Mit Folgeregelungen zur „großen BRAO-Reform“ befasste sich die Satzungsversammlung in ihrer Sitzung am 6.12.2021. Kontrovers diskutiert wurde ein Konzept zum Verbot der Interessenkollision in § 3 BORA. Auf der Agenda standen zudem Themen wie die allgemeine Fortbildungspflicht, die neue Pflicht, Berufsrechtskenntnisse zu erwerben, und Fragen des Fachanwaltsrechts. Die Beschlüsse werden nunmehr durch das Bundesjustizministerium geprüft.
Nachdem die vorherigen Sitzungen wegen der Corona-Pandemie abgesagt werden mussten, kam die Satzungsversammlung am 6.12.2021 zur zweiten Sitzung der 7. Legislaturperiode zusammen. Diese konnte aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation nur als Online-Sitzung durchgeführt werden. Sämtliche Beschlüsse wurden deshalb nochmals schriftlich nachgeholt, die Stimmabgabe erfolgte über das besondere elektronische Anwaltspostfach der Mitglieder (§ 3 II Covid-19-Gesetz zur Funktionsfähigkeit der Kammern; § 37 BRAO). Alle Beschlüsse wurden bis Ende Dezember 2021 bestätigt und sodann dem Bundesministerium für Justiz zur Prüfung zugeleitet. Sofern von dort innerhalb von drei Monaten keine Beanstandung erfolgt, werden die Beschlüsse durch die BRAK veröffentlicht und treten am ersten Tag des dritten auf die Veröffentlichung folgenden Monats in Kraft (§ 191e I und III BRAO).
Inhaltlich hatte sich die Satzungsversammlung mit einer ganzen Reihe aktueller Fragen zu befassen, die zum Teil Folgen der berufsrechtlichen Reformen der vergangenen Legislaturperiode sind.
Aus der Fachanwaltschaft für Insolvenzrecht soll künftig die Fachanwaltschaft für Insolvenz- und Sanierungsrecht werden. Fachanwältinnen und -anwälte, die den bisherigen Titel führen, sollen die Wahl haben, ob sie diesen behalten oder den neuen Titel führen möchten. Die §§ 1, 5 I g und 14 FAO werden entsprechend angepasst. Die Satzungsversammlung entspricht mit der Umbenennung dem aus der bestehenden Fachanwaltschaft oft geäußerten Wunsch, mit dem Titel auch ihre Qualifikation und Expertise bezüglich Sanierung zum Ausdruck zu bringen.
Angepasst werden sollen die Anforderungen für den Erwerb der Fachanwaltschaft für Bau- und Architektenrecht. Statt der bisherigen sechs sollen künftig nur noch drei der nachzuweisenden praktischen Fälle selbstständige Beweisverfahren sein. Die entsprechende Änderung von § 5 I l FAO trägt dem Umstand Rechnung, dass weniger selbstständige Beweisverfahren stattfinden.
Kontrovers diskutiert wurden die vorgeschlagenen Änderungen in § 3 BORA. Sie wurden notwendig, weil durch die „große BRAO-Reform“ das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen in § 43a IV BRAO zum 1.8.2022 umfassend neu geregelt wird. Dadurch wird die bisherige Regelung in § 3 BORA zum Teil obsolet, zum Teil widerspricht sie der neuen bundesgesetzlichen Regelung. Dies soll nun glattgezogen werden. Erstmals soll dabei im neuen § 3 IV BORA die Situation geregelt werden, dass mehrere Anwältinnen und Anwälte einer Kanzlei auf zwei Seiten eines Rechtsstreits tätig sind; das lässt § 43a IV 4 BRAO n.F. mit Zustimmung der Mandantschaft künftig zu. Das Plenum definierte hierfür nun die Anforderungen an die erforderliche Chinese Wall.
Nicht einigen konnte sich die Satzungsversammlung auf eine Regelung, die ein Tätigkeitsverbot über im Rahmen einer Ausbildungsstation tätige Rechtsreferendarinnen und -referendare (§ 43a V 2 BRAO n.F.) hinaus auch auf in Nebentätigkeit beschäftigte Referendarinnen und Referendare sowie auf wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Anwaltszulassung erstrecken soll. Für sie wollte der Ausschuss 2 der Satzungsversammlung, der den Regelungsvorschlag erarbeitet hatte, in gleicher Weise klarstellen, dass bei ihrer Vorbefassung nicht die Sozietät infiziert wird. Damit möchte der Ausschuss ein potenzielles Einstellungshindernis für junge Kolleginnen und Kollegen beseitigen. Sowohl das Plenum als auch das Bundesjustizministerium sehen hier jedoch noch weiteren Beratungsbedarf.
§ 5 BORA soll eine redaktionelle Anpassung erfahren: Die Verpflichtung, die zur Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen zu schaffen, soll nicht nur für Kanzlei und Zweigstelle gelten, sondern auch für die weitere Kanzlei, deren Einrichtung bereits 2017 ermöglicht wurde. In der Begründung zu dem Regelungsvorschlag wird betont, dass nicht das tradierte Bild der Berufsausübung festgeschrieben werden solle, sondern dass es im eigenen Ermessen des Anwalts stehe, auch moderne Möglichkeiten zu nutzen und insbesondere auch ohne feste Büroräume tätig zu sein.
Wieder auf der Agenda stand die bereits in der vorangegangenen Legislatur kontrovers diskutierte Konkretisierung der allgemeinen Fortbildungspflicht. Eine Ermächtigungsgrundlage für die Satzungsversammlung hatte der Gesetzgeber im Rahmen der „kleinen BRAO-Reform“ 2017 letztendlich nicht schaffen wollen. Auch nunmehr gingen die Meinungen hierüber auseinander; betont wurde jedoch, dass Deutschland europaweit das nahezu einzige Land ohne eine konkretisierte und sanktionierte Fortbildungspflicht für die Anwaltschaft sei. Letztlich fand die bereits 2017 verabschiedete Resolution, mit der das Bundesjustizministerium um die Schaffung einer entsprechenden Pflicht nebst Satzungsermächtigung für die konkrete Ausgestaltung ersucht werden soll, eine deutliche Mehrheit.
Mit der in § 43f BRAO n.F. neu eingeführten Pflicht, innerhalb des ersten Jahres ab Zulassung Kenntnisse im Berufsrecht nachzuweisen, wurde in § 59a I h BRAO n.F. auch die Satzungskompetenz dafür geschaffen, diese Pflicht konkret auszugestalten. Es bestand Konsens, dass der zuständige Ausschuss 5 der Satzungsversammlung einen Themenkatalog hierzu erarbeiten soll.
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