Die Präsidentinnen und Präsidenten der 28 Rechtsanwaltskammern kamen am 26.4.2024 in Warnemünde zu ihrer halbjährlichen Hauptversammlung zusammen. Neben den turnusmäßig anstehenden Beratungen über Haushaltsfragen standen eine Reihe aktueller rechtspolitischer Themen auf der Tagesordnung.

Eines davon war der Entwurf eines Gesetzes zur Regelung hybrider und virtueller Versammlungen für die Kammern der rechts- und steuerberatenden Berufe, mit dem unter anderem eine anlasslose Überprüfung anwaltlicher Sammelanderkonten durch die Rechtsanwaltskammern eingeführt werden soll. Die umstrittene Regelung soll Probleme bei anwaltlichen Sammelanderkonten aufgrund schärferer Vorschriften zur Geldwäscheprävention eindämmen, schafft aus Sicht der Rechtsanwaltskammern aber neue Probleme; sie lehnen diesen Regelungsvorschlag daher einhellig und strikt ab. Auch die BRAK legte ihre ablehnende Auffassung jüngst in einer Stellungnahme dar. Zu dem Gesetzentwurf fand am 24.4.2024 eine Anhörung im Bundestags-Rechtsausschuss statt; viele der dort gehörten Expertinnen und Experten äußerten ebenfalls Bedenken hinsichtlich der Bürokratie und der Belastung für die Kammern.

Kritisch sehen die Kammerpräsidentinnen und -präsidenten auch die geplante Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts für die Amtsgerichte von 5.000 auf 8.000 Euro. Sie äußerten Bedenken unter anderem, weil unklar sei, wie die Amtsgerichte mit der schon jetzt mangelhaften personellen Ausstattung die zusätzlichen Fälle schaffen sollen; eine massive Verlängerung von Verfahrensdauern sei zu befürchten. Entschieden verwahrten sie sich dagegen, dass in diesem Zusammenhang mit Einsparungen infolge des Wegfalls des sog. Anwaltszwangs für eine Reihe von Verfahren geworben werde; dabei würden die Aufwendungen für eine anwaltliche Vertretung generell, aber insbesondere in Prozess- und Verfahrenskostenhilfesachen, als reiner Kostenfaktor angesehen – ohne einen Blick auf ihre Bedeutung für den Zugang zum Recht.

Auf der Tagesordnung standen außerdem Zukunftsthemen wie die derzeit geplante Erprobungsgesetzgebung für ein Online-Verfahren für geringerwertige Streitigkeiten sowie die Expertinnen- und Expertenkommission „Zukunft der Justiz“, an der die BRAK sich mit zwei Expertinnen bzw. Experten beteiligen wird. Kritisch sieht die Hauptversammlung, dass Wechselwirkungen mit den vielen weiteren Vorhaben im Bereich des Zivilprozesses, besonderes mit der geplanten Anhebung des Zuständigkeitsstreitwerts, bislang nicht beachtet werden.

Die Hauptversammlung befasste sich außerdem mit den aktuellen Problemen bei der Gewinnung und Ausbildung von Rechtsanwaltsfachangestellten. Dabei wurden Bereiche identifiziert, in denen Verbesserungen notwendig sind, insbesondere Fortbildungsmöglichkeiten und die Qualität der theoretischen Ausbildung an den Berufsschulen sowie der praktischen Ausbildung. Einigkeit bestand, dass die Kammern als für Ausbildung zuständige Stellen sich künftig enger vernetzen und austauschen wollen, um dem zunehmenden Fachkräftemangel gemeinsam entgegenzuwirken.


Weiterführende Links:
Stellungnahme Nr. 24/2024 (zur anlasslosen Kontrolle von Sammelanderkonten)
Nachrichten aus Berlin 8/2024 v. 18.4.2024
BRAK-News v. 25.4.2024
Stellungnahme Nr. 26/2024 (zum Zuständigkeitsstreitwert)
Nachrichten aus Berlin 6/2024 v. 20.3.2024
Nachrichten aus Berlin 23/2023 v. 15.11.2023 (zum Online-Verfahren)