitreichenden Grundrechtseingriffe und möglicher Verletzungen des Mandatsgeheimnisses vehement gegen den Verordnungsentwurf ausgesprochen.

Im Oktober 2023 sprach sich das EP dafür aus, statt anlassloser Massenüberwachung privater Kommunikation nur eine gezielte Überwachung konkret verdächtiger Personen auf richterliche Anordnung zuzulassen. Im Februar 2024 einigten sich EP und Europäischer Rat darauf, eine im Jahr 2021 verabschiedete Übergangsmaßnahme zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern im Internet zunächst bis April 2026 zu verlängern; sie wäre ansonsten im August 2024 ausgelaufen.

Die aktuelle belgische Ratspräsidentschaft treibt die Verabschiedung der CSAM-Verordnung auf Ratsebene derzeit voran. Sie hat dazu einen Kompromissvorschlag vorgelegt, der einerseits das Auffinden von CSA-Material durch sog. Upload-Filter ermöglichen und andererseits die Vertraulichkeit der Kommunikation weitgehend wahren soll.

Die BRAK hat in einem Schreiben ihres Vizepräsidenten André Haug an Bundesinnenministerin Nancy Faeser und Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann eindringlich dazu aufgefordert, die ablehnende Haltung Deutschlands auch in den derzeitigen Diskussionen auf Ebene des Rates aufrecht zu erhalten. Die vorgeschlagenen Upload-Filter stellen aus Sicht der BRAK einen flächendeckenden und unverhältnismäßigen Grundrechtseingriff dar. Das Mandatsgeheimnis würde auch durch diese Lösung im elektronischen Raum weitgehend außer Kraft gesetzt. Das würde rechtsstaatlichen Ansprüchen nicht gerecht. In dem Schreiben zeigt Haug auch Mängel des Kompromissentwurfs im Detail auf.

Die eigentlich für den 20.6.2024 angesetzte Abstimmung über den Entwurf im Rat wurde kurzfristig vertagt. Der belgische Ratsvorsitz teilte mit, dass es nicht die nötige Mehrheit für eine Einigung gebe. Zuvor hatten sich neben Deutschland auch weitere Staaten gegen die Chatkontrolle ausgesprochen.

Zum 1.7.2024 geht die Ratspräsidentschaft auf Ungarn über. Dann liegt es bei der ungarischen Ratspräsidentschaft, eine Einigung im Rat zu erzielen. Bevor ein finaler Verordnungsentwurf in Kraft treten könnte, müssten dann noch Parlament und Kommission beteiligt werden.


Weiterführende Links:
Schreiben von BRAK-Vizepräsident Haug v. 12.6.2024
Nachrichten aus Brüssel 4/2024 v. 1.3.2024
Nachrichten aus Brüssel 22/2023 v. 8.12.2023
Nachrichten aus Brüssel 19/2023 v. 27.10.2023
Stellungnahme Nr. 22/2023 (zum Vorschlag der Kommission)
Vorschlag der Kommission (COM/2022/209 final)
Stellungnahme Nr. 65/2020 (zur Übergangsverordnung)