Wegen der Corona-Beschränkungen wurden im März 2020 die Möglichkeiten erweitert, strafgerichtliche Hauptverhandlungen zu unterbrechen. Die Regelung war befristet und wurde mehrfach verlängert; sie lief Ende Juni aus. Eine Wiedereinführung bei erneutem Aufflammen der Pandemie sieht die BRAK kritisch.
Durch das Gesetz zur Abmilderung der Folgen der Covid19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht, das am 28.3.2020 in Kraft trat, wurde in § 10 EGStPO eine erweiterte Möglichkeit geschaffen, strafgerichtliche Hauptverhandlungen zu unterbrechen. Die Regelung war befristet; nach mehrfacher Verlängerung lief sie zum 30.6.2022 aus.
Für den Fall, dass der Gesetzgeber künftig erneut die Einführung einer Vorschrift zur Hemmung der Unterbrechung der strafgerichtlichen Hauptverhandlung zum Zwecke der Verhinderung der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus für erforderlich erachten sollte, hält die BRAK eine Reihe von Einschränkungen für unumgänglich. Diese hat sie in einer aktuellen Stellungnahme formuliert.
Danach sollen mögliche Unterbrechungsgründe konkret benannt und die Unterbrechung entsprechend den Maßnahmen in anderen Lebensbereichen, wie etwa Quarantäne, beschränkt werden. Ferner solle die Höchstdauer der Hemmung entsprechend der Dauer der gesetzlichen Quarantäne verkürzt werden. Die Regelung müsse zudem auf Fälle beschränkt werden, in denen die Hauptverhandlung bereits an mindestens zehn Tagen stattgefunden habe. Auf Haftsachen dürfe die Regelung nicht angewandt werden; zumindest müsse aber die Untersuchungshaft in solchen Fällen beschränkt werden. Und schließlich dürfe die Hemmungsregelung nicht wiederholt in einer Sache angewendet werden.
Den Hintergrund für die Forderungen der BRAK bilden die umfangreichen praktischen Erfahrungen, die in den vergangenen zwei Jahren gemacht worden seien und die resultierende Probleme deutlich gemacht hätten. Ausfälle der Hauptverhandlung hätten hauptsächlich darauf beruht, dass Prozessbeteiligte unter Quarantäne standen. Die Anwendung der Hemmungsregelung dürfe jedenfalls nicht über den Umfang hinausgehen, in dem auch in anderen Lebensbereichen Maßnahmen zur Verhinderung einer Ausbreitung der Pandemie getroffen würden. Der Beschleunigungsgrundsatz und die Konzentrationsmaxime dürften nicht ohne Not noch weiter aufgeweicht werden. Gerade der in Art. 6 I 1 EMRK und Art. 2 II 2 GG abgesicherte Beschleunigungsgrundsatz diene dem Interesse des Beschuldigten, in möglichst kurzer Zeit über einen gegen ihn erhobenen Strafvorwurf endgültige Gewissheit zu haben. Und dieses Interesse wiege in Zeiten einer Pandemie nicht geringer, sondern bestehe im Gegenteil in besonderer Weise.
Bereits mit Präsidentenschreiben vom 25.5.2020 an das damalige Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz, hatte die BRAK gefordert, sicherzustellen, dass es in einem Prozess nicht zu einer mehrfachen Anwendung der Hemmungsvorschrift kommt. Die damals geäußerten Bedenken haben sich seitdem in der Praxis bestätigt.
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