Videoverhandlungen vor Zivilgerichten und in der Verwaltungs-, Finanz-, Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit sollen künftig verstärkt genutzt werden. Das sieht ein aktueller Gesetzentwurf des Bundesministeriums der Justiz vor.
Mit dem Ende November vorgelegten Entwurf für ein Gesetz zur Förderung des Einsatzes von Videokonferenztechnik in der Zivilgerichtsbarkeit und den Fachgerichtsbarkeiten will das Bundesministerium der Justiz erreichen, dass die Gerichte häufiger von der bereits jetzt bestehenden Möglichkeit Gebrauch machen, Videoverhandlungen und Videobeweisaufnahmen abzuhalten. Damit sollen Verfahren im Ergebnis schneller, kostengünstiger, ressourcenschonender und nachhaltig durchgeführt werden können.
In der Zivilgerichtsbarkeit sowie in den Fachgerichtsbarkeiten (Verwaltungsgerichtsbarkeit, Finanzgerichtsbarkeit, Arbeitsgerichtsbarkeit, Sozialgerichtsbarkeit) bestehen bereits seit Längerem die rechtlichen Voraussetzungen, um mündliche Verhandlungen, Güteverhandlungen und Erörterungstermine sowie die Vernehmung von Zeugen, Sachverständigen und Parteien per Bild- und Tonübertragung durchzuführen. Die vor allem während der Corona-Pandemie gewonnenen praktischen Erfahrungen haben Anpassungs- und Konkretisierungsbedarf bei den seit 2013 unverändert bestehenden Regelungen in der ZPO aufgezeigt. In den vergangenen Monaten wurde daher von verschiedener Seite eine Überarbeitung gefordert. Auch im Koalitionsvertrag wurde vereinbart, dass Verhandlungen zukünftig „online durchführbar“ sein sollen und die Möglichkeit geschaffen werden soll, „Beweisaufnahmen audiovisuell zu dokumentieren“.
Mit dem nun vorgelegten Entwurf sollen die Einsatzmöglichkeiten von Videokonferenztechnik in allen Verfahrensordnungen erweitert werden. Erreicht werden soll dieses Ziel in erster Linie dadurch, dass Gerichte künftig Videoverhandlungen nicht mehr nur gestatten, sondern aktiv anordnen können sollen. Die Verfahrensbeteiligten sollen innerhalb einer vom Gericht zu bestimmenden Frist beantragen können, sie von dieser Anordnung auszunehmen. Bei übereinstimmenden Anträgen der Parteien auf Durchführung einer Videoverhandlung soll diese in der Regel angeordnet werden.
Zukünftig soll auch eine Beweiserhebung durch Inaugenscheinnahme per Video möglich sein. Auch eine Videobeweisaufnahme soll von Amts wegen angeordnet werden können.
Die Regelungen zur vorläufigen Protokollaufzeichnung sollen dahingehend erweitert werden, dass auch eine Bild-Ton-Aufzeichnung der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zulässig ist. In bestimmten Verfahren sollen die Parteien zudem eine Audio- oder audiovisuelle Dokumentation der Aussagen von Beweispersonen beantragen können.
Videokonferenztechnik soll zudem auch für Erklärungen in den Rechtsantragsstellen zum Einsatz kommen. Auch das Verfahren zur Abnahme der Vermögensauskunft soll in dieser Hinsicht flexibilisiert werden.
Über die allgemeinen Verweisungsnormen in den Verfahrensordnungen der Fachgerichtsbarkeiten sind die vorgeschlagenen Neuregelungen grundsätzlich auch im arbeitsgerichtlichen, verwaltungsgerichtlichen und finanzgerichtlichen Verfahren anzuwenden. Um den Besonderheiten der Sozialgerichtbarkeit Rechnung zu tragen, soll die eigenständige Regelung zu Videoverhandlungen in § 110a SGG jedoch beibehalten und nur leicht angepasst werden.
Die Neuregelungen sollen darüber hinaus auch in weiteren Verfahren und Terminen zum Einsatz kommen, etwa im Bereich des Insolvenzrechts, des gewerblichen Rechtsschutzes und des Wettbewerbsrechts.
Der Entwurf steht unter dem Vorbehalt der abschließenden Ressortabstimmung. Das Gesetz bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
Die BRAK wird sich intensiv mit dem Entwurf befassen und eine Stellungnahme erarbeiten.
Weiterführender Link: