In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass Gerichte einen Antrag auf Beratungshilfe nicht wegen Mutwilligkeit zurückweisen und Betroffene auf die Beratung durch die Behörde verweisen können, gegen deren Bescheid sie sich wenden möchten. Die grundgesetzlich verbürgte Rechtswahrnehmungsgleichheit sei sonst verletzt.
Den Hintergrund der jüngst veröffentlichten Entscheidung bildet eine sozialrechtliche Streitigkeit. Der Beschwerdeführer bezog Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalt nach dem SGB II. Er hatte vom Jobcenter einen Leistungsbescheid erhalten, in dem unter anderem eine Erstattungsforderung enthalten war; diese ergab sich aus einem Betriebskostenguthaben für ein vorangegangenes Jahr, welches das Jobcenter über sechs Monate leistungsmindernd anrechnete.
Um gegen den Bescheid vorzugehen, wollte der Beschwerdeführer anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen und beantragte hierfür beim Amtsgericht Beratungshilfe. Der Rechtspflegerin teilte er bei Antragstellung mit, weshalb der Bescheid aus seiner Sicht fehlerhaft sei, und verwies dabei unter anderem auf die leistungsmindernde Anrechnung des Betriebskostenguthabens über sechs Monate. Die Rechtspflegerin wies den Antrag wegen Mutwilligkeit zurück; ein Widerspruch sei ohne anwaltliche Hilfe zu fertigen.
Seiner hiergegen eingelegten Erinnerung half die Rechtspflegerin des Amtsgerichts nicht ab. Das Amtsgericht wies die Erinnerung wegen Mutwilligkeit zurück. Der Beschwerdeführer wolle Leistungsbescheide des Jobcenters pauschal auf ihre Richtigkeit überprüfen lassen. Er könne nicht konkret darlegen, welche Fehler in den Bescheiden vorlägen. Auch habe er nicht vorgetragen, dass er sich selbst schriftlich oder durch Vorsprache beim Jobcenter um eine Aufklärung des Sachverhalts bemüht habe.
Das BVerfG hielt die dagegen gerichtete Verfassungsbeschwerde des Betroffenen für offensichtlich begründet. Die angegriffenen Beschlüsse des Amtsgerichts verletzen ihn in seinem durch Art. 3 I i.V.m. Art. 20 I und III GG verbürgten Anspruch auf Rechtswahrnehmungsgleichheit.
Dieser Anspruch sei durch die Versagung von Beratungshilfe nicht verletzt, wenn Bemittelte wegen ausreichender Selbsthilfemöglichkeiten die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe vernünftigerweise nicht in Betracht ziehen würden. Maßgeblich dafür sei, ob der zugrundeliegende Sachverhalt schwierige Tatsachen- oder Rechtsfragen aufwirft und ob Rechtsuchende selbst über ausreichende Rechtskenntnisse verfügen. Keine zumutbare Selbsthilfemöglichkeit ist jedoch nach Ansicht des BVerfG die pauschale Verweisung auf die Beratungspflicht der den Bescheid erlassenden Behörde.
Dies sei jedoch hier nicht der Fall gewesen. Der Beschwerdeführer habe keine besonderen Rechtskenntnisse gehabt und es seien schwierige Tatsachen- und Rechtsfragen zu beantworten gewesen, insbesondere die leistungsmindernde Anrechnung des Betriebskostenguthabens über sechs Monate. Der Beschwerdeführer habe auch nicht an das Jobcenter als den Bescheid erlassende Behörde verwiesen werden dürfen.
Das BVerfG hält die Einschätzung des Amtsgerichts, das Beratungshilfebegehren sei mutwillig, für nicht nachvollziehbar. Denn der Beschwerdeführer habe dargelegt, an welchen Punkten er Zweifel an der Richtigkeit der Bescheide hatte. Insbesondere habe er dabei auf die Anrechnung des Betriebskostenguthabens über sechs Monate hingewiesen, die mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung tatsächlich nicht vereinbar sei.
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