An die Opfer des NS-Regimes in der Zeit von 1933 bis 1945, zu denen 25 % der Anwaltschaft zählten, erinnert die BRAK seit vielen Jahren mit der Wanderausstellung "Anwalt ohne Recht". Was bislang fehlte, war die Aufarbeitung der Frage, welche Rolle die Reichs-Rechtsanwaltskammer und die dort Verantwortlichen hierbei genau spielten.
Diese Lücke schloss der Freiburger Rechtshistoriker Prof. Dr. Frank L. Schäfer mit dem Werk „Rechtsanwälte als Täter – Die Geschichte der Reichs-Rechtsanwaltskammer“.
In der von der BRAK in Auftrag gegebenen Studie widmet sich Schäfer der angesichts recht schwierigen Quellenlage diffizilen Aufgabe, die Rolle der Anwaltschaft auch auf Täterseite ans Licht zu bringen. Schäfer untersucht die Vorgeschichte der Reichs-Rechtsanwaltskammer (RRAK) von den Plänen in den späten Weimarer Jahren bis zur Rechtsnachfolge durch die Bundesrechtsanwaltskammer. Er bündelt dabei die bislang weit verstreuten Forschungsergebnisse und ergänzt diese durch neue Erkenntnisse, um ein Gesamtbild dieser Institution zu zeichnen.
BRAK-Präsident Rechtsanwalt und Notar Dr. Ulrich Wessels betont im Vorwort des Buches, wie wichtig die intensive Auseinandersetzung mit unserer Geschichte im Interesse unserer Zukunft ist:
„Angesichts der aktuellen politischen Entwicklungen ist ein kritischer Blick auf die unrühmliche Rolle der Anwaltschaft in der Zeit des Nationalsozialismus unumgänglich. Es war ein gesamtgesellschaftliches Versagen, das Terror, Vertreibung und Mord durch eine Partei zuließ und in den Holocaust mündete. Anwälte und Anwältinnen waren nicht nur unter den Opfern des NS-Regimes – sie waren auch Täter.
Das Versagen der Selbstverwaltung und ihr Mitwirken an einer Terror-Diktatur soll uns eine Mahnung sein: In einer gelebten Demokratie gilt es, den gegenseitigen Respekt zu wahren, den Rechtsstaat zu bewahren und allen Bestrebungen, die sich gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung richten, besonnen, aber klar entgegenzuwirken. Das sind wir Anwältinnen und Anwälte als Organe dieses Rechtsstaats persönlich und in unserer Verantwortung als Selbstverwaltung schuldig!“
Das Werk wurde am 7.11.2024 in Hannover im Rahmen einer Veranstaltung der interessierten Fachöffentlichkeit präsentiert. Sie komplementierte die von der BRAK und dem Institut für Prozess- und Anwaltsrecht der Universität Hannover gemeinsam veranstaltete Konferenz „Anwaltschaft im Blick der Wissenschaft“, die sich am Folgetag unter dem Titel „Wie resilient ist die Anwaltschaft“ mit den aktuellen Herausforderungen für den Rechtsstaat und die anwaltliche Selbstverwaltung und mit Bedrohungslagen für Anwältinnen und Anwälte angesichts erstarkender antidemokratischer Kräfte.
Weiterführende Links:
- Buch: „Rechtsanwälte als Täter“, Herausgeberin Bundesrechtsanwaltskammer, Autor: Prof. Dr. Frank L. Schäfer, Vorwort: Dr. Ulrich Wessels, Präsident der Bundesrechtsanwaltskammer, 1. Auflage 2024, 378 Seiten, Lexikonformat, gbd., 119 Euro, versandkostenfrei, ISBN 978-3-504-01016-4, Bestellungen unter otto-schmidt.de.
- Konferenzwebsite: „Wie resilient ist die Anwaltschaft?“
- „Anwalt ohne Recht“ – Wanderausstellung der BRAK
- Buch: „Anwalt ohne Recht. Das Schicksal jüdischer Rechtsanwälte in Berlin nach 1933“, Autorin: Simone Ladwig-Winters, 2. Auflage 2007, Herausgeber Rechtsanwaltskammer Berlin, Lexikonformat, ISBN: 978-3-89809-075-9, be.bra Verlag