Zehn Fragen zur Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft
Im Gespräch mit Dr. Renate Jaeger, Schlichterin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft

Ergänzend zur Vermittlung und Schlichtung auf regionaler Kammerebene ist zum 01.09.2009 in einem weiteren Schritt bei der Bundesrechtsanwaltskammer in Berlin eine unabhängige überregionale Schlichtungsstelle zur Schlichtung von Streitigkeiten zwischen Rechtsanwälten und ihren Auftraggebern eingereichtet worden. Zur ersten Schlichterin der Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft wurde FrauDr. Renate Jaegerbestellt. Sie ist Richterin am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg und wird ab Januar 2011 die Leitung der Schlichtungsstelle übernehmen und bei Konflikten zwischen Rechtsanwälten und Mandanten vermitteln. Wir sprachen mit der Geschäftsführerin der Schlichtungsstelle, Frau RAin Christina Müller-York,über Ablauf, Inhalt und Grundsätze des Schlichtungsverfahrens.

Warum ist eine Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft eingerichtet worden?

Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte erbringen täglich Rechtsdienstleistungen auf qualitativ hohem Niveau – in den meisten Fällen zur Zufriedenheit ihrer Mandanten. Dennoch kommt es manchmal zu Konflikten zwischen Rechtsanwalt und Mandant, sei es wegen tatsächlicher oder auch nur vermeintlicher Fehler, die dem Rechtsanwalt vorgeworfen werden. Die Schlichtungsstelle soll daher kostenfrei und schnell Missverständnisse aufklären und bei Fehlern helfen, unbürokratische Lösungen zu finden. Die rechtlichen Regelungen für die Schlichtungsstelle finden sich in § 191 f Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) und der Satzung der Schlichtungsstelle. Beide Texte sind – derzeit noch – auf den Internetseiten der BRAK eingestellt.

Die Kontaktdaten der Schlichtungsstelle lauten wie folgt:

Schlichtungsstelle der Rechtsanwaltschaft

Neue Grünstraße 17/18

10179 Berlin

Tel.: 030 / 2844417-0

Fax: 030 / 2844417-12

E-Mail: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.

 

Ist die Schlichtungsstelle unabhängig?

Die Schlichtungsstelle ist unabhängig und neutral – das ist gesetzlich garantiert. Dies wird zusätzlich dadurch unterstrichen, dass der Schlichter zwar die Befähigung zum Richteramt haben muss, aber kein Rechtsanwalt sein darf.

Ab welchem Zeitpunkt kann die Schlichtungsstelle angerufen werden?

Anträge auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens haben wir bereits das ganze Jahr über entgegengenommen. Zwischenzeitlich sind es bereits mehr als 140 Verfahren. Frau Dr. Jaeger wird diese entsprechend der zeitlichen Reihenfolge der Antragstellung bearbeiten. Wir treffen derzeit alle organisatorischen Vorbereitungen, dass die Schlichtungen Anfang kommenden Jahres unmittelbar beginnen können. Dazu gehört auch der Umzug in unsere neuen, für die Bedürfnisse der Schlichtungsstelle hervorragend geeigneten Büroräume in der Neuen Grünstraße am Spittelmarkt.

In welchen Fällen kann die Schlichtungsstelle angerufen werden?

Die Schlichtungsstelle kann bei Konflikten zwischen Mandant und Rechtsanwalt über Honoraransprüche oder Schadensersatzansprüche wegen vermuteter Beratungsfehler bis zu einer Höhe von 15.000 Euro angerufen werden. Bei einem Teilanspruch wird dabei der gesamte strittige Anspruch zur Bemessung des Wertes herangezogen. Unzulässig ist ein Schlichtungsantrag dann, wenn die Streitigkeit bereits vor einem Gericht anhängig war oder ist; die Streitigkeit durch einen außergerichtlichen Vergleich beigelegt wurde oder ein Anspruch auf Prozesskostenhilfe mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Erfolg bot oder mutwillig erschien. Unzulässigkeit ist gemäß der Satzung der Schlichtungsstelle des Weiteren gegeben, wenn von einem der an dem Schlichtungsverfahren Beteiligten Strafanzeige im Zusammenhang mit dem der Schlichtung zugrunde liegenden Sachverhalt erstattet wurde oder während des Schlichtungsverfahrens erstattet wird, eine berufsrechtliche Überprüfung des beanstandeten Verhaltens bei der zuständigen Rechtsanwaltskammer und/oder eine strafrechtliche Überprüfung des Verhaltens bei der Staatsanwaltschaft anhängig und dieses Verfahren noch nicht abgeschlossen ist oder vor einer Rechtsanwaltskammer bereits ein Vermittlungs- oder Schlichtungsverfahren durchgeführt wird oder wurde.

Kann denn der Antrag auf Schlichtung auch von Seiten des Rechtsanwalts gestellt werden?

Ja, selbstverständlich. In diesem Fall ist der Mandant Antragsgegner, am System der Schlichtung ändert sich jedoch nichts. Bereits heute liegen uns derartige Verfahren vor, allerdings machen sie nur einen Bruchteil aus. Es wäre jedoch wünschenswert, dass ihr Anteil steigt: Prozesse gegen die eigenen Mandanten dürften allgemein als unerfreulich gelten. Die Schlichtungsstelle möchte daher auch in diese Richtung erfolgreich Unterstützung leisten.

Ist der Rechtsanwalt verpflichtet, sich an dem Schlichtungsverfahren zu beteiligen?

Nein. Eine erfolgreiche Vermittlung setzt voraus, dass beide Parteien zum Dialog und zur Mitwirkung bereit sind. Der Schlichter kann die Parteien nur dabei unterstützen, den Konflikt einvernehmlich beizulegen.

Findet die Schlichtung mündlich oder schriftlich statt?

Das Schlichtungsverfahren findet grundsätzlich schriftlich statt. Der Schlichter gibt den Parteien Gelegenheit zur schriftlichen Stellungnahme und zur Vorlage von Beweisen, bevor er einen Lösungsvorschlag macht.

Kann der Schlichter verbindlich entscheiden?

Nein. Der Schlichter kann lediglich einen Einigungsvorschlag unterbreiten, den die Parteien annehmen oder auch ablehnen können. Bleibt ein Schlichtungsverfahren erfolglos, haben die Beteiligten immer noch das Recht, die Gerichte anzurufen.

Hemmt die Anrufung der Schlichtungsstelle die Verjährung eines Anspruchs?

Nein, der Antrag auf Durchführung eines Schlichtungsverfahrens hemmt die Verjährung nicht. Allerdings kann dies später entsprechend den gesetzlichen Voraussetzungen des § 203 BGB dann der Fall sein, wenn und solange zwischen den Parteien Verhandlungen schweben.

Kann der Schlichter die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens auch ablehnen?

Im Einzelfall kann der Schlichter die Durchführung eines Schlichtungsverfahrens auch ablehnen. Dies könnte dann der Fall sein, wenn eine Klärung des Sachverhalts ohne eine Beweisaufnahme nicht möglich ist oder ein Schlichtungsverfahren offensichtlich von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hat.

Wir wünschen der Schlichtungsstelle viel Erfolg!