Strafgerichtliche Hauptverhandlungen sollen spätestens ab 2030 in Ton und Bild dokumentiert werden. Die Dokumentation soll automatisiert in Text übertragen werden. Diese in der Fachöffentlichkeit seit Langem diskutierten Änderungen will ein aktueller Gesetzentwurf des Bundesjustizministeriums nun umsetzen.
Strafgerichtliche Hauptverhandlungen sollen künftig mit Bild-Ton-Aufzeichnungen dokumentiert und zudem automatisch in Textdokumente transkribiert werden. Das ist das Kernziel des vom Bundesministerium der Justiz jüngst vorgelegten Referentenentwurfs für ein Gesetz zur digitalen Dokumentation der strafgerichtlichen Hauptverhandlung. Damit wird ein Vorhaben umgesetzt, das sich die Regierungsparteien im Koalitionsvertrag gesetzt hatten; es ist auch Bestandteil der Ende August verabschiedeten Digitalstrategie der Bundesregierung.
Mit dem Entwurf soll eine Grundlage für die Aufzeichnung der gesamten Hauptverhandlung in Bild und Ton geschaffen werden. Umfasst sind Hauptverhandlungen in erstinstanzlichen Verfahren vor Landgerichten und Oberlandesgerichten. Die Tonaufzeichnung soll automatisiert in ein Textdokument übertragen werden. Diese Dokumentation soll den Verfahrensbeteiligten als Arbeitsmittel neben dem Formalprotokoll zur Verfügung stehen. Bei technischen Ausfällen soll der Fortgang der Hauptverhandlung Vorrang haben. Unter bestimmten Voraussetzungen sollen die Aufzeichnungen auch in anderen Verfahren verwendet werden dürfen. Die Persönlichkeitsrechte der aufgezeichneten Personen sollen verfahrensrechtlich und materiell-strafrechtlich geschützt werden. Eingriffe in das Revisionsrecht sind durch die Einführung der Dokumentations- und Transkriptionspflicht nicht vorgesehen.
Eingeführt werden soll die Dokumentations- und Transkriptionspflicht ein Jahr nach Verkündung des Gesetzes. Während einer Pilotierungsphase bis zum 1.1.2030 können die Länder abweichende Regelungen dazu treffen, ab wann an welchen Gerichten oder Spruchkörpern aufgezeichnet wird. Für Staatsschutzsenate sollen abweichende Regelungen nur bis zum 1.1.2026 möglich sein, ab dann soll die Dokumentations- und Transkriptionspflicht ausnahmslos gelten. Das setzt voraus, dass erste Pilotierungen in Staatsschutzsenaten bereits im Jahr 2025 erfolgen.
Bei der technischen und organisatorischen Umsetzung gibt der Entwurf den Ländern einen erheblichen Spielraum, damit diese den unterschiedlichen Gegebenheiten in Justizverwaltungen und Gerichten Rechnung tragen können. Der Bund ist bereit, gemeinsam mit den Ländern eine Referenzimplementierung zu entwickeln, die in der ersten Phase der Pilotierung spätestens ab dem Jahr 2025 bei einzelnen Staatsschutzsenaten getestet, sodann bis zum 1.1.2026 bei allen Staatsschutzsenaten eingeführt und nach der Testphase für die weitere Nutzung für alle Gerichte angewandt werden könnte.
Die BRAK wird sich eingehend mit dem Entwurf befassen und eine Stellungnahme dazu erarbeiten. Sie hatte bereits in der Vergangenheit angemahnt, dass die digitale Dokumentation strafgerichtlicher Hauptverhandlungen kurzfristig umgesetzt werden müsse.
Weiterführende Links:
- Pressemitteilung des BMJ v. 22.11.2022
- Referentenentwurf
- Nachrichten aus Berlin 18/2022 v. 7.9.2022 (zur Digitalstrategie der Bundesregierung)
- Stellungnahme Nr. 60/2021 (Positionspapier digitales Rechtssystem; s. dort unter 4.1)