Der Koalitionsvertrag der Regierungsparteien sieht eine Überprüfung des sog. Fremdbesitzverbots im anwaltlichen Berufsrecht vor. Dieses untersagt es der (Patent-)Anwaltschaft derzeit, reine Kapitalinvestoren in ihre Kanzleien zu holen. Auf diese Weise soll die anwaltliche Berufsausübung vor Einflussnahme von Investoren auf die Mandatsführung und -auswahl unter Rentabilitätsgesichtspunkten geschützt werden. Das Bundesministerium der Justiz arbeitet derzeit an der Überprüfung der entsprechenden Regelungen u.a. in der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO).

Im Rahmen der dazu vom Ministerium durchgeführten Verbändeanhörung hat die BRAK zu den bestehenden Regelungen der BRAO zum Fremdbesitz Stellung genommen. Gefragt wurde dabei insbesondere nach dem praktischen Bedürfnis für sowie die Chancen und Risiken durch eine Lockerung des Fremdbesitzverbots. Die BRAK kritisiert zunächst, dass die vom Ministerium gestellten Fragen vom Ansatz her eine Lockerung in Erwägung ziehen; eine ergebnisoffenere Fragestellung wäre wünschenswert gewesen.

In ihrer Stellungnahme ruft die BRAK zunächst den Sinn und Zweck des Fremdbesitzverbots in Erinnerung. Die anwaltliche Unabhängigkeit solle davor geschützt werden, dass andere Personen mit ausschließlich ökonomischer Zielsetzung sich durch Gewinnbeteiligung oder Stimmrecht etc. an einer Rechtsanwaltskanzlei beteiligen könnten. Dies wirke sich negativ auf das Niveau der Sicherheit und der Qualität der Rechtsberatung und damit auf die Qualität des Zugangs zum Recht für die Bevölkerung aus. Zudem geht die BRAK auf den Zusammenhang des Verbots mit der Beschränkung der beruflichen Zusammenarbeit von Anwältinnen und Anwälten mit anderen freien Berufen ein.

Die sich durch eine Lockerung des Fremdbesitzverbots ergebenden Chancen für die Entwicklung des Anwaltsmarktes schätzt die BRAK als sehr gering ein. Aus ihrer Sicht ist äußerst ungewiss, ob Fremdkapitalgeber in nennenswertem Umfang in (kleine) Anwaltskanzleien investieren würden; attraktiv seien vielmehr größere Einheiten oder hoch skalierbare Geschäftsmodelle. Zudem sei unwahrscheinlich, dass Kanzleien in der Breite mithilfe von Fremdkapital in die Entwicklung eigener KI-Tools investieren würden; zu erwarten sei vielmehr, dass sich Standardlösungen großer Player durchsetzen.

Für die BRAK ist auch nicht erkennbar, dass sich durch eine Lockerung des Fremdbesitzverbots die Wettbewerbsfähigkeit oder die Wettbewerbschancen der Anwaltschaft verbessern könnten. Die vom Ministerium Ende 2023 durchgeführte Umfrage zeige vielmehr, dass der Großteil der Anwaltschaft eine Lockerung des Fremdbesitzverbots zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit nicht für erforderlich hält. Im Übrigen gebe es bereits jetzt die Möglichkeit der Fremdfinanzierung, wenn auch ohne Beteiligungsmöglichkeit. Hiervon machten Anwaltskanzleien durchaus Gebrauch.

Eine Lockerung oder gar Beseitigung des Fremdbesitzverbotes lässt nach Ansicht der BRAK im Ergebnis nicht erwarten, dass die digitale Transformation – wie auch immer man diese überhaupt bestimmen möchte – in der Anwaltschaft befördert wird.

Die BRAK sieht viel mehr ernstzunehmende Risiken sowohl für die Struktur des Anwaltsmarktes als auch für die Sicherung der anwaltlichen Grundpflichten – vor allem der Unabhängigkeit – und den Zugang zum Recht. Sie warnt davor, dass eine Lockerung des Fremdbesitzverbots die Situation kleinerer Anwaltskanzleien, die typischerweise die Versorgung der rechtsuchenden Bürgerinnen und Bürger mit Rechtsdienstleistungen in der Fläche bewerkstelligen, verschlechtert.

Ein milderes Mittel als das Fremdbesitzverbot zur Gewährleistung der Unabhängigkeit der Berufsträger und damit des Schutzes der qualifizierten Rechtsdienstleistungen und des Zugangs zum Recht gibt es nach Ansicht der BRAK nicht. Alle theoretisch denkbaren Regelungsmodelle können die identifizierten Risiken nicht ausräumen bzw. ihnen adäquat begegnen. Dies sahen auch 72,83 % der Befragten in der BMJ-Umfrage so.

Schädliche Einflussnahme durch Investoren lasse sich zudem durch Klauseln in Gesellschaftsvertrag oder Satzung nicht effektiv und nachhaltig ausschließen. Gefahren für die anwaltliche Unabhängigkeit sieht die BRAK ganz besonders dann, wenn ein Investor droht, Kapital wieder abzuziehen, weil dies möglicherweise fatale wirtschaftliche Folgen für eine Kanzlei haben könne.

Weiterführende Links:
Stellungnahme Nr. 71/2023
Dahns/Flegler/Nitschke, BRAK-Mitt. 2023, 204 (zum EuGH-Vorlageverfahren)
Stellungnahme Nr. 41/2023 (BRAK-Stellungnahme zum EuGH-Verfahren)
Umfrage des BMJ zum Fremdbesitzverbot