Der Koalitionsvertrag der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP wurde Ende November vorgelegt. Neben Plänen zur Digitalisierung, zum Klimaschutz und für eine ganze Reihe weiterer Lebensbereiche enthält der Koalitionsvertrag auch zahlreiche rechtspolitische Vorhaben, die für die Anwaltschaft von Bedeutung sind.
Die Koalition will den Pakt für den Rechtsstaat erneuern und um einen Digitalpakt ergänzen. Im Fokus stehen dabei die personellen und technischen Kapazitäten der Gerichte und Behörden. Die BRAK hat zuletzt in ihrem Positionspapier „Digitales Rechtssystem“ Vorschläge hierzu unterbreitet. Bereits wiederholt betonte sie, dass auch die Anwaltschaft in den Pakt einbezogen werden müsse.
Der Koalitionsvertrag enthält außerdem Pläne für das anwaltliche Berufsrecht. Der bereits in der vergangenen Legislaturperiode geänderte und stark umstrittene Rechtsrahmen für Legal Tech-Unternehmen soll erweitert werden. Für Legal Tech-Anbieter sollen klare Qualitäts- und Transparenzanforderungen festgelegt werden. Die behördliche Aufsicht für Inkassounternehmen soll gebündelt werden. Das in der vergangenen Legislaturperiode gelockerte Verbot von Erfolgshonoraren für die Anwaltschaft soll evaluiert und modifiziert und das Fremdbesitzverbot überprüft werden. Zu diesen Themen hatte die BRAK sich wiederholt geäußert und dabei auf die Potenziale, aber auch auf Risiken für die anwaltliche Unabhängigkeit hingewiesen; sie wird die weitere Entwicklung kritisch begleiten.
Für den Bereich des Zivilprozesses sieht der Koalitionsvertrag vor, dass Verhandlungen online durchführbar sein, Beweisaufnahmen audiovisuell dokumentiert werden und mehr spezialisierte Spruchkörper eingesetzt werden sollen. Damit werden wichtige Forderungen der Anwaltschaft aufgegriffen. Bagatellforderungen sollen in einem Online-Verfahren einfacher gerichtlich durchgesetzt werden können. Auch dies entspricht Forderungen der BRAK.
Ausbauen möchte die Koalition den kollektiven Rechtsschutz. Hierzu sollen bestehende Instrumente wie das Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz modernisiert und der Bedarf für weitere Instrumente geprüft werden. Auch die Umsetzung der EU-Verbandsklagerichtlinie zählt hierzu, in deren Rahmen die Musterfeststellungsklage überarbeitet werden soll.
Strafprozesse will die Koalition effektiver, schneller und moderner gestalten, ohne dabei die Rechte von Beschuldigten und Verteidigung zu beschneiden. Vernehmungen und die Hauptverhandlung sollen audiovisuell aufgezeichnet werden. Zudem soll für Beschuldigte von der ersten Vernehmung an eine Verteidigung sichergestellt werden. Beides sind seit langem aus der Anwaltschaft erhobene Forderungen.
Das Strafrecht soll systematisch auf Handhabbarkeit, Berechtigung und Wertungswidersprüche überprüft werden. Dies beinhaltet auch eine Überprüfung und Anpassung des Sanktionensystems. Hierzu hatte die BRAK kürzlich Vorschläge unterbreitet.
Verbessern will die Koalition außerdem die Qualität der Gesetzgebung. Neue Vorhaben sollen frühzeitig und ressortübergreifend diskutiert und die Praxis sowie betroffene Gesellschaftskreise besser eingebunden werden. Vor allem im Zusammenhang mit der Corona-Gesetzgebung hatte die BRAK wiederholt die mangelnde Einbindung bzw. äußerst kurze Fristsetzungen kritisiert und auf negative Auswirkungen einer fehlenden Verbändebeteiligung für die Qualität der Gesetze hingewiesen.
Die Parteien der Ampelkoalition planen, in der ersten Dezemberwoche durch Parteitage bzw. bei den Grünen durch eine Mitgliederbefragung über den Koalitionsvertrag zu entscheiden. In der Woche ab dem 6.12.2021 soll die Regierungsbildung abgeschlossen werden.
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