Über den sog. sicheren Übermittlungsweg können Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte Schriftsätze formwirksam bei Gericht einreichen, wenn sie diese mit einer einfachen Signatur versehen und sie aus ihrem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) an das Gericht senden. Die Form ist jedoch nicht gewahrt, wenn die Anwältin oder der Anwalt den Schriftsatz nicht selbst versendet, sondern zu diesem Zweck ihre bzw. seine beA-Karte samt PIN an eine Kanzleimitarbeiterin übergibt, die den Schriftsatz damit versendet. Das entschied der BGH jüngst in einer Strafsache.
In dem entschiedenen Fall wollte ein Rechtsanwalt, der in einer Strafsache die Nebenklägerin vertreten hatte, gegen das freisprechende Urteil Revision einlegen. Das Landgericht verwarf die Revision als unzulässig, weil sie nicht fristgemäß in der Form gem. § 32d S. 2 StPO – also auf dem sog. sicheren Übermittlungsweg – eingereicht worden war.
Der Antrag des Rechtsanwalts auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand blieb ohne Erfolg. Zur Begründung hatte er unter anderem vorgetragen, dass er die Revisionsschrift seiner Kanzleimitarbeiterin diktiert und sie mit der Übersendung an das Gericht beauftragt habe. Da er im Homeoffice arbeite, verwahre er seine beA-Karte und die PIN in seinem Schreibtisch, so dass die Mitarbeiterin damit Schriftsätze übermitteln könne.
Der BGH stellte klar, dass ein derartiges Vorgehen nicht zur Fristwahrung führen kann. Die prozessuale Form kann nur gewahrt werden, wenn die Anwältin oder der Anwalt den Schriftsatz persönlich aus dem eigenen beA versendet. Denn gem. § 24 der Rechtsanwaltsverzeichnis- und -postfachverordnung (RAVPV) können andere Personen als der bevollmächtigte Rechtsanwalt, insbesondere Kanzleimitarbeitende, sich nur mit einem ihnen selbst zugeordneten Zertifikat und der zugehörigen Zertifikats-PIN in einem besonderen elektronischen Anwaltspostfach anmelden. Dies sei hier aber nicht geschehen. Zudem untersage § 26 I RAVPV die Weitergabe der beA-Karte und der PIN an andere Personen. Dadurch solle sichergestellt werden, dass die einfache Signatur von der den Schriftsatz verantwortenden Person stammt. Auch § 23 III 5 RAVPV macht deutlich, dass das Recht, nicht qualifiziert-elektronisch signierte Dokumente alternativ formwahrend über das besondere elektronische Anwaltspostfach zu versenden, nicht auf Dritte übertragen werden darf. Denn das Vertrauen in die Authentizität der mit einfacher Signatur übermittelten elektronischen Dokumente stütze sich auf die Erwartung, dass dieser sichere elektronische Übermittlungsweg ausschließlich von den Inhabern des Anwaltspostfachs selbst genutzt werde.
Weiterführende Links:
BGH, Beschl. v. 20.6.2023 – 2 StR 39/23