Parallel zur Neujustierung der Zuständigkeiten von Amts- und Landgerichten, zu der das Bundeskabinett Ende August einen Gesetzentwurf beschloss, erwägt das Bundesjustizministerium aktuell, die Wertgrenzen anzuheben, ab denen Rechtsmittel vor den Zivil- und Fachgerichten zulässig sind. Betroffen sind davon Verfahren nach der Zivilprozessordnung (ZPO), dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), dem Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) und der Strafprozessordnung (StPO) und zudem kostenrechtliche Verfahren (GKG, FamGKG, GNotKG, JVEG, RVG).

Konkret sollen danach die Wertgrenzen für Rechtsmittel wie folgt angehoben werden:

  • für Berufungen, Beschwerden nach dem FamFG und das Verfahren nach billigem Ermessen im Zwangsvollstreckungsrecht von derzeit 600 Euro auf 1.000 Euro,
  • für Nichtzulassungsbeschwerden von derzeit 20.000 Euro auf 25.000 Euro und
  • für Kostenbeschwerden von derzeit 200 Euro auf 300 Euro.

Die Erhöhungen entsprechen (mit Ausnahme der Nichtzulassungsbeschwerden) in etwa der Inflation seit der letzten Anpassung der Streitwertgrenzen im Jahr 2002 bzw. 2004.

In ihrer Stellungnahme zu den Überlegungen des Ministeriums betont die BRAK, dass die aktuellen Gesetzesvorhaben wie etwa zur Erhöhung der Zuständigkeitsstreitwerte der Amtsgerichte und zum zivilrechtlichen Online-Verfahren kumulativ auf das Gefüge der gerichtlichen Zuständigkeiten und die funktionelle Ausdifferenzierung der Justiz wirken. Daher müssen bei der Bewertung der Überlegungen zur Erhöhung der Wertgrenzen auch die systematischen Wechselwirkungen mitbedacht werden. Die BRAK spricht sich nachdrücklich dafür aus, dass die Auswirkungen sämtlicher Reformvorhaben – insbesondere mit Blick auf Verfahrensverlagerungen und Zugangshürden – zuerst sorgfältig geprüft werden, bevor der Zugang zu den Rechtsmittelinstanzen eingeschränkt wird. Derzeit sieht sie keine tragfähigen Gründe für derart tiefgreifende Maßnahmen.

Die BRAK befasst sich in ihrer Stellungnahme auch im Detail mit den einzelnen Regelungsvorschlägen. Sie weist darauf hin, dass etwa bei Auskunftsansprüchen der Streitwert regelmäßig niedrig bemessen werde und daher schon jetzt die Wertgrenze von 600 Euro für die Berufung häufig nicht erreicht werde. Eine Anhebung der Wertgrenze auf 1.000 Euro schlösse für Auskunftsansprüche in vielen Fällen faktisch eine Berufung aus. Das bewertet sie aus rechtsstaatlicher Sicht kritisch.

Mit Blick auf die angedachte Anhebung der Wertgrenze in § 495a ZPO auf 1.000 Euro parallel zur Berufungswertgrenze sieht die BRAK die Gefahr, dass auch rechtlich oder tatsächlich komplexere Streitigkeiten dem vereinfachten Verfahren ohne mündliche Verhandlung unterfallen würden. Dabei sei die Anwendung der Vorschrift nach einhelliger Rechtsprechung nur bei Streitigkeiten gerechtfertigt, die wirklich einfach gelagert sind.

Ferner spricht die BRAK sich auch gegen eine Erhöhung des Beschwerdewerts in familiengerichtlichen Verfahren aus. Hier seien die Beteiligten durch die Entscheidungen unmittelbar in ihrer finanziellen Existenz betroffen. Abänderungsverfahren von Unterhaltstiteln, bei denen der Gegenstandswert auf den jährlichen Differenzbetrag gerichtet ist, wären einer zweitinstanzlichen Prüfung überwiegend entzogen.

Einen Schwerpunkt der Stellungnahme bilden die verfassungsrechtlichen Bedenken der BRAK gegen die angedachte Erhöhung der Wertgrenze für Nichtzulassungsbeschwerden (§ 544 II Nr. 1 ZPO) von 20.000 auf 25.000 Euro. Ihre Einfühung wurde nur damit gerechtfertigt, den Bundesgerichtshof (BGH) vor einer Überlastung zu bewahren; die Wertgrenze steht daher – anders als die übrigen Wertgrenzen – nicht in Relation zur Inflation. Bei der derzeitigen Arbeitsbelastung des BGH und den rückläufigen Verfahrenszahlen lässt sich aus Sicht der BRAK eine weitere Beschränkung des Zugangs zur Rechtsmittelinstanz jedoch gerade nicht rechtfertigen.

In Bezug auf die Anhebung der Wertgrenze für Kostenbeschwerden weist die BRAK darauf hin, dass dass die Höhe der Kosten vorrangig aus dem GKG, dem FamGKG und dem RVG folgt. Diese unterliegen gerade nicht unmittelbar der Inflationsentwicklung. Vor diesem Hintergrund erschließt sich eine mit der Inflation begründete Anhebung dieser Wertgrenze nicht.

 

Weiterführende Links:
Stellungnahme Nr. 37/2025
Nachrichten aus Berlin 17/2025 v. 20.8.2025 (zu den Erhöhungsplänen) 
Pressemitteilung des Bundesjustizministeriums v. 27.8.2025 (zur Erhöhung der Zuständigkeitsstreitwerte) 
BRAK-News v. 29.8.2025 (zur Erhöhung der Zuständigkeitsstreitwerte)