Die Digitalisierung in der Justiz soll weiter vorangetrieben werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung vom März 2024 sieht dazu vor allem Änderungen im Bereich des elektronischen Rechtsverkehrs und der elektronischen Aktenführung in allen Verfahrensordnungen vor.
In ihrer Stellungnahme zu dem Regierungsentwurf setzt die BRAK sich mit der geplanten Neuregelung des § 350 StPO, der die Möglichkeit von Verhandlungen per Videokonferenz in der Revisionsinstanz betrifft. Sie begrüßt ausdrücklich, dass die Rechte von inhaftierten Angeklagten gestärkt werden sollen, indem sie auf Antrag zwingend zu beteiligen sind, wenn das Gericht von ihrer Vorführung absieht.
Die BRAK kritisiert jedoch eine Reihe weiterer Punkte. Sie bemängelt insbesondere, dass die persönliche Anwesenheit der Staatsanwaltschaft nunmehr der Disposition des Vertreters der Staatsanwaltschaft unterliegen soll; bislang musste zumindest ein Vertreter der Staatsanwaltschaft beim Revisionsgericht anwesend sein. Kritisch sieht die BRAK auch, dass die räumliche Anwesenheit des Verteidigers in Fällen der notwendigen Verteidigung nunmehr nicht mehr zwingend sein soll. Angesichts geringer anwaltlicher Gebühren für (Pflicht-)Verteidiger und des regelmäßig großen Aufwands der An- und Abreise des auswärtigen Anwalts hält die BRAK für wahrscheinlich, dass die (am Ort des Revisionsgerichts ansässige) Staatsanwaltschaft weitaus häufiger in Präsenz anwesend sein wird als die Verteidigung; sie sieht die Gefahr, dass dies zu einem Ungleichgewicht zu Lasten des Angeklagten führen kann.
Die BRAK äußert sich zudem ausführlich zu der geplanten Möglichkeit, Strafanträge künftig per einfacher E-Mail zu stellen. Eine Notwendigkeit für die Neuregelung des § 158 StPO sieht sie im Ergebnis nicht.
Die angedachten Änderungen des § 114b I StPO, wonach die Belehrung des Beschuldigten optional von der Staatsanwaltschaft oder ihren Ermittlungspersonen in Gegenwart des Beschuldigten zu protokollieren oder auf sonstige Weise zu dokumentieren ist, hält die BRAK für inakzeptabel und möglicherweise europarechtswidrig. Bislang erfordert das Gesetz die Schriftform der Belehrung und eine schriftliche Bestätigung ihres Erhalts. Darin sieht die BRAK einen zentralen Fortschritt zur Schaffung von Mindeststandards in allen Strafverfahren innerhalb der EU. Die Bestätigung der Belehrung durch die Ermittlungspersonen anstatt durch den Beschuldigten vermindert an einer für die Wahrung der Beschuldigtenrechte wesentlichen Stelle die Möglichkeiten zur späteren Überprüfung, ob die Belehrungspflichten eingehalten wurden.
Bereits zu dem Ende Oktober 2023 vorgelegten Referentenentwurf des Gesetzes hatte die BRAK sich kritisch geäußert.
Weiterführende Links:
Stellungnahme Nr. 20/2024
Regierungsentwurf
Stellungnahme Nr. 65/2023 (zum Referentenentwurf)
Nachrichten aus Berlin 22/2023 v. 1.11.2023 (zum Referentenentwurf)
achrichten aus Berlin 24/2023 v. 29.11.2023 (zum Referentenentwurf)