Mit dem Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten sollen an diesen Gerichten künftig verstärkt Videoverhandlungen etabliert werden. Den Regierungsentwurf dieses Gesetzes hat das Bundeskabinett Anfang Juni beschlossen.
In ihrer Stellungnahme dazu begrüßt die BRAK weiterhin uneingeschränkt die grundsätzliche Förderung von Videoverhandlungen. Denn Gerichtsverfahren müssten zukunftssicher gestaltet und das Digitalisierungsdefizit abgebaut werden. Die vermehrte Nutzung von Videokonferenztechnik lässt aus ihrer Sicht zudem eine deutliche Beschleunigung der Verfahren erwarten, da nicht nur lange Anreisewege entfallen, sondern auch die Anzahl von Verlegungsanträgen sinken dürfte.
An den konkreten Regelungsvorschlägen übt die BRAK jedoch weiterhin Kritik. Bereits in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf hatte sie sich für ein Konzept von Videoverhandlungen ausgesprochen, in dessen Zentrum die Dispositionsmaxime steht. Dies bedeutet, dass das Gericht nicht gegen den Willen beider Parteien eine Onlineverhandlung anordnen oder nicht durchführen kann. Die im Referentenentwurf enthaltene Anordnungsbefugnis des Gerichts mit Beschwerdemöglichkeit wurde aus Sicht der BRAK den Parteiinteressen nicht gerecht und hätte zu Verfahrensverzögerungen geführt.
Der Regierungsentwurf enthält entscheidende Verbesserungen, die zwar nicht ganz der ursprünglichen Forderung der BRAK entsprechen, jedoch dem Schutz der Dispositionsmaxime hinreichend Rechnung tragen. Vorgesehen ist nunmehr ein Einspruch der Parteien gegen die richterliche Anordnung einer Videoverhandlung. Er bedarf keiner Begründung und führt unmittelbar dazu, dass mündlich zu verhandeln ist. Videoverhandlungen von Amts wegen gegen den Willen der Parteien kann es damit nicht mehr geben.
Für unverständlich hält die BRAK hingegen, dass die Freiheit der Parteien nicht auch dann gleichermaßen schützenswert sein soll, wenn sie sich übereinstimmend für eine Onlineverhandlung aussprechen. Ihre insofern schon am Referentenentwurf geäußerte Kritik erhält die BRAK daher aufrecht. Das Gericht verfügt ihrer Ansicht nach über ausreichende Möglichkeiten der Verfahrensleitung, ohne sich über den übereinstimmenden Wunsch der Parteien nach einer Onlineverhandlung hinwegsetzen zu müssen. Die BRAK fordert daher mit Nachdruck eine Regelung, die eine Bindung des Gerichts an den Parteiwillen sicherstellt.
Die BRAK wird sich auch weiterhin aktiv in das parlamentarische Verfahren einbringen. Sie ist als Sachverständige für die am 18.10.2023 im Rechtsausschuss des Deutschen Bundestags stattfindende Anhörung geladen.
Weiterführende Links:
Stellungnahme Nr. 60/2023
Regierungsentwurf
Nachrichten aus Berlin 18/2023 v. 6.9.2023 (zum weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens)
Stellungnahme 5/2023 (zum Referentenentwurf)