von Rechtsanwalt und Notar Bernd Winnefeld, Ahaus
Das Vergütungsverzeichnis (VV) zum kommenden Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) sieht nunmehr in Nummer 2400 VV RVG eine Geschäftsgebühr von 0,5 bis 2,5 vor. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann jedoch nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.
Bei der Auslegung dieser Gebührenbegrenzung werden unterschiedliche Auffassungen vertreten. Braun (Gebührenabrechnung nach dem neuen Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, Seite 62 und ders. DAR 2004, Seite 61 ff, Das neue Gebührenrecht für den Verkehrsrechtler Seite 61 ff, Seite 64 bei Beispiel 3.3.1 bis Beispiel 3.3.3) vertritt die Auffassung, dass durch den Nachsatz sich ein weiterer Gebührenrahmen ergebe für „Normalfälle“ von 0,5 bis 1,3 mit einer Mittelgebühr von lediglich 0,9 (dagegen bereits Schneider, Anwaltsblatt 2004, 129 ff, 137). Zur Begründung verweist Braun darauf, dass die amtliche Begründung zum Gesetzesentwurf bewusst nicht davon spreche, dass die Gebühr in Höhe von 1,3 die Mittelgebühr sei. Vielmehr spreche das Gesetz „bei der Gebühr von 0,5 bis 1,3 von einer Regelgebühr“ (a. a. O. Gebührenabrechnung Seite 62).
Diese Auffassung ist meines Erachtens unzutreffend.
In der Begründung der Drucksache 15/1971, dem gemeinsamen Entwurf der Fraktionen, heißt es auf Seite 207 in der linken Spalte ausdrücklich am Ende des ersten Absatzes: „...Die Regelgebühr liegt bei 1,3...2. Im nachfolgenden zweiten Absatz heißt es am Ende ausdrücklich. „...In anderen Fällen dürfte die Schwellengebühr von 1,3 zur Regelgebühr werden.“ Auch am Ende des Dritten Absatzes dieser Seite heißt es in der linken Spalte: „...Sind auch Umfang und Schwierigkeit der Sache jedoch nur von durchschnittlicher Natur, verbleibt es bei der Regelgebühr (1,3)....“ Es ist danach falsch, dass die amtliche Begründung im Zusammenhang mit der Regelgebühr von Werten von 0,5 bis 1,3 spräche. Vielmehr wird ausdrücklich gerade der Wert von 1,3 als Regelgebühr/Schwellengebühr bezeichnet. Bei diesem Wert bleibt es danach, wenn es um die Bearbeitung nicht umfangreicher oder nicht schwieriger Sachen gegangen ist. Das weitere Argument von Braun, dass das Gesetz nicht von einer Mittelgebühr 1,3 spreche, erledigt sich zwanglos damit, dass die Mittelgebühr zwischen 0,5 und 2,5 eben auch tatsächlich 1,5 beträgt und nicht lediglich 1,3. Es gibt auch keinen zweiten Rahmen allein für „Normalfälle“ und eben deshalb ist von einer Schwellengebühr/ Regelgebühr die Rede. Bezeichnenderweise wird jedenfalls nicht von einer Mittelgebühr von 0,9 in der amtlichen Begründung gesprochen.
Die andere Auffassung, wonach es eine weitere Mittelgebühr von 0,9 für „Normalfälle“ gebe, stände auch dem Anliegen des Gesetzgebers entgegen, die außergerichtliche Streiterledigung auch gebührenrechtlich attraktiver zu machen und damit die außergerichtliche Erledigung einer Angelegenheit zu fördern (Bundestags-Drucksache 15/1971, Seite 207 linke Spalte vierter Absatz). Dies wird hier im Bereich der außergerichtlichen Geschäftsgebühr mit einem Gleichklang zur Verfahrensgebühr des Gerichtsverfahrens nach Ziffer 3100 VV RVG er-reicht, die gleichfalls 1,3 beträgt.
Anmerkung der Redaktion:
Die Rechtsansicht des Herrn Kollegen Winnefeld wird in der bislang veröffentlichten und hier vorliegenden Literatur zum neuen RVG einhellig bestätigt. Sowohl in Mayer / Kroiß / Teubel, Das neue Gebührenrecht, Seite 78 f. als auch in Ebert, Das neue RVG, S. 52 wird die Auffassung vertreten, die Anmerkung zur Nr. 2400 VV RVG sei als Kappungsgrenze zu verstehen, die wie folgt zu handhaben sei: Zunächst solle unter Ausnutzung des vollen Gebührenrahmens (0,5 – 2,5) und unter Bewertung aller in § 14 RVG benannten Bemessungskriterien die Gebühr bestimmt werden. Wird danach die Schwellengebühr von 1,3 überschritten, ist zu prüfen, ob die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. War dies der Fall, verbleibt es bei der bestimmten Gebühr, ansonsten kommt die Kappungsgrenze von 1,3 zur Anwendung. Wie man aus dem Bundesjustizministerium hört, wird auch dort dies so vertreten. Hartung / Römermann, RVG, VV Teil 2 Rdnr. 56 ff. sind sogar der Ansicht, die Kappungsgrenze greife nur dann ein, wenn die Tätigkeit weder umfangreich noch schwierig, also kurz und einfach war.