Eine formularmäßig getroffene anwaltliche Zeithonorarabrede ist auch im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht allein deshalb unwirksam, weil der Rechtsanwalt weder dem Mandanten vor Vertragsschluss zur Abschätzung der Größenordnung der Gesamtvergütung geeignete Informationen erteilt noch sich dazu verpflichtet hat, ihm während des laufenden Mandats in angemessenen Zeitabständen Zwischenrechnungen zu erteilen oder Aufstellungen zu übermitteln, welche die bis dahin aufgewandte Bearbeitungszeit ausweisen. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einem aktuellen Verfahren entschieden. Zudem hat er klargestellt, dass sich die Honoraransprüche eines Rechtsanwalts nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) richten, wenn eine formularmäßig getroffene anwaltliche Vergütungsvereinbarung aus AGB-rechtlichen Gründen insgesamt unwirksam ist.
In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein Mandant in einer erb- und familienrechtlichen Auseinandersetzung mit seinem Rechtsanwalt für verschiedene Mandate jeweils eine Vergütungsvereinbarung geschlossen, die der Anwalt vorformuliert hatte. Diese enthielt neben einem vereinbarten Stundensatz auch Bestimmungen zur Erhöhungen des Stundensatzes, zur Auslagenpauschale, zur Einigungs- und zur Befriedungsgebühr sowie Streit- und Anerkennungsklauseln. Der Rechtsanwalt klagte auf Zahlung seiner Vergütung. Der Mandant forderte die Rückerstattung des gezahlten Honorars, weil die Vergütungsvereinbarungen unwirksam seien.
Das Urteil des BGH ist so bedeutend, weil der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einem Urteil aus dem Januar 2023 strenge Anforderungen an die Transparenz von Zeitaufwandsklauseln gestellt hatte. Der EuGH hatte insbesondere entschieden, dass eine Zeitaufwandsklausel nicht den Transparenzvorgaben des Art. 4 II der Richtlinie über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (RL 93/13/EWG) genügt, wenn dem Verbraucher vor Vertragsschluss nicht die Informationen erteilt worden sind, die ihn in die Lage versetzt hätten, seine Entscheidung mit Bedacht und in voller Kenntnis der wirtschaftlichen Folgen des Vertragsschlusses zu treffen.
Nach Ansicht des BGH führt dies jedoch nach den Vorgaben des nationalen Rechts (§ 307 I 1 i.V.m. 2 BGB) nicht per se dazu, dass formularmäßig getroffene Zeithonorarvereinbarungen von Anwältinnen und Anwälten unwirksam sind. Eine unangemessene Benachteiligung des Mandanten und damit eine Unwirksamkeit der Zeithonorarklausel nach § 307 I 1 BGB liege nicht allein deshalb vor, weil der Rechtsanwalt seinen Vertragspartner nicht durch entsprechende Informationen in die Lage versetzt, die Größenordnung der Gesamtkosten abzuschätzen, und sich nicht dazu verpflichtet, während des laufenden Mandats in angemessenen Abständen über den Kosten- und Zeitaufwand zu informieren. Dass eine solche Zeithonorarklausel gemäß § 307 I 2 BGB intransparent ist, genüge hierzu nicht.
Letztlich sieht der BGH im Streitfall aber eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 I 1 BGB aus dem Gesamtzusammenhang der einzelnen Klauseln. Damit führt die Unwirksamkeit der Klauseln zur Unwirksamkeit der Honorarvereinbarungen im Ganzen. Diese führt nach dem BGH aber nicht zur Unwirksamkeit der Anwaltsverträge insgesamt (§ 306 I BGB). Sie hat vielmehr zur Folge, dass der Kläger für seine anwaltlichen Tätigkeiten jeweils die gesetzliche Vergütung nach dem RVG von der Beklagten verlangen kann (§ 1 I 1 RVG, § 306 II BGB).
Die Gebührenreferentinnen und -referenten der Rechtsanwaltskammern hatten sich bei ihrer 84. Tagung Anfang April in Stuttgart mit dem Urteil des EuGH befasst und Thesen zum aktuellen Stand der Entwicklungen und der nationalen Rechtsprechung in Bezug auf das EuGH-Urteil beschlossen. Hintergrund war, dass einige Rechtsschutzversicherungen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte mit der Begründung in Regress nahmen, die geschlossenen Vergütungsvereinbarungen seien wegen des EuGH-Urteils unwirksam.