Rechtsschutzversicherung in Disziplinar- und Strafverfahren
von RA Prof. Dr. Dieter Leuze, Essen / RAin Janine Alternberg, Oberhausen
Der Beitrag schildert die Rechtslage, die für rechtsschutzversicherte Beamte und Beschäftigte im öffentlichen Dienst in Disziplinar- und Strafverfahren hinsichtlich der Rechtsschutzversicherung gilt. Er unterzieht die Rechtspraxis einer kritischen Würdigung. Diese praxisorientierte Darstellung soll dem Beamten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst einzelne Probleme aufzeigen, die sich für ihn ergeben können, damit er rechtzeitig vorbeugen kann.
I. Einleitung
In der Praxis begegnet man nahezu täglich bei einer Mandatsübernahme dem Mandanten, der bereits im Erstgespräch dem Rechtsanwalt freudig mitteilt, die Kostenübernahme sei kein Problem, man sei schließlich rechtsschutzversichert.
Der Mandant geht regelmäßig davon aus, dass das Mandat in Hinblick auf die Rechtsanwaltskosten nunmehr unproblematisch übernommen werden kann und dass die Arbeit des in Anspruch genommenen Anwalts angemessen vergütet wird.
In der Praxis zeigt sich leider, dass die Realität mit den berechtigten Ansprüchen der Rechtsschutzversicherten nicht übereinstimmt. In vielen Fällen, insbesondere wenn es um einen disziplinarrechtlichen und/oder strafrechtlichen Vorwurf gegen Beamte geht, offenbart sich die aus Sicht der Versicherungsnehmer und der Anwaltschaft unerfreuliche Tendenz, dass die Rechtsschutzversicherungen zunehmend versuchen, sich mit eigenartigen Manövern aus ihren vertraglichen Pflichten herauszuwinden.
Ziel dieses Beitrages ist es, anhand des Beispiels der Rechtsschutzversicherungen in Disziplinar- und Strafverfahren die einzelnen Probleme aufzuzeigen.
II. Vertragliche Grundlagen
Die vertraglichen Grundlagen für eine Rechtsschutzversicherung sind in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutzversicherung (ARB) niedergelegt. Auch wenn im Kernbereich die Versicherungsbedingungen der einzelnen Gesellschaften sehr ähnlich sind, ist es in jedem Falle empfehlenswert, sich mit den einzelnen Klauseln in den Verträgen detailliert zu befassen. Es ist offensichtlich, dass manche Versicherungsgesellschaften sehr einfallsreich sind, wenn es darum geht, ihre vertraglichen Pflichten einzuschränken oder zu minimieren.
*Erstveröffentlichung in der DÖD 1/2011, S. 5-7, Abdruck mit freundlicher Genehmigung
1. Rechtsschutz in Disziplinarverfahren
Bei dem Rechtsschutz in Disziplinarverfahren wird durch die Rechtsschutzversicherungen in der Regel
»Disziplinar- und Standesrechtsschutz für die Verteidigung in Disziplinar- und Standesrechtsverfahren« zugesichert.
2. Rechtsschutz bei Strafverfahren
Bei strafrechtlichen Vorwürfen unterscheiden die Rechtsschutzversicherungen regelmäßig zwischen Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten. Vorsatztaten sollen bei einigen Versicherungsgesellschaften ebenso wie Verbrechenstatbestände pauschal vom Rechtsschutz ausgeschlossen werden, Fahrlässigkeitsvorwürfe unterliegen im Regelfall dem Versicherungsschutz.
Es finden sich in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen Formulierungen wie:
»Straf-Rechtsschutz für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines verkehrsrechtlichen Vergehens sowie eines sonstigen Vergehens, dessen vorsätzliche wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist. Wird rechtskräftig festgestellt, dass der Versicherungsnehmer das Vergehen vorsätzlich begangen hat, ist er verpflichtet, dem Versicherer die Kosten zu erstatten, die dieser für die Verteidigung wegen des Vorwurfes eines vorsätzlichen Verhaltens getragen hat.«[1]
oder:
»Straf-Rechtsschutz für die Verteidigung wegen des Vorwurfs
a) eines verkehrsrechtlichen Vergehens [. . .]
b) eines sonstigen Vergehens, dessen vorsätzliche
wie auch fahrlässige Begehung strafbar ist, solange dem Versicherungsnehmer ein fahrlässiges Verhalten vorgeworfen wird. Wird dem Versicherungsnehmer dagegen vorgeworfen, ein solches Vergehen vorsätzlich begangen zu haben, besteht rückwirkend Versicherungsschutz, wenn nicht rechtskräftig festgestellt wurde, dass er vorsätzlich gehandelt hat. Es besteht also bei dem Vorwurf eines Verbrechens kein Versicherungsschutz; ebenso wenig bei dem Vorwurf eines Vergehens, das nur vorsätzlich begangen werden kann (z. B. Beleidigung, Diebstahl, Betrug, gefährliche Körperverletzung). Dabei kommt es weder auf die Berechtigung des Vorwurfs noch auf den Ausgang des Strafverfahrens an.«[2]
Diese gestelzten Formulierungen machen immerhin klar, dass mitunter ein Rechtsschutz im Falle eines Strafverfahrens überhaupt nicht oder nur in engen Grenzen besteht.
3. Zusammentreffen von Disziplinar- und Strafverfahren
Mitunter erhebliche Schwierigkeiten bei der Kostenerstattungsfrage ergeben sich, wenn ein Disziplinarverfahren gegen einen Beamten mit dem Hintergrund eines Strafverfahrens geführt wird. Während einige Versicherungsgesellschaften diese Verquickung der beiden Rechtsgebiete nicht gesondert in ihre ARB aufnehmen, versuchen andere Versicherer, sich durch entsprechende Formulierungen auch hier einer Einstandspflicht zu entziehen. Dem Einfallsreichtum sind hier keine Grenzen gesetzt. So finden sich z. B. folgende Aussagen:
»Rechtsschutz besteht nicht für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen soweit in den Fällen des . . . [Verweis auf die Vorschriften, die u. a. den Disziplinar- und Strafrechtsschutz erfassen] ein ursächlicher Zusammenhang mit einer vom Versicherungsnehmer vorsätzlich begangenen Straftat besteht. Stellt sich ein solcher Zusammenhang im Nachhinein heraus, ist der Versicherungsnehmer zur Rückzahlung der Leistungen verpflichtet, die der Versicherer für ihn erbracht hat.«[3]
In der Praxis führt dies zu dem seltsamen Ergebnis, dass die Rechtsschutzversicherung bei einem gegen einen Beamten geführten Disziplinarverfahren, das vor dem Hintergrund des rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens wegen eines Vorsatzdeliktes eingeleitet wurde, zwar für das erstinstanzliche Disziplinarverfahren die Rechtsanwaltskosten übernimmt, die Kostenübernahme der zweiten Instanz jedoch ablehnt mit der Begründung, das Disziplinarverfahren werde nunmehr (augenscheinlich) im ursächlichen Zusammenhang mit einer vom Versicherungsnehmer vorsätzlich begangenen Straftat geführt. Bei diesem Vorgehen verhalten sich die Rechtsschutzversicherungen inkonsequent, weil der strafrechtliche Vorwurf a priori bekannt ist. Willkürliches Verhalten einzelner Sachbearbeiter kann oft nur durch eine zeitraubende Korrespondenz mit den zuständigen Vorgesetzten ausgeräumt werden.
III. Komplikationen bei der Kostenübernahme in den Fällen der §§ 153 und 153 a StPO
Bei dem für Verteidiger und Mandant erfreulichen Abschluss eines Strafverfahrens durch die Einstellungsverfügung nach §§ 153 oder § 153 a StPO wird die Freude über das Verteidigungsergebnis meist dadurch getrübt, dass die Rechtsschutzversicherungen Kostenübernahmen ablehnen.
Die Freude über die Einstellung des Verfahrens hat der Strafverteidiger deshalb, weil nach der Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes[4] die Unschuldsvermutung durch eine Einstellung nach §§ 153, 153 a StPO nicht beseitigt wird. Viele Rechtsschutzversicherungen realisieren auch nicht, dass eine solche Verfahrenseinstellung nicht als strafrechtliche Erkenntnis im Sinne des § 79 Abs. 1 BVerfG gilt und damit die schuldhafte Verletzung eines Strafgesetzes gerade nicht festgestellt wird[5]. Wenn der Verteidiger die Rechtsschutzversicherung »aufklärt«, kommt es meist zu einem Einlenken, das aber doch mit der trotzigen Feststellung garniert wird, es liege immerhin ein vorsätzlich begangenes Delikt vor.
Ist man mit einer ARB wie im zweiten oben aufgeführten Beispiel konfrontiert, bei dem es nicht auf das Verfahrensergebnis ankommt, sondern allein auf den Tatvorwurf als solchen, muss man sich die Kostenübernahme in der Regel erstreiten und nimmt bei einem solchen Prozess einen ergebnisoffenen Ausgang in Kauf. Da dieser Rechtsstreit vor den Zivilgerichten geführt wird und die Zivilrichter wenig Neigung zeigen, in strafprozessuale Besonderheiten einzusteigen, wird nur die vertragliche Beziehung geprüft. Ein solches Vorgehen schmälert aber die Erfolgsaussichten des klagenden Versicherungsnehmers. Dies führt nach Ansicht der Verfasser zu der unerträglichen Situation, dass eine Kostenübernahme ggf. schon allein durch eine Einleitungsverfügung des Strafverfahrens abgelehnt werden kann, sobald ein Vorsatzdelikt genannt wird. Dies gilt unabhängig davon, ob die Ermittlungen wegen dieses Vorwurfes erfolgreich oder erfolglos sind. Vor dem Hintergrund, dass oftmals von den Geschäftsstellen der Staatsanwaltschaften zunächst die von den mit Nicht-Juristen besetzten Polizeidienststellen als richtig erkannten Strafnormen in die Aktendeckel übertragen werden, obwohl später möglicherweise die Ermittlungen wegen eines anderen Deliktes weitergeführt werden, begegnet diese Vorgehensweise der Rechtsschutzversicherungen massiven Bedenken. Nach Ansicht der Verfasser wäre eine gerichtliche Überprüfung derartiger Versicherungsklauseln dringend geboten.
Ist man hingegen mit ARB-Formulierungen wie in dem ersten Beispiel konfrontiert, sollte sich der Rechtsanwalt vergewissern, ob es sich bei dem Delikt um einen Straftatbestand handelt, der nur vorsätzlich begangen werden kann. Nicht allen Rechtsschutzversicherungen ist bekannt, dass es – insbesondere im Insolvenz- und Wirtschaftsstrafrecht – Straftatbestände gibt, die sowohl fahrlässig als auch vorsätzlich begehbar sind (beispielsweise §§ 283 Abs. 4 StGB, § 84 Abs. 2 GmbHG und § 401 Abs. 2 AktG). Ein Hinweis an die betreffende Rechtsschutzversicherung ist in diesem Falle unentbehrlich. In den meisten Fällen kommen die Rechtsschutzversicherungen dann doch mit einem gewissen Unmut, der sich aus der zuvor erfolgten Korrespondenz ergibt, ihrer Kostentragungspflicht nach.
IV. Problem Honorarvereinbarungen
Ein weiteres Problem zeigt sich bzgl. der Höhe der Kostenübernahme eines Rechtsanwaltes. Den Rechtsanwälten dürfte hinlänglich bekannt sein, dass es in umfangreichen Disziplinar- und Strafverfahren kaum kostendeckend ist, nach den gesetzlichen Gebühren abzurechnen.
Demgemäß schließt man mit den Mandanten eine Honorarvereinbarung – zumeist über ein Stundenhonorar – ab. Hier empfiehlt es sich, im Vorfeld bereits eine Kostenzusage der Rechtsschutzversicherung einzuholen, da anderenfalls sowohl für den Rechtsanwalt als auch für den Mandanten ein böses Erwachen droht.
Einige Versicherungsgesellschaften sichern nämlich von vornherein nur die Erstattung der gesetzlichen Gebühren zu. Andere Versicherungsgesellschaften zeigen sich kulanter und tragen Honorarvereinbarungen mit Stundenhonoraren, aus der Erfahrung der Verfasser jedoch nur bis zu einem Stundensatz von ca. 100,00 c. Darüber hinaus tun sich die Rechtsschutzversicherungen schwer, die Anwaltkosten zu tragen.
V. Ausblick
Aufgrund der neuerlichen Entwicklung, dass mittlerweile eine Rechtsschutzversicherungsgesellschaft eine Rechtsschutzversicherung mit »variabler Selbstbeteiligung« anbietet, hinter der sich verbirgt, dass der Versicherungsnehmer eine günstigere Schadensfreiheitsklasse erhält, wenn er sich einen Rechtsanwalt aus der bei der Versicherungsgesellschaft geführten Liste auswählt und somit eindeutig nun auch noch in das Recht der freien Anwaltswahl nach § 127 VVG eingegriffen werden soll, stellen sich die Verfasser die berechtigte Frage, ob es bei den Rechtsschutzversicherungen tatsächlich um Hilfe für einen Rechtssuchenden handelt, oder vielmehr um einen mittlerweile undurchschaubaren Paragraphendschungel, der sich zum Ziel gesetzt hat, möglichst oft die Eintrittspflicht der Versicherungen zu verhindern. Aus Sicht der Verfasser ist das Gebaren der Rechtsschutzversicherungen höchst bedenklich.
[1] ARB für Rechtsschutzversicherungen der ÖRAG (gültig ab 1. 1. 2008)
[2] ARB für Rechtsschutzversicherungen der HUK-Coburg (Stand 1. 10. 2009)
[3] ARB für Rechtsschutzversicherungen der HUK-Coburg (Stand 1. 10. 2009)
[4] Vgl. BVerfG NJW 1990, 2741; StV 1996, 163; BVerfGE 1982, 106 und BVerfGE 1991, 1530.
[5] Vgl. auch OLG Frankfurt, NJW 1996, 3354.