Das umstrittene Vorhaben der Koalitionsfraktionen, die Wiederaufnahme eines bereits durch Freispruch abgeschlossenen Strafverfahrens bei Mord und bestimmten völkerstrafrechtlichen Delikten künftig auch dann zu erlauben, wenn neue Beweismittel auftauchen, die eine Verurteilung hoch wahrscheinlich erscheinen lassen, hat im Bundesrat eine weitere Hürde genommen.
Der Rechtsausschuss des Bundesrats empfahl dem Plenum in seiner Sitzung am 3.9.2021, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen. Gegen den vom Bundestag Ende Juni ebenso überraschend wie kurzfristig beschlossenen Entwurf für ein „Gesetz zur Herstellung materieller Gerechtigkeit“ hatten sich die Länder Thüringen, Hamburg, Berlin und Sachsen, unterstützt durch einige andere Länder, gewandt. Sie konnten mit ihrem Anliegen, den Vermittlungsausschuss anzurufen, jedoch nicht durchdringen.
Der Rechtsausschuss beschloss jedoch einen Prüfauftrag an die Bundesregierung hinsichtlich eines weiteren Punktes, der kurzfristig noch in den Gesetzentwurf aufgenommen worden war: Zugleich mit der Schaffung der neuen Wiederaufnahmemöglichkeit soll die zivilrechtliche Verjährung für Anspruche aus den betreffenden, strafrechtlich unverjährbaren Delikten (§ 194 II BGB) abgeschafft werden. Dagegen äußerte der Ausschuss aus Gründen des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit erhebliche Bedenken.
Es zeichnet sich ab, dass das Gesetz letztlich durch das Bundesverfassungsgericht geprüft werden könnte. Presseberichten zufolge gibt es Erwägungen, wonach eine Landesregierung oder ein Viertel der (künftigen) Bundestagsabgeordneten einen abstrakten Normenkontrollantrag gegen das Gesetz stellen könnten.
Die Frage, in welchen Fällen ein Strafverfahren nach erfolgtem Freispruch wieder aufgenommen werden darf, ist seit Langem in Strafrechtswissenschaft und -praxis umstritten. Auch die BRAK hatte das aktuelle Gesetzesvorhaben scharf kritisiert, insbesondere wegen des „Hau-ruck-Verfahrens“ ohne Beteiligung von Verbänden und Fachöffentlichkeit.
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